"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
202. Brief
Konstanz, 28. August 1896.
Liebste Agnes! Die 3 Festtage, die ich zur Feier von
Gegenbaurs 70. Geburtstag mit ihm und seiner Familie in Gernsbach
zubrachte, sind glücklich vorübergegangen. Mein alter Freund war über
meinen Besuch sehr erfreut und gerührt, übrigens in sehr stiller und
resignierter Stimmung. Seine Frau ist sehr
leidend . . . Außer den 3 Damen war niemand da. Am
Freitag morgen veranstaltete ich einen kleinen Aufbau mit Blumen etc.,
den 3 dicken Bänden der Festschrit (sehr hübsch) und meinen Chromo-
Photogr. von Jena und Wartburg, die ihm besondere Freude machten.
Dann kamen zahlreiche Telegramme und Haufen von Briefen, auch vom
Großherzog von Baden, Adressen von Ministern, Universtität, Dekanat,
Zoolog. Gesellsch. etc. Das meiste hat unser guter Karl beiseite gelegt und
noch nicht angesehen.
Gestern bin ich von Gernsbach, wo wir wegen Regen
meist im Zimmer saßen, um 10 Uhr abgefahren, mit der Schwarzwaldbahn
hierher. In Triberg hatte ich 2 Stunden Aufenthalt und sah den
Wasserfall an. Das Wetter ist hier - und in der ganzen Schweiz! - seit 6-8
Wochen schauderhaft, immer Regen und Kälte! Tausende von
trübseligen verregneten Touristen und (schimpfenden) Touristinnen
wanken in den Hotels umher. Ich fahre heute morgen mit dem Schiff über
den Bodensee nach Bregenz und per Bahn durch Vorarlberg nach Bludenz.
Ist das Wetter morgen nicht besser, so mache ich
wahrscheinlich einen Versuch mit Südtirol, wo es besser sein soll. - Am
1. und 2. September denke ich in Jenbach zu sein, wo ich Brief von Dir
erwarte . . .
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