"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"
48. Brief
Jena, den 10. September 1870.
Mein liebster Schatz! Wie froh war ich, endlich heute
früh von Dir Nachricht zu bekommen, ich habe mich so sehr um Dich
geängstigt, Du böser Mann, hatte alle möglichen Vermutungen, und
derweil macht mein Gatte eine Rheinreise statt seiner Tour nach England.
Das ist spaßhaft. Eine geheime Ahnung hatte ich immer, daß Dein Plan
noch kein ganz feststehender sei . . . Nimm dich
hübsch in acht und rege Dich nicht zu sehr durch die Kriegsgeschichten
auf! Dein Gepäck wird Dir gewiß oft im Wege sein und Eine
Mikroskope.
Vorigen Mittwoch war Strasburger bei mir, recht
liebenswürdig und nett und sehr betrübt, daß Du schon abgereist warst!
Er hätte gern eine Tour mit Dir gemacht . . . Seine
Frau, die ich neulich besuchte, frug mich nach mancherlei, die kostbaren
Gardinen würden heute wieder aufgesteckt. Was haben die Leute für Not
mit ihrem Plunder! Wenn ich nur meinen Mann und mein Puttchen habe,
dann habe ich genug!
Gegenbaur ist nun glücklich mit seiner
Kleinen in Würzburg angelangt, das Kindermädchen hat er bis Koburg
mitgenommen, damit die Kleine ordentlich besorgt würde. Ist das ein
Umstandsrat, ein zu komischer, spaßhafter Mann! Frau Gegenbaur scheint
sich allein ganz heidenfidel zu befinden, ich habe sich lange nicht so
aufgeräumt und munter gesehen&npsp;. . ., sie freute sich,
als ich ihr erzählte, daß Du ihren Vater besuchen würdest. - Eine
Korrespondenzkarte liegt von Deinen Goldjungens da, Oscar schreibt, daß
sie nach dem Schlachtfeld von Sedan dirigiert sind, und sie hoffen da
noch tüchtig verbinden zu können. Du lieber Gott, leider wird dies
wohl der Fall sein, es sind doch noch rechte Kinder! Bisher hätten sie
mehr eine Vergnügungstour gemacht, von Berlin nach Bingen, von da nach
Mainz, Ludwigshafen, Weißenburg, Nancy (großes Entzücken über diese
Stadt!). Mehrere Male hätten die Helden Biwak beziehen müssen usw.
Mir und Puttchen geht es gut, ich habe immer
vielerlei in der Wirtschaft vor, was mir am besten über die Sehnsucht
hinweghilft, und Walter wird jeden Tag unbändiger und wilder. Wenn ich
sage: ach Puttchen, Papa ist nicht da, so seufzt er aus tiefster Seele mit
mir und sagt: Na, na! - Briefe sind, denke Dir, bis jetzt noch gar keine an
Dich gekommen, was mir sehr lieb ist, denn ich armes Tierchen bekomme
doch nur Zanke von meinem Mann? . . . Mutter und
Clara grüßen herzlich, am herzlichsten natürlich Dein treues Frauchen
ihren lieben, lieben Ernst . . .
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