FAUST

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DAS GROßE FAUST-RÄTSEL

Liebe Rat-Suchende,

das ist natürlich kein richtiges Rätsel, vielmehr ein Angebot für ein Literaturgespräch. Es entspringt eher meinem Bedürfnis, die Faust-Figur gegen den Strich zu lesen, auf neudeutsch: zu dekonstruieren. Wir hatten es bei unseren BaWü-Pflichtlektüren (so genannte "Sternchen-Themen") in den letzten Jahren mit so viel unsympathischen männlichen Protagonisten zu tun (z.B. Walter Faber, Harry Haller), dass sich mein Blick auf den Faust ebenfalls verdüstert hat - und siehe da: Er hat es wahrhaft verdient.

Warum soll dieser Faust eine Lichtgestalt der deutschen Literatur oder des deutschen Wesens sein? Was hat er eigentlich Vernünftiges oder Gutes getan und warum verzeihen wir ihm sein so genanntes 'Irren'? Bloß wegen seines 'Strebens und Bemühens'? Oder glauben wir auch - so wie Goethe und sein 'Herr' im Himmel - schlicht und einfach an das Gute im Menschen? Eigentlich tun wir das heute nicht mehr so uneingeschränkt und dafür gibt es gute Gründe.

Vielleicht hilft es, vom Ende des Dramas aus zu fragen, warum Faust (bzw. seine Seele) am Schluss gerettet wird, ob das wirklich moralisch gerechtfertigt ist und ob Goethe da nicht eine einzelne, wenn auch besondere menschliche Eigenschaft - den Drang nach Lebensintensität - verabsolutiert und überhöht hat:

Verantwortlich dafür ist wohl Goethes Naturverständnis vom immer währenden Hinauf- und Voran-Wachsen und Werden (siehe „Metamorphose der Pflanzen"), eine Weltsicht, die im 19. Jh. vielleicht noch anging, heute aber problematisch ist: Denn das Streben (wonach auch immer: Wahrheit, Wissen, Lebensgenuss) ist ja an sich keine moralische Kategorie. Was bleibt ist allenfalls das „Ewig Weibliche", das uns hinanzieht - also die wunderbare Kraft des Vergeben- und Vergessen- Könnens - auch wenn's einer nicht verdient hat.

Die Grundfrage ist also:
Hat Faust die Himmelfahrt verdient und wenn nein, warum lässt Goethe es so ausgehen?

Was Goethe geglaubt hat, das wissen wir: Er hat an die große harmonisierende Wirkungskraft der Natur geglaubt, die sich auch im 'strebend-irrenden' Menschen manifestiert. Aber glauben wir im 21. Jahrhundert das auch noch? Ich meine: Eher nicht! Und deswegen sollte uns die Faust-Figur verdächtig sein.

  • Verwenden Sie - wenn Sie wollen - das Faust-Rätsel erst gegen Ende der Unterrichtseinheit,
  • um die GANZE Faust-Geschichte (Faust I und II) in den Blick zu nehmen, denn es geht ja nach der Kerker-Szene erst richtig los. Ich habe das unterrichtlich immer gerne in einem von mir gestalteten Erzähldurchgang gemacht - auf jeden Fall den letzten Akt;
  • um des Weiteren der Figur des Faust ihre Aura zu nehmen -  woher immer diese herrühren mag -
  • und schließlich um Gretchens Willen, die die wirklich tragische (und sympathische) Figur im Trauerspiel ist. Um Margarete Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss Faust als das erkennbar werden, was er ist: Ein hormon-gesteuerter Macho, der sich im Bund mit finsteren Mächten befindet und sich daraus nur gelegentlich ein Gewissen macht.

Soviel zu meiner Rechtfertigung. Wie Sie damit unterrichtlich umgehen wollen, sei Ihrer Erfahrung und Kreativität überlassen.

Vielen Dank für Ihr Interesse.

(cc) Klaus Dautel

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