"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
40. Brief
Jena, den 1. August 1869.
Mein lieber Ernst! Ich glaubte, mein lieber Mann
hätte sein Frauchen ganz vergessen, da er tagelang nichts von sich hören
ließ, endlich habe ich heute einige Zeilen, wodurch Du mir den ganzen
Tag verschönt hast, mein lieber Schatz, ich Dich noch viel lieber als Du
mich. Wie ich Dich entbehre, davon hast Du keinen Begriff. Du hast
fortwährend neue Eindrücke, ich sitze aber hier nur und sehne mich. -
Dabei ging es mir einige Tage sehr schlecht, so daß ich furchtbar müde,
wie zerschlagen, war und Magenschmerzen den ganzen Tag hatte seit der
alten Kur. Heute ist der erste Tag, wo ich wieder wohler und heiterer bin.
Unser Herzensputtchen habe ich seit 4 Tagen zu Hause
stecken . . .
Ich sorge mich noch mehr, seit Du fort bist, mein
altes liebes Ernstchen, nimm Dich nur sehr in acht, bei Deiner Fahrt
nach Kopenhaben hast du gewiß Sturm und Gewitter gehabt,
hier war ein sehr starkes Gewitter.
Heute war Otto auf einige Stunden in Jena, leider
immer nur so kurz. Marie reist morgen nach Berlin. - Neulich kam ein
Herr Marchuven, Professor, um Dich zu sehen, es hat ihm unendlich leid
getan. So sind schon mehrere dagewesen. Leich bewacht uns allnächtlich
und sagte mir, daß der Minister wieder dagewesen sei mit dem
Bezirksdirektor, Strasburger habe sie
herumgeführt . . . Dann war Gegenbaur da, um mich zu
bitten, ihm eine Person zu verschaffen, die die Stelle seiner Schwägerin
vertreten könne, da diese schon Mittwoch wieder abreise; er ist sehr
ärgerlich darüber und sagte: wenn sie, die Schwägerin, dann später
wiederkommen wolle, möchte sie in der "Sonne" oder sonstwo logieren,
bei ihm sei dann kein Platz mehr. Es war komisch anzuhören, aber
verdenken kann ich ihm das nicht. - Dann hat Martin, der
Justizamtmann, einen Zettel an Dich geschickt, Deinen Leich betreffend,
der dem Advokaten König 2 Reichstaler schuldet, was Du ihm von seinem
Gehalte abziehen und binnen 14 Tagen an das Justizamt zahlen sollst.
Leich sagt, die Geschichte ginge Dich nichts an, er führe einen Prozeß! -
Hildebrand ist nach Reichenhall mit seiner Tochter Bertha, seine Frau
kommt wieder zurück, was ich unbegreiflich finde, sie hätte bleiben
müssen, da er wieder einen Anfall gehabt hat; es ist doch sehr
bedenklich.
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