Die Sonderausstellung „Barock – Nur schöner
Schein?“ beweist, dass das Zeitalter weit mehr zu bieten
hat als Puder, Pomp und Dekadenz. Vom 11. September 2016 bis
19. Februar 2017 stellen die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen
die Epoche erstmals in ihrer ganzen Vielschichtigkeit vor und
hinterfragen gängige Klischees.
Die Jahre zwischen 1580
und ca. 1770 waren eine Zeit voller Widersprüche: Neben üppigen „Rubensweibern“ gab
es ein klassisch-antikes Schönheitsideal und religiöser
Wunderglaube stand wissenschaftlicher Rationalität gegenüber.
Während die einen rauschende Feste feierten, litten andere
an den katastrophalen Folgen verheerender Kriege. Bisher widmeten
sich Barock-Ausstellungen einzelnen Künstlern und Genres,
regionalen Kulturlandschaften oder spezifischen Phänomenen.
Die Mannheimer Präsentation verfolgt einen umfassenderen
Ansatz und vereint erstmals Kunst, Wissenschaft, Literatur, Musik,
Geschichte, Religion und Alltag zu einem Kaleidoskop der Barockzeit.

Rembrandt Harmensz van Rijn, Apostel Paulus, 1633 (?) datiert
Gemälde. Kunsthistorisches Museum Wien. ©
KHM–Museumsverband Wien
Im Barock herrschte Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Entwicklungen
und Neuerungen bereiteten den Weg zur Aufklärung und zum
Klassizismus. Sie bildeten das Fundament der heutigen Gesellschaft.
Bahnbrechende Erfindungen wie das Fernrohr, mit dem Galilei die
Gestirne erforschte, oder das Mikroskop, mit dem van Leeuwenhoek
die Bakterien entdeckte, stammen aus dieser Zeit. Die immer gewagteren
Reisen der Händler und Missionare veränderten die Weltsicht
nachhaltig, unbekannte Länder wurden erschlossen, Exotisches
gelangte nach Europa.
Mikroskop (118fache Vergrößerung)
Antoni van Leeuwenhoek, 17. Jh. Museum Boerhaave Leiden. © Museum Boerhaave
Leiden
Sechs Themenkomplexe machen die faszinierende Barockepoche greifbar.
Unter den Überschriften „Raum“, „Körper“, „Wissen“, „Ordnung“, „Glauben“ und „Zeit“ stellt
die Sonderausstellung die wichtigsten Charakteristika des Zeitalters
vor. Anhand von rund 300 herausragenden Exponaten präsentiert
die Ausstellung den Barock als europäisches Phänomen,
schlägt aber stets auch eine Brücke nach Mannheim und
in die Region. Der Facettenreichtum der Epoche spiegelt sich
auch in der Vielfalt der gezeigten Objekte wider: Das Spektrum
reicht von prachtvollen Gemälden, Grafiken und Büsten über
seltene Bücher, fragiles Porzellan und außergewöhnliche
Möbelstücke bis hin zu wissenschaftlichen Instrumenten,
Globen und Alltagsgegenständen.
Mit der Schau setzen die Reiss-Engelhorn-Museen ihre langjährige
enge Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum Wien fort.
Zahlreiche hochkarätige Gemälde kommen aus der österreichischen
Metropole nach Mannheim, darunter Werke von Rembrandt, van Dyck
und Gentileschi. Weitere namhafte europäische Museen und
Sammlungen unterstützen das Projekt ebenfalls durch Leihgaben.
Darüber hinaus sind Schätze aus den reichen Beständen
der Reiss- Engelhorn-Museen zu bewundern.
Den historischen Originalen werden an ausgewählten Stellen
Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt,
die sich mit Kunst, Wissenschaft, Musik oder Mode der Barockzeit
auseinandersetzen. So schlägt beispielsweise eine Kostümkreation,
die die berühmte Modedesignerin Vivienne Westwood für
eine Barock-Punk-Performance zu Händels Oratorium „Semele“ geschaffen
hat, den Bogen in unsere Zeit. Hörbeispiele und Mitmachstationen
runden den Ausstellungsrundgang ab.

Jean Marc Nattier d. J, Prinzessin Maria Isabella von Parma
(1741–1763),
Gemahlin von Joseph II. Gemälde, 1758 datiert.
Kunsthistorisches Museum Wien
Die Barockstadt Mannheim bietet den idealen Ort für diese
umfassende Barock-Ausstellung. Unter den Pfälzer Kurfürsten stieg die vielfach zerstörte
und wieder errichtete Festungsstadt im 18. Jahrhundert zu einer
der bedeutendsten Residenzen Europas auf. Noch heute zeugen das
Mannheimer Schloss oder die Jesuitenkirche von dieser Glanzzeit.
Nicht nur in Mannheim, sondern im ganzen Südwesten ist das
barocke Erbe spürbar. Streng gezirkelte Städte, prächtige
Kirchenbauten, herrschaftliche Gartenanlagen und monumentale
Residenzen gilt es zu entdecken. Anlässlich der Ausstellung
haben sich 41 Orte in fünf Bundesländern zum Netzwerk „Barockregion“ zusammengeschlossen.
Ergänzend zum Besuch der Mannheimer Präsentation bieten
die Partner Aktionen und Veranstaltungen an barockzeitlichen
Originalschauplätzen. Die Sonderausstellung „Barock – Nur schöner
Schein?“ ist vom 11. September 2016 bis 19. Februar 2017
im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim zu sehen.
Zur Ausstellung gibt es ein abwechslungsreiches Begleitprogramm
für Kinder, Erwachsene und Schulklassen. Der reich bebilderte
Begleitband erscheint im Verlag Schnell & Steiner. Eine CD
mit barocken Musikbeispielen zur Ausstellung wurde von Harmoni
Mundi France produziert.
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