Brünhild
Brünhild ist
die gefallene Walküre, die Göttervater Wotan ins Feuer einschließen
musste, weil auch er dem ewigen Gesetz der Götter unterworfen
war. Brünhild, die Walküre, und Sigfried, der Heldensohn, sind
für einander bestimmt, weil nur so Rettung für das Göttergeschlecht
kommen kann.
Brünhild sieht
Gunther und Sigfried, als sie an Land kommen, und Brünhild hält
mit innerer Überzeugung - oder, einem anderen Lied folgend, aus
der Erinnerung an den Geliebten, der sie verließ - Sigfried für
den richtigen, und Gunther für einen seiner Begleiter. Um so größer
ihr Erschrecken, als Sigfried zurücktritt und Gunther als den
Werbenden offenbart. Der erste Verrat.
Brünhilds
Anforderungen an den Werber im Lied sind traditionsgemäß übermenschlich:
Er muss einen Speer werfen, den kaum drei Männer tragen können,
er muss einen Stein werfen, den gar zwölf Männer heranschleppen
und er muss hinterherspringen. Brünhild schafft das mit halbgöttlicher
Lässigkeit. Gunther versinkt angesichts dieser Herausforderungen
in tiefe Verzweiflung und wünscht, nie auf diesen Gedanken gekommen
zu sein. Auch er war der mittelalterlichen Gleichsetzung von Schönheit
und Tugend erlegen, auch er hatte nur von der Schönheit Brünhildes
gehört und beschlossen, sie und keine andere zur Frau zu nehmen.
Rettung für
den Burgunderkönig kommt von Sigfried, der - wie damals Hagen
von Tronje in Worms - über alles Bescheid weiß. Er ist nicht nur
stark genug, diese Aufgaben zu erfüllen - sogar besser zu erfüllen
als Brünhilde selbst - sondern er hat auch das Zaubermittel, um
sie an Stelle Gunthers zu erfüllen: die Tarnkappe, die ihn unsichtbar
macht.
Der zweite
Verrat. Sigfried besiegt an Stelle Gunthers und für ihn die Frau,
die eigentlich für ihn bestimmt ist. Ältere Sagen schalten hier
noch einen Vergessenstrunk ein.
Mit dem unerwarteten
Sieg Gunthers ist Brünhildes Macht gebrochen, sie gibt sich ihm
zur Frau.
Als aber Brünhild
beginnt, ihre Mannen zusammenzurufen, um ihnen die neuesten Ereignisse
mitzuteilen, wittern die Burgunder Verrat. Sigfried bietet an,
tausend seiner besten Helden nach Island zu bringen und fährt
allein nach seiner Nibelungenburg. Joachim Fernau in "Disteln
für Hagen" kommentiert, die Strecke Island - Norwegen in einem
kleinen Ruderboot in 24 Stunden, das sei eine reife Leistung.
Der Nibelungenlieddichter konnte sich allerdings auf die geographische
Unkenntnis seiner Hörer verlassen.
In Worms angekommen
wird die Hochzeit vorbereitet - Gelegenheit für den Dichter, seine
Weltgewandtheit in ausführlichen Schilderungen zu demonstrieren.
In der Hochzeitsnacht
besinnt sich Brünhilde jedoch auf ihre ehemaligen Kräfte und hängt
nach kurzem Kampf Gunther, der nach wie vor nicht der richtige
sein kann, weil nicht sein darf, gefesselt an einen Haken. Auch
hier hilft Sigfried mit seiner Tarnkappe und nimmt ihr in der
folgenden Nacht an Gunthers Stelle ihren Gürtel und ihren Ring,
während der daneben liegt und so tut als ob. Generationen von
Germanisten haben - je nach Zeit - die Frage vermieden oder sie
diskutiert, ob Sigfried Brünhildes Jungfernschaft geraubt hat
oder nicht. Er hat. Zweifellos. damit aber ist Brünhilde endgültig
die Frau eines Mannes - Gunthers.
Nur - Sigfried,
groß, blond, blauäugig, war naiv genug, um diese Beute gleich
seiner inzwischen angetrauten Gemahlin Kriemhild weiterzuschenken.
Schicksal, nimm deinen Lauf! Der dritte Verrat an Brünhild.
Jahre vergehen.
In Brünhilde nagt der Schmerz über ihr Schicksal, das die Götter
so nicht gewollt haben konnten. Wo war Sigfried, der doch ein
Mann König Gunthers sein sollte? Ein Besuch des Königspaares Sigfried/Krimhild
in Worms wird arrangiert, als die berühmte Szene auf der Kirchentreppe
ihren Lauf nimmt, der Streit der beiden Frauen, welche als Ranghöhere
zuerst in die Kirche dürfte. Es erinnert an kindliche Übertrumpf-Versuche,
wenn sie streiten, wessen Mann mehr wäre, höher angesehen wäre,
und offenbart doch den grausamen Schmerz Brünhildes. Dann aber
zieht Kriemhild den letzten Trumpf:
Hättest du
doch geschwiegen! Das wäre dir gut!
Selbst hast
du geschändet deinen schönen Leib.
Wie kann eine
Kebse mit Recht werden Königs Weib?
und dann weiter:
... deinen
schönen Leib,
den minnte
als erster Sigfried, mein viellieber Mann
Fürwahr, es
war nicht Gunther, der dir das Magdtum abgewann.
Sigfried hatte
also Kriemhild nicht nur den Gürtel als Trophäe überreicht, sondern
ihr vermutlich brühwarm von der Ereignissen der Nacht erzählt.
Und Kriemhild trug das Beweisstück an ihrer Kleidung. Im stillen
Einvernehmen mit dem "grimmen" Hagen, der dunklen Gestalt am Wormser
Hof, beschließt Brünhild Sigfrieds Tod.
Nach vollbrachter
Tat versenkt Hagen auch Sigfrieds Schatz, das Nibelungengold,
im Rhein, um Kriemhild daran zu hindern, mit ihm ihre Rache zu
finanzieren. In den Jahrzehnten nach der Wiederentdeckung des
Liedes werden Generationen von Heimatforschern grübeln, wo er
denn nun liegt. Aber sagenhafte Schätze werden nicht gefunden.
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