Ab dem 19. September zeigt das Museum LA8 an der Lichtentaler
Allee in Baden-Baden eine Ausstellung zum kulturellen Einfluss
der Preußen im deutschen Westen im 19. Jahrhundert. Während
sich der preußische Einfluss im Rheinland in Bauten und
Verwaltungsstrukturen bald nach dem Wiener Kongress 1815 deutlich
manifestierte, wurde das Großherzogtum Baden erst nach
den revolutionären Konflikten 1848/49 zum politischen und
dynastischen Partner der Hohenzollern. Deren Prinzen ließen
rheinische Ruinen restaurieren und damit zugleich eine vermeintlich
urdeutsche Vergangenheit. Bauwerke, aber auch Mitglieder des
Königshauses erhielten historistische Verkleidungen. Über
die traditionelle höfische Repräsentation hinaus pflegten
die Hohenzollern die festliche Maskerade. Das Kostüm wurde
zum heimlichen Paradigma ihres Regierungsstils.

Caspar Scheuren: Ansicht des Rittersaals in Stolzenfels, um 1843/47,
Aquarell, Landesbibliothekszentrum Koblenz
Dabei ereignete sich etwas Neuartiges. Normalerweise verhüllt
die Verkleidung, was sie bedeckt. Die preußische Kostümierung
aber erschuf hinter ihren architektonischen, textilen und geopolitischen
Maskeraden erst die historische Substanz, auf der sie ihre Herrschaft
im 19. Jahrhundert gründete. Die Ästhetisierung der
Landschaft diente zugleich der Politisierung der Region. Geschmackvoll
in die Landschaft platzierte Aussichtspunkte, prunkvolle Fassaden
und prächtig ornamentierte Kleidung sollten nicht nur schmücken
und erfreuen, sondern selbst Sinn erzeugen. In der politisierten
Romantik der Hohenzollern zielte Sehnsucht nicht auf melancholische
Naturbetrachtung, sondern auf dynastische Legitimation und territoriale
Beherrschung.
Preußen und Baden hatten im 19. Jahrhundert zunächst
ein politisch konfliktreiches, dann ein dynastisch und diplomatisch
kluges, schließlich ein ästhetisch und technisch folgen-
und erfolgreiches Verhältnis. Die bewegte Geschichte reicht
vom Attentat 1861 auf den Sommergast und späteren Deutschen
Kaiser Wilhelm I. in der Lichtentaler Allee in Baden-Baden bis
zum Denkmal für seine Gemahlin Augusta, aufgestellt 1892
nicht weit vom Attentatsort. Wilhelm und Augusta waren seit 1856
die Schwiegereltern des badischen Großherzogs Friedrich
I. Vierzig Jahre besuchte das preußische Herrscherpaar
Baden-Baden zur sommerlichen Erholung. Die Maison Messmer, das
kaiserliche Sommerdomizil, wurde zum informalen Zentrum internationaler
Spitzendiplomatie, Baden-Baden zur Sommerhauptstadt Europas.


Das Attentat auf König Wilhelm von Preußen in der Lichtenthaler
Allee in Baden-Baden 1861. Oben Lithografie (Stadtmuseum Baden-Baden),
unten die Waffen des Attentäters (Foto Foto: Thomas Viering).
Die Ausstellung lässt einen Gestaltungsanspruch lebendig
werden, der Kunst, Technik und Geschichte umfasste und vieles
entstehen ließ, das jenseits der tagespolitischen Absicht
bis heute künstlerische Geltung hat. Zu sehen sind großartige
Gemälde von Andreas Achenbach, Carl Georg Enslen, Christian
Sell, Friedrich Hiddemann, Fritz von Wille, Aquarelle des rheinischen
Romantikers Carl Scheuren, Denkmalentwürfe und –miniaturen
und nicht zuletzt Modelle der rheinischen Hohenzollernschlösser.
Mobiliar und Teile der Ausstattung aus Stolzenfels machen den
Besuchern das preußisch-königliche Wohngefühl
zugänglich, unter anderem zwei mittelalterliche Fenster,
die einen historischen Bezug zu den dynastischen Wurzeln herstellten.
Der enorme technische Innovationsschub aus Preußen wird
an den Eisengussprodukten der Sayner Hütte anschaulich.
Dass der preußische Stil bis zu den schmucken Uniformen
und Pickelhauben der Soldaten reichte, fand seinen ironischen
Widerhall unter anderem in den Verkleidungen des rheinischen
Karnevals. Zu sehen sind die spöttischen Preußen-
Karikaturen von Honoré Daumier und Andreas Achenbach.

Christian Sell: Winterlicher Feldzug (Szene aus dem Deutsch-Französischen
Krieg), 1876, Oel auf Holz, Dr. Axe Stiftung
Ausstellung und Katalog entstanden in Kooperation mit dem Arp
Museum Bahnhof Rolandseck und Frau Dr. Irene Haberland. Die Ausstellung
läuft bis zum 28. Februar 2016 in Baden-Baden.
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