Texte zu Karl Marx
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Der religionskritische Ansatz von Karl Marx
(Erstellt von Frank Willenberg)
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(...)
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Der Mensch, der in der phantastischen
Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte, nur
den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr
geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen
zu finden, wo er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß.
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Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der
Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den
Menschen.
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Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein
und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder
noch nicht erworben und schon wieder verloren hat. Aber der
Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes
Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät
(Gesellschaft). Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die
Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine
verkehrte Welt sind.
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Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser
Welt, (...), ihre Logik in populärer Form, (...), ihr
Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung,
ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die
phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das
menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf
gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene
Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
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(...) Die Religion ist der Seufzer der bedrängten
Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist
geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
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Die Aufhebung der Religion als des
illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines
wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen
Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand
aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion
ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen
Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginären
Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die
phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die
Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der
Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle,
seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand
gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um
seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die
illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er
sich nicht um sich selbst bewegt.
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Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nach
dem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit
des Diesseits zu etablieren... Die Kritik des Himmels
verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der
Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in
die Kritik der Politik. (Quelle: Karl Marx, Frühschriften)
Aufgaben:
1.)Fasse zusammen, wie Marx das Wesen der Religion
- und das Wesen Gottes - beschreibt!
2.) Welche Übereinstimmungen mit dem Feuerbachschen Ansatz sind
festzustellen?
3.) Welche Aspekte sind neu?
4.) Welche Aufgaben sieht Marx als notwendig an, nachdem der Mensch
von der Religion "befreit" wurde?
Kritik an K. Marx
(Erstellt von Frank Willenberg)
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Die Religionskritik von Marx traf zwar
Religionen, aber nicht Gott. Sie erkennt religiöse
Vorstellungen als sich in der umweltbedingten Psyche des
Menschen ereignend, kann daraus aber nicht die Nichtexistenz
der hierin geglaubten bzw. gedachten Inhalte wie Gott, ewiges
Leben u. a. beweisen, die unabhängig von religiösen
Vorstellungen der Menschen eine eigenständige Existenz haben können.
Marx' Religionskritik war nicht der krönende Abschluß,
vielmehr nur eine Durchgangsphase in der Geschichte der
Religionskritik.
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Marx' Hypothese, das Jenseits als metaphysische
Größe sei nur Nebelbildung im Gehirn des Menschen, trifft die
christliche Botschaft von Gott bzw. Himmel nicht, vielmehr nur
eine philosophische Metaphysik mit ihren Gottesbegriffen
innerhalb und außerhalb des Christentums.
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Wenn es auch in allen Religionen viel
Menschengemachtes gibt, so ist es ein Trugschluß, mit Hilfe
der Psychologie etwas über Existenz oder Nichtexistenz Gottes
aussagen zu können bzw. aus Vorstellungen von Gott in der
Psyche des Menschen auf die Existenz oder Nichtexistenz Gottes
und des ewigen Lebens schließen zu wollen. Auch
"menschengemachte" Vorstellungen und Glaubensinhalte
können gottgewirkt und als solche Wahrheiten sein.
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Indem Marx den wirklichen Menschen als ein nur
von den gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmtes Wesen erklärt,
verkürzt er den Menschen zu einem auf das Ökonomische
begrenzten Torso. Seine Behauptung, die gesellschaftlichen Verhältnisse
bestimmten durch den (nur) gesellschaftlichen Menschen die
ihnen gemäße Religion, ist ein verallgemeinerndes Dogma, das
ohne jeden Beweis die gesellschaftliche Bedingtheit einiger
Erscheinungsformen der Religion auf deren Inhalte, auf die
ganze Größe Religion und auf die Offenbarung überträgt.
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Karl Marx' Theorie, alle Religion sei Produkt
der ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse zu deren
moralischer Sanktionierung, trifft sein zeitgenössisches
Kirchentum als eine mißbrauchte Religion weithin zu Recht,
trifft aber nicht den christlichen Glauben, der seinem Wesen
nach in kritischer Distanz zu bestehenden
Gesellschaftsordnungen steht (Man beachte hier nur die
Botschaft Jesu!)
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Die Tatsache, daß Religion Trost spendet,
bedeutet nicht, daß sie damit nur ein Betäubungsmittel
(Opium) sei. Religion kann auch Wahrheit sein und durch
Trostspenden helfende Wahrheit vermitteln. Der Christenglaube
gibt bei rechter Erfüllung seiner Aufgaben dem einzelnen wie
der Gesellschaft im Vollzug echter Humanität durch Vermittlung
der Wahrheit heilende Hilfe, auch in den durch keine
Gesellschaftsordnung zu behebenden Existenznöten. Er ist daher
nicht Opium, sondern Heilskraft. Nur im Mißbrauch ist er ein
religiöses Betäuben über die gesellschaftsbedingten Nöte
hinweg. (...)Die Bindung an Gott ist nicht eine gottlose Kette,
sondern die einzige Ermöglichung der Freiheit des
Christenmenschen in Entideologisierung aller anderen Größen.
Dagegen wäre eine Aufhebung der Religion oder des Glaubens nur
eine Verkürzung des möglichen Glücks und eine illusionäre
Befreiung, in Wirklichkeit aber eine Fesselung des Menschen an
ideologische, menschengemachte Mächte.
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Eine Veränderung der Gesellschaft in Richtung
auf das wirkliche Glück der Menschen setzt nicht die Aufhebung
der Religion, sondern deren not-wendendes Mitwirken voraus. Der
Marxsche Versuch einer philosophischen Aufhebung der Religion
ist als Theorie aus dem Geist des 19. Jahrhunderts praktisch
gescheitert und theoretisch überholt.
(aus: W. Bienert, Der überholte Marx)
Aufgaben:
1.) Welche positiven Aspekte können der Marxschen Religionskritik
abgewonnen werden?
2.) Welche Argumente "stechen" nicht - und warum?
Die Religionskritik von Karl Marx
(Übermittelt von Frank Willenberg)
Karl Marx lebte in einer Zeit, die gekennzeichnet
war durch ökonomische, soziale, politische und
geistesgeschichtliche Umwälzungen. Von besonderer Bedeutung und
nachhaltiger Wirkung auf das Leben und Bewußtsein der Menschen
damals war der in dieser Zeit beginnende wirtschaftliche und
soziale Umschichtungsprozeß. Der Gegensatz zwischen der
besitzenden Klasse und einer breiten Masse von besitzlosen
Arbeitern steigerte sich ins Unerträgliche, denn die Arbeiter
waren einer zunehmenden Ausbeutung und Verelendung ausgesetzt.
Schwerpunkt des Marxschen Werkes ist die Kritik der Ökonomie; mit
der Religionskritik hat er sich besonders in seinen sogenannten
"Frühschriften" beschäftigt, die aber sowohl inhaltlich
wie umfangmäßig demgegenüber zurückstehen.
Marx faßt auf knapp zwei Seiten seine
Religionskritik in einer geradezu klassisch-prägnanten Diktion in
der "Einleitung zur Kritik der Hegelschen
Rechtsphilosophie" zusammen und formuliert damit ihren Höhepunkt
und zugleich ihr Ende. Allen bekannt ist wohl das Marxsche Wort vom
"Opium des Volkes", das oft auch in der Leninschen Umprägung
vom "Opium für das Volk" zitiert wird. Der Text ist an
der Jahreswende 1843/1844 von Marx verfaßt worden. Marx'
Religionskritik ist besonders von Feuerbach beeinflußt worden.
Marx schließt sich der Feuerbachschen Kritik an, geht aber über
sie hinaus.
Der Unterschied zwischen Feuerbach und Marx besteht
darin, daß Marx die Entfremdung nicht einfach erklärt (wie
Feuerbach), sondern sie beseitigt. Religion ist nicht die Ursache
der Entfremdungen, sie ist vielmehr Begleitphänomen einer selbst
entfremdeten, profanen Welt. "Das religiöse Elend ist in
einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die
Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der
Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt,
wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des
Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des
Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung,
die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung,
einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der
Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen
Heiligenschein die Religion ist."
Wenn die Religion den Menschen nicht begründet, so
muß umgekehrt der Mensch die Religion produzieren: "Der
Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den
Menschen." - Dieser These würde Feuerbach auch zustimmen, und
doch geht Marx einen Schritt über Feuerbach hinaus. Nach Feuerbach
genügt es, dem individuellen Menschen durch die Kritik an der
Religion seine Vollkommenheit wieder zurückzugeben. Aber er sieht
den Menschen abstrakt, nicht so, wie er in Wirklichkeit ist. Das
kritisiert Marx folgendermaßen: "Aber der Mensch, das ist
kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das
ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese
Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein,
weil sie eine verkehrte Welt sind."
In der Aufhebung der Religion hat man dem Menschen
also keineswegs seine Vollkommenheit zurückerstattet. Denn die
Ursachen für die Entstehung der Religion liegen in der realen
Welt. Wer also den Menschen von der religiösen Entfremdung
befreien will, muß gegen jene Welt kämpfen, "deren geistiges
Aroma die Religion ist"
Marx predigt also keinen Kampf gegen die Religion,
keine Christenverfolgung, wie gemeinhin angenommen wird. Die religiöse
Entfremdung verweist über sich hinaus auf andere Entfremdungen,
die erst den Boden für die erstere bilden. Mit Beseitigung der
Entfremdung, die sich im konkreten Leben eingestellt hat,
verschwindet auch die religiöse Entfremdung, so daß der Kampf
gegen die profanen Entfremdungen geführt werden muß. Der mit sich
selbst ausgesöhnte Mensch verkörpert die Aufhebung jeder
Entfremdung, die religiöse Entfremdung inbegriffen. "die
Kritik der Religion nötigt den Menschen nicht nur, seine wahre
Grundlage zu suchen, sondern der von ihr aufgedeckte Widerspruch
zwischen seinem illusorischen Wesen (Gott, ewige Wahrheit,
christlicher Mensch) und seinem realen Wesen belehrt ihn
andeutungsweise schon über die Lösung. Widerspricht die Religion
dem Menschen, ist der Mensch in der Religion entfremdet, dann ist
umgekehrt der Mensch selbst die Wahrheit und der Sinn der Welt.
Angesichts der Theozentrik der Flucht kann man nur die
Anthropozentrik des Realismus verkünden: ,Die Kritik der Religion
endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den
Menschen sei."
Die Fremdbestimmung kennzeichnet nach Marx die
Religion, daher folgert er etwas später in seiner "Kritik der
Hegelschen Rechtsphilosophie": "Die Kritik der Religion
endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den
Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse
umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
ein verlassenes , ein verächtliches Wesen ist.."
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