|
Die Ausstellung
„Die kleinen Dinge“
Wie die meisten Karikaturisten nahm auch Bosc gern das Alltagsleben
aufs Korn. Im Abschnitt Petits riens (Die kleinen Dinge), benannt
nach einem Album des Künstlers, geht es um die Absurdität
des Daseins. Als Gleichnis der Modernität, deren Errungenschaften
nicht unwesentlich zu dieser Sinnlosigkeit beitragen, steht Bosc
ein ganzes Repertoire unterschiedlicher Bilder zur Verfügung:
Stadtlandschaften, Wolkenkratzer, Raumfahrt, Drive-in, Fernsehen
u.v.a. Mit schwarzem, zuweilen beinahe zynischem Humor setzt
er verstörte Menschen in Szene, die mit der Welt nicht mehr
zurechtkommen: Ein Passant erhängt sich inmitten einer gleichgültigen
Menge, ein enthaupteter Fernsehzuschauer betrachtet seinen eigenen
Kopf, ein Mann trägt das Selbstporträt des Künstlers
auf einer Lanze vor sich her...

Bosc (Jean Maurice Bosc,) (1924-1973), ohne Titel (Paris
Match, n° 586, 2 juli 1960, s. 107) Encre de Chine à la
plume et collage avec photographie de Brigitte Bardot, 24,3 × 29,2
cm Sammlung Alain Damman © Familie Bosc
"Tod den Tyrannen“
„Echte
Humoristen nehmen immer die Gleichen ins Visier: Polizei, Militär,
Klerus, Unmenschen, Reiche, Mächtige, Henker.“ (Wolinski)
Auch Bosc verabscheute jede Art von Tyrannei und brandmarkte
ihre verschiedenen Erscheinungsformen aus der Perspektive des
Anarchisten. Besonders scharf verurteilte er Krieg und Armee,
gewiss eine Folge seines eigenen Militärdienstes. Konflikte,
insbesondere der Algerienkrieg, hinterließen so traumatische
Spuren bei ihm, dass er sich sogar selbst als Folteropfer darstellte.
Eine der zahlreichen Zielscheiben seiner politischen Kritik war
de Gaulle, dessen autokratisches Gebaren er immer wieder anprangerte.
Auch die von den Unternehmern verkörperte Macht der Industrie
sowie die gesellschaftlichen und kirchlichen Machthaber entgingen
seiner bissigen Satire nicht.
Bosc (Jean Maurice Bosc) (1924-1973), ohne Titel (La bombe
et les secours), undatiert, Chinatusche, grau laviert, Feder,
31,3 × 24 cm, Sammlung Alain Damman © Familie Bosc |
„Ich mag Ihre Arbeit sehr“: Bosc und
die Kunst
Musik, Theater und Malerei zählen zu den wiederkehrenden
Themen in Boscs satirischem Werk.
Besonders spitzzüngig kritisierte er dabei die zeitgenössische
Kunst und die Funktion von Künstler und Kritiker („Ich
mag Ihre Arbeit sehr“). Doch auch über berühmte
Kunstwerke machte er sich lustig, indem er sie parodierte oder
abwandelte, wie in der sehr bezeichnenden Serie zu Millets Gemälde „Das
Angelusläuten“.
Bosc (Jean Maurice Bosc) (1924-1973), J'aime beaucoup ce
que vous faites (J’aime beaucoup ce que vous faites, Paris,
Denoël, 1985, S. 111). Aquarell auf Papier, 31,5 × 26,5
cm, Sammlung Alain Damman © Familie Bosc |
„Ich liebe dich“
„Ganz ohne machistische Untertöne sind Paare bei
Bosc offenbar unwiederbringlich dazu verurteilt, einander - selbst
wenn sie sich nicht streiten - mit Unverständnis und Sprachlosigkeit
zu begegnen.“ (Nelly Feuerhahn) In der Tat zeichnet Bosc
in vielen Karikaturen ein desillusioniertes, ernüchtertes
Bild der Frau, der Paarbeziehung und der Liebe im Allgemeinen.
Abgerundet wird das Thema in diesem Abschnitt von einigen zum
Teil unveröffentlichten Erotikzeichnungen.
Bosc (Jean Maurice Bosc) (1924-1973), Tout, mais pas ça
(Lui, Nr. 52, April 1968, S. 115), Aquarell auf Papier, 29,2 × 20,8
cm, Sammlung Alain Damman © Familie Bosc |
„Bosc & Co.“
Im Mittelpunkt dieses Abschnitts stehen Illustratoren, die Bosc
beeinflussten, sowie seine Zeitgenossen und Nachfolger. Wie alle
Zeichner seiner Generation bewunderte auch Bosc den grafischen
Stil der Cartoonisten des New Yorker, allen voran Saul Steinberg,
Charles Addams, dem er in einer seiner Zeichnungen eine Hommage
widmete, und Virgil Patch. Sein Markenzeichen - der in seiner
Schlichtheit und Einfachheit geradezu lakonisch anmutende schwarze
Strich - ist nicht zuletzt diesen Karikaturisten geschuldet.
Aus dem anregenden Umfeld, in dem sich Bosc in den Jahren zwischen
1950 und 1970 bewegte, sind in der Ausstellung Illustratoren
wie Chaval, Desclozeaux, Effel, Folon, François, Henry,
Loup, Morez, Mose, Puig Rosado, Searle, Sempé, Siné,
Tetsu und Trez vertreten. Zu seinen künstlerischen Erben
zählen Bretécher, Cabu, Copi, Reiser und Wolinski,
und auch die junge Zeichnergeneration fühlt sich Bosc verpflichtet,
darunter Dominique Boll, der in der Manier eines chinesischen
Kalligrafen Leere sehr gekonnt in Szene zu setzen versteht.

BOLL (BOLL, Dominique) (geb. 1962), „Le pêcheur“,
undatiert, Pinsel und Chinatusche auf Papier, 33 × 50 cm,
Sammlung des Künstlers ©Boll
Außerdem…
In Endlosschleife läuft in der Ausstellung der französische
Animationskurzfilm „Voyage en Boscavie“ von Jean
Herman und Claude Choublier. Der 1958 nach Zeichnungen von Bosc
entstandene Film wurde mit dem renommierten Prix Émile-Cohl
ausgezeichnet.
Unter dem Titel „Bosc à la bibliothèque“ sind
in der Bibliothek der Museen (MAMCS) freche und humorvolle Zeichnungen
von Bosc zum Thema Buch und Lesen zu sehen.
Ausstellungskatalog: Bosc
ISBN: 9782351251133
Broschierte Ausgabe, in französischer Sprache
160 Abbildungen, 192 Seiten
25 Euro
Der Katalog enthält die DVD des Animationsfilms „Voyage
en Boscavie“ von Claude Choublier und Jean Vautrin nach Zeichnungen von Bosc (Prix Émile-Cohl
1958).
Neben zwei einführenden Essays von Nelly Feuerhahn, Forscherin
beim CNRS und Chefredakteurin der Zeitschrift
Humoresques, und Thérèse Willer,
Leiterin des Museums Tomi Ungerer, umfasst er eine
Auswahl von 160 visuell und thematisch geordneten Zeichnungen,
die den politischen Kontext sowie Boscs Obsessionen
veranschaulichen.
In einer glänzenden Abhandlung (eine der berühmten
Chroniken aus La Montagne, 6. Dezember 1970) zeigt Alexandre Vialatte den universellen und zeitlosen
Charakter von Boscs Werk.
Text: Musée Tomi Ungerer |
|