"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
115. Brief
Jena, 30. Juni 1876.
Liebste Agnes! Dein eben eingetroffener Brief hat
mich sehr durch die Nachricht erfreut, daß Du nächsten Mittwoch wieder
bei mir sein wirst. Ich erwarte Dich sehnlichst und hoffe, daß das
verödete Haus mir nun wieder lieb und heimisch wird. Es ist grauenhaft,
so ganz allein in der großen Wohnung zu sitzen und durch die öden
Zimmer zu gehen. Das Essen hab ich mir halb abgewöhnt, hoffe aber, der
Appetit wird wiederkommen, wenn ich erst meine liebe kleine Familie
wieder bei mir habe! Hoffentlich ist sie auch immer recht
liebenswürdig!! Ihr werdet nun auf der neuen Bahn nach Weimar
zurückfahren, am besten wohl über Frankfurt . . .
Vorgestern (Donnerstag, 28. 6.) wurde bei schönstem
Wetter die hiesige neue Bahn feierlichst eröffnet. Ich als Prorektor war
Ehrengast und fuhr mit Danz und Lipsius, da der Zug überfüllt war, auf
der Plattform vierter Klasse! Wunderhübsche Aussicht. Um 9 1/2
Uhr von hier weg, um 11 1/2 in Gera. Dort wurde eine Stunde
gefrühstückt. Dann zurück. Um 4 Uhr großes Festessen im Deutschen
Haus. Der glückliche Zufalle setzte mich neben Fräulein L.
S. . . . Ich machte ihr sehr die Cour!! Sie ist ein
munteres, naives Wesen. Die Fahrt durch den Zeitzgrund (von Roda bis
Hermsdorf, 1/2 Stunde) ist ganz reizend, überhaupt die Bahn ein
großer Gewinn! Wir wollen sie demnächst zusammen fahren!
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