Die Ausstellung präsentiert Originalplakate und Erinnerungsstücke
aus drei Jahrzehnten Offenburger Musik- und Konzertszene. Als Jugendliche
bei Tanztee und auf Afri- Cola-Bällen tanzten, und Männer
mit schulterlangen Mähnen ihre Eltern mit Beatmusik aus der
Fassung brachten.
In der Zeit zwischen 1950 und 1980 verstehen sich Heranwachsende
zunehmend als eigenständige gesellschaftliche Gruppe. Sie
erobern musikalisch, modisch und später politisch ihr eigenes
Terrain.
In den 1950er Jahren werden Jugendliche noch stark vom Jugendschutz
beäugt. Sie gehen in Tanzkurse, um neben Benimmregeln auch
Standardtänze zu lernen und sich in Anzug und Abendkleid
als Erwachsene zu geben. In dieser Zeit finden die Teenager,
wie Heranwachsende zwischen 13 und 19 Jahren ab da genannt werden,
Anschluss an den Lebensstil der USA und Englands. Der Durchbruch
der Teenager-Kultur kommt durch das eigene Taschengeld, billigere
und modischere Kleidung, den expandierenden Plattenmarkt. Kosmetika
werden preiswert und Transistorradios verbreiten den internationalen
Musiksound. Spielautomaten und Musikboxen kommen auf, Parties
werden in Wohnungen und Jugendhäusern gefeiert. Typisch
für die Zeit sind Bilder von Jungen mit Vespa-Motorrollern
und Mädchen in Petticoats.

Die Offenburger Band "Chinooks". Foto: Stadtarchiv
Offenburg
In der Ausstellung begegnet man den Jugendszenen rund um die
lokalen Bands und auswärtige Musikgruppen, die in Ortenauer
Hallen, der Pfähler Villa und auf dem legendären Pfingst-Rockfestival
im Sommer 1976 in Offenburg spielten.
Der erste Ausstellungsraum ist im Stile der Fünfziger und
frühen Sechziger Jahre eingerichtet. Eine Jukebox ist mit
Schallplatten der „Rolling Stones“, „Beatles“, „The
Birds“ und „The Trogs“ u.a. bestückt.
Nachdem die „Beatles“ mit vier Aufnahmen 1963 auf
Platz 1 der englischen Hitparade landen, erobert der Liverpooler
Mersey-Beat die Welt. Durch Auftritte in deutschen Clubs, Schallplatten
und das neue Massen-medium Fernsehen kommt die Beatmusik in die
deutsche Provinz.
Offenburger Beatformationen und Tanzbands wie die „Thanes“, „Chinooks“, „Rippers“, „Escorial“ sprießen
aus dem Boden. Die bekannteste Band „Rippers“ tritt
sogar in der ARD-Sendung „Talentschuppen“ auf, die
von dem Offenburger Dieter Pröttel moderiert wird. 1969
veröffentlichen sie ihre eigene Langspielplatte.
Ein großer Teil der Erwachsenenwelt betrachtet die Beatwelle
als kulturelle Kampfansage. In jeder Familie beginnt ein Streit
um Haar- und Rocklänge und Musiklautstärke. Der städtische
Jugendschutz schickt ehrenamtliche Mitarbeiter zur sittlichen Überprüfung
in die einschlägigen Lokale und privaten Beatkeller.
Ab Mitte der 1960er Jahre entwickelt sich in Offenburg eine
Szene in Kellerlokalen und Musikbars. Dort finden Jugendliche
dunkle Beleuchtung vor und eine lockere Kleiderund Tanzordnung.
1968 eröffnet im „Essiggässle“ beispielsweise
das Big Ben. Ende der 60er Jahre greifen neue Rockbands politische
Themen auf. Rock, Pop und Politik führen zu einem Gefühl
der Solidarität gegen die „spießige“ kapitalistische
Gesellschaft. 1972 stellt die Stadt einer Jugendinitiative in
der leerstehenden Ziboldschen Mühle Räume für
ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zur Verfügung. Das Offenburger
Establishment hält die Mühle für einen Schandfleck.
Die Erwachsene mutmaßen darin „Sodom und Gomorrha“,
wo sog. „Gammler“ der „freien Liebe“ frönen
und Drogen konsumieren. Nach heftigen öffentlichen Diskussionen
entscheidet 1973 der Gemeinderat, das Gebäude abzureißen.
Die Jugendlichen reagieren mit Flugblättern, drohen mit
Hungerstreik und Protesten. Im zweiten Ausstellungsraum kann
man sich auf eine Matratze setzen und ein in der Mühle aufgenommenes
Musikstück der Offenburger Musikgruppe „Golgatha“ hören,
die dort ihren Proberaum hatte.
Von der Konzertkultur in den späten 1960er und 1970er Jahren
zeugen die Plakate im dritten Ausstellungsraum. Sie erinnern
an die legendären Konzerte in der Pfählerschen Villa,
in der ab 1976 namhafte deutsche und internationale Musikgruppen
wie „Unsere Kinder“, „The Wailers“ oder
die „Toten Hosen“ spielten. Ab Mitte der 1960er Jahre
zieht die neu eröffnete Oberrheinhalle tausende Beat-, Pop-
und Rockanhänger nach Offenburg. Legendär ist der Auftritt
der Gruppe „The Who“. 1972 gastiert die Gruppe „Jethro
Tull“ in Offenburg. Absoluter Konzert-Höhepunkt ist
1976 das „Sunrise- Pfingst-Open-Air-Festival“ mit
15.000-20.000 Teilnehmern, die aus allen Himmelsrichtungen anreisen.
Als der jamaikanische Reggaemusiker Bob Marley auftritt, stellen
ihm um 22 Uhr die Veranstalter zum Unmut der Fans den Strom ab.
Marley reagiert aber völlig gelassen.
3. März bis 16. September 2012
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