Das Goldene Zeitalter der Bildhauerkunst
Obwohl sie in den zeitgenössischen Dokumenten weniger
oft als die Maler erwähnt werden, waren mehrere überaus begabte
Bildhauer im 15. und 16. Jahrhundert in Straßburg tätig.
Büste
eines Mannes mit aufgestütztem Arm
Niklaus von Leyden
Straßburg
Vor 1467
Sandstein
44x32x31 cm
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Die außergewöhnliche Büste eines Mannes mit aufgestütztem
Arm, ein Meisterwerk der gotischen Skulptur, wird Niklaus Gerhaert
von Leyden zugeschrieben, dem herausragendsten Vertreter der Straßburger
Bildhauerkunst im ausgehenden 15. Jahrhundert. Der Name legt eine
niederländische Herkunft des Künstlers nahe. Vermutlich wurde er
im Herzogtum Burgund ausgebildet, wo er mit der burgundisch-flämischen
Kunst in Berührung kam. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler
des ausgehenden Mittelalters nördlich der Alpen. Sowohl in formaler
als auch in ikonographischer Hinsicht leitete er eine entscheidende
Wendeln der deutschen Bildhauerei ein.
Die Büste zeigt einen in seine Gedanken versunkenen Mann. Der eine Arm
ist auf den anderen gestützt, der Kopf seitwärts geneigt, so dass eine
spiralenförmige Bewegung entsteht, die den Rückzug nach innen, die Versenkung
in eine tiefe Meditation andeutet. Mehrere Fachleute haben in dieser
Büste ein Selbstporträt des Künstlers gesehen, ein saturnisches Bild
voller Melancholie. Dank der genauen und einfühlsamen Beobachtung der
Wirklichkeit, die hier ihre äußersten Grenzen erreicht, wird das Innenleben
des Modells mit unübertroffener Schärfe sichtbar gemacht.
In der Folge fand der Typus der "Büste mit aufgestütztem Arm" - eine
nahezu rundplastisch gestaltete Figur, die als Schmuck für ein Bauelement
bestimmt ist - im Süden des Reiches großen Anklang. Niklaus von Leydens
Nachfolger beschränken sich jedoch auf die naturalistische Wiedergabe
der Physiognomien, ohne den psychologischen Scharfblick des Meisters
je zu erreichen.

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