E.T.A. Hoffmann

Das Fräulein von Scuderi (1819)

... gehört zu einer Sammlung von 19 Erzählungen, Novellen und Märchen, die 1819-21 in vier Bänden unter dem Titel „Die Serapionsbrüder” in Berlin erschienen. Am Tag des heiligen Serapion (14. November 1818) trafen Hoffmann und seine Schriftstellerfreunde („Brüder”) nach langjähriger Pause wieder zusammen, (Adelbert von Chamisso war von einer dreijährigen Weltreise zurückgekehrt), dieses Ereignis inspirierte E.T.A. Hoffmann zum Titel und zur Fertigstellung seiner Sammlung. Die Serapionsbrüder tragen sich gegenseitig Geschichten vor und besprechen sie im Anschluss. Dabei wird ”Das Fräulein von Scuderi” als besonders gelungene Verwirklichung des ”serapiontischen Prinzips” gelobt:
”Sylvesters Erzählung erhielt den vollen Beifall der Freunde. Man nannte sie deshalb wahrhaft serapiontisch, weil sie auf geschichtlichen Grund gebaut, doch hinaufsteige ins Fantastische.” (zitiert nach Bibliothek Gutenberg).

Die Ereignisse um das Fräulein von Scuderi gehen auf historische Vorgänge zurück, welche von Voltaire in seinem "Siècle de Louis XIV." (1751) und von Johann Christoph Wagenseil (1633-1705) in dessen Chronik der Stadt Nürnberg berichtet werden.

Die Erzählung erschien zuerst 1820 im "Taschenbuch für das Jahr 1820. Der Liebe und Freundschaft gewidmet" und soll so erfolgreich gewesen sein, dass die Verleger dem Autor eine Kiste mit 50 Flaschen Wein (Jahrgang 1811) zusandten.

  

Die Handlung spielt im Herbst des Jahres 1680 in Paris zur Zeit des Königs Ludwig XIV.

In den besseren Kreisen der Stadt herrscht große Verunsicherung. Die Gesellschaft wurde erst vor kurzem durch eine Serie von Giftmorden in der Aristokratie erschüttert, zu deren Aufklärung der König eigens einen Gerichtshof, das "chambre ardent" einrichtete, unter der Führung des gnadenlosen Präsidenten La Regnie, dem der gerissene Beamte Desgrais zur Seite stand. Kaum waren die Schuldigen ermittelt, gefoltert, verurteilt und hingerichtet, da erschüttert die Stadt eine Serie von dreisten Juwelenrauben. Galante Kavaliere, die für ihre Geliebten teure Juwelen herstellen ließen, wurden des Nachts auf dem Weg zum Rendezvous überfallen und ihrer Juwelen beraubt, oft genug auch erstochen. Selbst der gerissene Desgrais vermochte es nicht, der Bande - einer solchen wurden die Taten zugeschrieben - auf die Spur zu kommen. Zwar beobachtete er eines Nachts einen Überfall, der Täter verschwand jedoch auf unerklärliche Weise durch eine Mauer. Schließlich ersuchte man den König, einen noch mächtigeren Gerichtshof mit noch mehr Vollmachten zu genehmigen, doch der König lehnte dies ab. Er hatte unter anderen auch den Rat des 73-jährigen Fräuleins von Scuderi, einer angesehenen und in den Dichtkünsten bewanderten Dame, eingeholt. Selbige äußerte sich zu dieser Frage in folgendem Bonmot, das den König beeindruckte:

Un amant qui craint les voleurs / n'est point digne d'amour.

In diesen unsicheren Tagen erscheint eines Nachts ein junger Mann vor dem Hause des Fräuleins von Scuderi und begehrt dringend um Einlass. Die Kammerfrau lässt ihn schließlich herein, verweigert ihm aber den Zutritt zum Fräulein, um deren Leben sie fürchtet. Der junge Mann flieht daraufhin, hinterlässt jedoch ein Kästchen für die Hausherrin.

Am nächsten Morgen öffnet das Fräulein das Kästchen und findet darin den edelsten Schmuck zusammen mit einem Zettel, in welchem sich die Juwelendiebe für ihren Beistand - siehe obigen Vers - bedanken. Das Fräulein ist zutiefst bestürzt und besucht daraufhin die Madame de Maintenon auf, die wichtigste Dame im Umkreis des Königs. Diese erkennt schnell, dass der Schmuck von dem Goldschmied Cardillac stammt. Dieser ist zwar der beste seines Faches, aber auch ein seltsamer Mensch: Er verfertigt die schönsten Schmuckstücke, kann sich dann jedoch kaum von ihnen trennen und gibt sie nur sehr widerwillig und gegen Aufpreis her. Manchmal muss ihm auch gedroht werden.

Cardillac wird geholt und anstatt die Fundstücke dankbar zurückzunehmen bittet er die Scuderi aufdringlichst, die Juwelen als Zeichen seiner besonderen Verehrung zu behalten. Die Scuderi nimmt schließlich an und es scheint fast so, als sei Cardillac ihr heimlicher Verehrer.

Mehrere Monate später fährt die Scuderi in einer Kutsche über den Pontneuf, als sich ein junger Mann durch die Menge zur Kutsche drängt und einen Brief hinterlässt. Es ist derselbe Mann, welcher in der damaligen Nacht das Kästchen überbracht hatte. In dem Brief wird die Scuderi inständig gebeten, dem Meister Cardillac den Schmuck unter irgendeinem Vorwande schnellsten zurückzugeben, sonst geschehe ein Unglück.

Unglücklicherweise kann das Fräulein diesen Wunsch am nächsten Tag nicht ausführen. Am übernächsten Tage fährt sie zum Goldschmied und findet dort eine aufgebrachte Menge vor: Der Goldschmied ist in der Nacht ermordet worden, als Täter wurde dessen Gehilfe, Olivier Brusson, verhaftet. Die Tochter des Meisters, Madelon, welche zugleich die Verlobte des Gehilfen ist, beteuert dessen Unschuld und wird von der Scuderi zu sich ins Haus genommen.

Vom Unglück und den Beteuerungen der jungen Frau gerührt, versucht die Scuderi nun, sich beim Präsidenten des Chambre Ardent für Olivier zu verwenden, la Regnie jedoch macht ihr deutlich, dass die Fakten gegen den jungen Mann sprechen. Was aber sollte das Motiv gewesen sein?

Die Scuderi erwirkt die Erlaubnis, Olivier Brusson im Gefängnis sprechen zu dürfen. Dort allerdings erkennt sie in dem jungen Mann den Überbringer des Kästchens und des Briefes wieder und fällt in Ohnmacht.
Die Scuderi ist unentschieden, innerlich zerrissen, ahnt ein tiefes Geheimnis.
Da erscheint Desgrais und macht ein Angebot. Um der Aufklärung des Falles zu dienen, solle sie einer Bitte des Delinquenten nachkommen: Ihr allein wolle er alles gestehen! Ein nächtliches Treffen mit Olivier Brusson im Hause der Scuderi wird vereinbart, die Beamten der Polizei sollen vor dem Zimmer warten. Olivier wird gebracht und fällt vor dem Fräulein auf die Knie nieder. Es folgt Oliviers Geschichte:

Vor Jahren hatte die Scuderi die Tochter eines verarmten Bürgers bei sich aufgenommen, diese hatte dann einen tüchtigen jungen Mann geheiratet, ein Knabe kam bald bald zur Welt und wurde von dem Fräulein liebevoll gehegt. Eben jener Knabe war Olivier. Die Familie zog dann nach Genf, konnte dort jedoch nicht Fuß fassen, beide Eltern starben, Olivier kam zu einem Goldschmied in die Lehre und war dabei so tüchtig, dass er schließlich nach Paris ging und bei Meister Cardillac angestellt wurde. Alles ging gut, bis sich dessen Tochter in ihn verliebte, der Meister warf Olivier aus dem Hause, weil er gegen diese Verbindung war. ...



Eines Abends endlich offenbart sich Cardillac ...

... Somit endet die Geschichte Oliviers, er muss ins Gefängnis zurück und da er weiterhin nicht geständig ist, wird die Folter angeordnet.

Die Scuderi unternimmt daraufhin mehrere Rettungsversuche ...

... so geschieht es, Olivier und Madelon ziehen nach Genf und werden dort glücklich, derweil die Juwelen wieder denjenigen ausgehändigt werden, die noch am Leben sind.

  

 

Klaus Dautel, 1999-2009

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz Themen-gerecht sein sollte.
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