Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter
Arbeitsvorschläge

BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER - Lehrstück ohne Lehre

Basis-Informationen:

Kurzinhalt:

Prolog:
In der Art des antiken Chores spricht der Chor der Feuerwehrmänner sein dithyrambisches Lob auf die Wachsamkeit: Nicht alles Furchtbare verdient den Namen "Schicksal", bloß weil es geschehen, am wenigsten der "nimmerzulöschende" Blödsinn. (vgl. den Chor aus der Tragödie "Antigone" des Sophokles)

1.Szene:
Es ist neun Uhr abends. Gottlieb Biedermann liest in der Zeitung von der jüngsten Brandstiftung durch Hausierer, die sich im Dachboden eingenistet haben: "Aufhängen sollte man sie!" Da meldet Dienstmädchen Anna einen Hausierer, der sich nicht abwimmeln läßt und "Menschlichkeit" verlangt. Schon steht Joseph SCHMITZ, ehemaliger Ringer im Zirkus - bevor er abgebrannt ist - im Wohnzimmer. Er versteht es, sich anzubiedern, indem er sich die Ansichten von Herrn Biedermann zu eigen macht, dessen "Menschlichkeit" und "Zivilcourage" preist und an dessen Mitleidsgefühl appelliert. Während Schmitz sich gastlich bewirten läßt, ruft ein gekündigter Angestellter aus Biedermanns Haarwasserfabrik an, KNECHTLING geheißen, und bittet um Zurücknahme der Kündigung, er habe eine kranke Frau und drei Kinder. Biedermann bleibt hart - am Telefon!
Bevor Frau BABETTE Biedermann nach Hause kommt, führt B. den Gast auf den Dachboden, nimmt ihm noch rasch das Versprechen ab, kein Brandstifter zu sein, und verzieht sich.

Der Chor begrüßt den Strahl der Sonne, die Nacht ist ohne Alarm verstrichen, "Heute noch nichts... Heil uns!"

TA 1: Die EXPOSITION  (= Ort und Zeit des Geschehens,
                      Protagonisten und Antagonisten, Thematik und Atmosphäre)


      Am Stammtisch: laut,                       zu Anna: herrisch
               besserwisserisch                     tyrannisch

                           HERR GOTTLIEB BIEDERMANN

      zu Schmitz:                                 zu Knechtling: brutal
         großzügig, weil geschmeichelt            rücksichtslos
         anbiedernd, weil ratlos und
                     eingeschüchtert
         (Sentimentalität, Mitleid & Angst)


2. Szene:
Beim Morgenkaffee verteidigt B. vor seiner Frau seine "Gutmütigkeit" (sowohl gegenüber dem Hausierer, als auch gegenüber Knechtling). Er geht ins Geschäft und lässt seine Frau mit Schmitz allein frühstücken. Auch Babette ist nicht in der Lage, Schmitz gegenüber auszusprechen, dass sie ihn loshaben will. Wieder versteht es SEPP, Mitleid zu erregen: Harte Jugend, Armut, Waisenhaus, "mein Vater war Köhler", keine Kultur ... Aber sein Freund, der Willi, der Oberkellner war, bis das Hotel abbrannte, der hat Kultur. Und schon steht WILLI vor der Tür.

Der Chor der Feuerwehrleute beobachtet und kommentiert:
Sein Argwohn ist erweckt, der "Ängstliche" schreckt vor allem zurück, doch dem Bösen gegenüber ist er wehrlos.

3.Szene:
Sepp und Willi sind gerade fertig damit, Benzinfässer auf das Dach zu transportieren, als B. kommt, fest entschlossen, endlich - nachdem es die ganze Nacht gepoltert hat - klare Verhältnisse zu schaffen. Da erblickt er zum ersten Mal Willi Eisenring; dieser, in seinem Frack, gepflegt und formvollendet, zeigt vollstes Verständnis für B.s Entrüstung und macht dafür Sepps mangelndes Benehmen verantwortlich. Als B. erfährt, dass in diesen Fässern Benzin ist, ist er vollends sprachlos. Ein Polizist kommt ins Haus, sogar auf den Dachboden ("Was haben Sie denn in diesen Fässern da?" "...Haarwasser..."), um B. nach seinem Verhältnis zu einem Herrn Knechtling zu fragen, der sich in der vergangenen Nacht unter den Gashahn gelegt hat.

Der Chor reflektiert über das Thema Überinformiertheit des fleißigen Zeitungslesers:
"Schwerlich durchschaut er, was eben geschieht
Unter dem eigenen Dach...
Ungern durchschaut er`s, denn sonst ...
Aber der Chor, "der nämlich zusieht von außen,
Leichter begreift er, was droht."

... und versucht den nach einem Taxi rufenden B. zu warnen. Aber B. lässt sich nicht zur Rechenschaft ziehen, er ist ein freier Bürger, kann denken was er will, was unter seinem Dach geschieht, geht keinen etwas an. Und außerdem, ein bißchen Vertrauen, ein bißchen guten Willen, nicht immer nur das Böse sehen ..., nicht immer dieser Defaitismus, meine Herrn, sagen Sie nicht immer: Weh uns!

TA 2:  DER CHOR      

Position: Zwischen Zuschauern     &      Bühnenfiguren
                                 
          trotz besseren Wissens         versucht mit Biedermann
          zum Zuschauen verurteilt       in Dialog zu treten und ihn zu warnen

Funktion:     Warner und Voraussdeuter der Katastrophe
              Kommentar und Belehrung, Stimme der Vernunft: 
              "Viel kann vermeiden Vernunft"

Sprache:  gehobene/gebundene, rhythmisierte Sprache (Daktylen)
          im Gegensatz zur z.T. sehr emotionalen Alltagssprache der
          Protagonisten (vgl."Dithyrambe") → Verfremdung

4. Szene:
Auf dem Dachboden bereitet Willi die Zündschnur, in der Wohnung bereiten die Biedermanns ein Gastmahl mit Gans, um sich die gefährlichen "Gesellen" zu Freunden zu machen. Biedermann geht auf den Dachboden, um die beiden einzuladen: Während des Gespräches arbeitet Willi unentwegt an Zündschnur und Zündkapsel; wir erfahren mehr über ihn: Aus gutem Hause, aber im Gefängnis gesessen, klassenbewusst, Lust an Zerstörung und Feuer. Seine Tarnung ist dreifach: 1. Scherz und Humor. 2. Sentimentalität und 3. "die nackte Wahrheit", die glaubt niemand. Davon nur wenig irritiert hält B. wieder eines seiner Plädoyers für mehr Idealismus und guten Willen.
Unterdessen erscheint unten die Witwe Knechtling in schwarz und oben, nachdem B. gegangen ist, ein dritter Brandstifter, "Doktor" genannt, von Willi als Akademiker bezeichnet, einer, der weniger Freude an der Zerstörung hat, dafür aber immer so "ideologisch" ist.

Der Chor ist in Bereitschaft, Schläuche, Pumpen und Hydranten sind gerichtet. Frau Biedermann empfängt einen Dr. phil., der zu ihrem Gatten will. Sie tritt an die Rampe und schildert dem Publikum ihre Sorgen: Schon einmal hat ihr "gutmütiger" Gatte sich angebiedert, versucht, sich Halunken zu Freunden zu machen, um sein Haarwasser zu retten. Damals war er in die "Partei" gegangen ...

5. Szene:
Das Gastmahl wird bereitet - "schlicht und gemütlich, nur keine Protzerei". Biedermann wirft die trauernde Witwe Knechtling aus dem Haus, verweist sie auf seinen Anwalt, hält wieder Reden über Menschlichkeit und Brüderlichkeit - bis ihm ein Kranz auffällt, der aber nicht für Knechtling ist, sondern auf der Schleife die Inschrift trägt: Unserem unvergesslichen Gottfried Biedermann!

6. Szene:
Das Gansessen ist in vollem Gang, die Stimmung ist gut und vor allem B. lacht viel und laut. Die beiden Brandstifter erzählen aus ihrem Leben, aus dem Gefängnis, wo sie sich kennengelernt haben, von Brandstiftungen usw. Willi vermisst die Essenskultur am Tisch, das Tischtuch, die Messerbänkchen und den Kandelaber - und nach und nach kommt alles wieder auf den Tisch, was B. vorher hatte wegräumen lassen - "keine Klassenunterschiede"!
Der Dr.phil. steht vor der Tür, weil er sich "distanzieren" will. Schmitz spielt jetzt mit dem Tischtuch den Geist von Knechtling (JEDERMANN - Biedermann). Frau Babette und Anna sind verstört, während B. immer angestrengter versucht, sich anzubiedern. Schon hört man Sirenen, die Sturmglocken läuten, die Brandstifter verabschieden sich, Biedermann schwört, sie nicht für Brandstifter zu halten und gibt ihnen noch Streichhölzer (als Vertrauensbeweis) zum Abschied. Jetzt tritt der Dr. phil. auf, um sich schriftlich zu distanzieren: Er war nur ein ehrlicher Weltverbesserer, aber die anderen machen es "aus purer Lust"(83).

Der Chor: Was jeder lange genug voraussah,
der nimmerzulöschende Blödsinn,
"Schicksal genannt",
geschieht am End - nichts ist sinnloser als diese Geschichte ...
Dreimal Wehe!

„NACHSPIEL“ (für die Uraufführung in Deutschland)

Das Ehepaar Biedermann (be-)findet sich in einem Raum, in dem ein Papagei schreit, ebenso ein Säugling und die Hausklingel klingelt. Herr B. besteht darauf, dass dies der Himmel sein müsse, denn er sei schuldlos. Ein Engel-Polizist und eine Dr.phil. Meerkatze bearbeiten die neu hereinkommenden Rapporte (Meldungen), lauter kleine Betrüger, nichts Großes, und jetzt wird den Biedermanns klar: Sie sind in der Vor-Hölle. Die Aufnahmeprozeduren werden vorgenommen: Beide fühlen sich betrogen und schuldlos um ihr Eigentum gebracht. Der Teufel kommt gerade von einer Himmelfahrt zurück, er ist sehr verärgert, weil alle großen Verbrecher - solange sie nur eine Uniform getragen haben - vom Himmel amnestiert werden. Die Hölle werde ab jetzt streiken, kein Höllenfeuer mehr! Beelzebub (Sepp) und der Teufel (Willi) besteigen wieder ihre rostigen Fahrräder, um selbst Hand anzulegen. Der plötzlich auftauchende Chor der Feuerwehrmänner wird beauftragt, das Höllenfeuer zu löschen. Die Hölle ist geschlossen, keine Neuaufnahmen, also auch nicht Herr und Frau Biedermann, sie sind gerettet und über der wieder erstandenen Stadt - "schöner denn je ... aus Trümmern und Asche" - geht erneut die Sonne auf.

(cc) Klaus Dautel

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
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