Die Ausstellung „FUNDSACHE
LUTHER – Archäologen auf den Spuren des Reformators“ präsentiert
neueste Erkenntnisse der Lutherarchäologie. Bislang
war Martin Luther fast nur in der Schriftwelt fassbar. Unser
Bild von ihm ist durch seine Ideen, Selbstauskünfte
und Lebensbeschreibungen geprägt. Nun aber erweitern
archäologische und bauhistorische Funde aus Luthers
Geburtshaus in Eisleben, seinem Elternhaus in Mansfeld und
dem Professorenhaus in Wittenberg die materielle Quellenlage
und erhellen die Privatsphäre des Kirchenreformators.
Sie geben überraschende Auskunft zu Wohnen, Essen, Kleidung,
Zeitvertreib und Arbeit, Basis zur weiteren Forschung der
Lebensumstände der Menschen im 16. Jahrhundert.
Tradierte Luther-Vorstellungen geraten ins Wanken; insbesondere
Luthers Behauptung, er stamme aus armen Verhältnissen.
Die Funde aus dem Geburtshaus in Eisleben (2005/2006) und
dem Elternhaus in Mansfeld (2003, 2008) zeugen jedoch von
gutbürgerlichen Lebensverhältnissen. Sie bestimmen
auch den späten Haushalt des Reformators in Wittenberg.
Fundort Mansfeld
Auf dem Mansfelder Gehöft stieß man
auf eine abgetreppte Grube, die mit Abfall durchsetzter
Erde angefüllt war. Nach ihrer Verfüllung wurde
sie planiert, um jenen Hofbereich wieder begehen zu können.
War das der ehemalige Müllplatz des Anwesens? Wessen
Abfall lag dort? Dank moderner Analysemethoden von Archäologie
und Naturwissenschaften waren dem scheinbar unüberblickbaren
Konglomerat einer einzigen Grube mannigfache und weitreichende
Informationen abzugewinnen.
Es erwies sich, dass dies ein Bauschacht war, der bei
der Hauserweiterung in den ersten Jahren des 16. Jh. eingetieft
worden war. Dieser Umbau ist aus fiskalischen Gründen
sogar aktenkundig.
Doch wie lange blieb die Grube offen? Diente sie auch
späteren Generationen als Müllgrube? Das breite
Spektrum des Abfalls deckt verschiedenste Lebensbereiche
ab und gibt damit fast schon einen Mikrokosmos zu erkennen.
Fundort sowie 14C-datierte Pflanzensamen, Keramik- und
Münztypen belegen, dass es sich tatsächlich um
Reste des elterlichen Haushaltes von Martin Luther handelt.
Die Homogenität und die dürftige Schichtenbildung
des Füllsediments sprechen für eine zügige
Einbringung, vielleicht binnen einer Woche. In solcher
Zeitkürze fällt jedoch keine derartige Müllmenge
eines einzelnen Gehöfts an. Die Baugrube wurde demnach
mit kompostiertem Sediment des hauseigenen Abfallhaufens
verfüllt. Der Kompost selbst wurde mindestens zehn
Jahre zuvor angelegt. Auf ihm landeten auch Speisereste,
Asche, kaputtes Geschirr, Geräte- und Kleiderteile.
Was jahrelang auf einem geschichteten Haufen vermoderte,
wurde in kurzer Zeit in die Baugrube geschüttet. Dabei
kam natürlich die „Schichtenordnung“ des
Abfalls völlig durcheinander: Unteres wurde nach oben
verlagert, Zusammenhängendes wurde verstreut. Dies
bestätigt auch der Inhalt einer Geldbörse, der
in der Grube verteilt war. Als repräsentativer Querschnitt
reflektieren diese Funde die Lebensführung der Familie
Luther und ihres jugendlichen Sohnes Martin.
Fundort Wittenberg Auch Luthers Heimstatt in Wittenberg
gibt neue Auskünfte über seine persönlichen
Verhältnisse. So besaß das heute dreistöckige
Haus damals nur ein Obergeschoss, wirkte also weniger imposant.
Die rückwärtige Freifläche, die an den Stadtmauerwall
grenzt, wurde erst nach Luthers Lebzeiten mit vielerlei
Hausrat und Bauschutt aufgefüllt.
Eingeebnet unter einer Erdschicht kam dort das Untergeschoss
eines turmartigen Anbaus zum Vorschein, dessen Existenz
vergessen war.
Münzen, Kacheln mit Jahresangeben sowie stilistische
Kriterien datieren den Fundkomplex in die erste Hälfte
des 16. Jh.s. Es sind Reste des professoralen Haushaltes
von Martin Luther, die nach dessen Tod bei der Umnutzung
des Anwesens zum Universitätsgebäude entsorgt
wurden. Offensichtlich warf man beim Umbau das alte Interieur
direkt aus dem Fenster in den südlichen Garten. Nach
der Einplanierung blieb die Füllschicht ungestört,
so dass hier tatsächlich originale Sachzeugen aus
dem Privatleben Martin Luthers vorliegen.
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