3. Bild: Und wo ist Gott?
10. Januar 1610: Mittels des Fernrohrs entdeckt Galilei am Himmel Erscheinungen, welche das Kopernikanische System beweisen. Von seinem Freund vor den möglichen Folgen seiner Forschungen gewarnt, bezeugt Galilei seinen Glauben an die menschliche Vernunft.
Im Studierzimmer des Galilei in Padua: Galilei und sein Freund Sagredo
beobachten die Sterne durch das Fernrohr. Das Phänomen der unebenen
Mondoberfläche führt zu dem Schluss, dass der Mond ein Stern ist wie die
Erde auch, somit auch umgekehrt die Erde ein Stern wie der Mond. Sagredo
erkennt die Problematik sofort: Der Widerspruch zu den Lehrmeinungen der
hergebrachten Astronomie (S.27). Erst vor zehn Jahren wurde "ein Mensch in
Rom" deswegen verbrannt: Giordano Bruno. Davon unbeirrt aber erklärt
Galilei den Himmel jetzt für abgeschafft? Sagredos Reaktion:"Das ist
furchtbar."(28)
Der Kurator der Universität erscheint aufgebracht, um sich bei Galilei
bitter über dessen Betrug zu beklagen. Ein Schiff aus Holland hat gerade
500 dieser Rohre ausgeladen, dies führt zu Preisverfall und der Gewinn ist
hin. Galilei rührt das wenig, ihn interessiert der Wert dieses Instruments
"für den Handel" nicht, da doch sein Wert für die Philosophie
"unermesslich" sei. Demgegenüber will der Kurator nur praktischen Nutzen
gelten lassen: "Was hat Herr Galilei, der doch Mathematiker ist, mit der
Philosophie zu schaffen?" (30) Galilei stellt genauere Sternkarten in
Aussicht, das könnte der Schiffahrt doch "Millionen von Skudi
ersparen."(30) Doch Priuli, moralisch zu entrüstet um darauf einzugehen,
verlässt gekränkt das Haus.
Ungerührt davon konfrontiert Galilei Sagredo mit der nächsten Beobachtung:
den Jupitermonden. Gestern waren es noch vier, heute sind es nur drei, was
bedeutet dies? Sie rechnen die ganze Nacht und kommen zu dem Ergebnis: Die
Monde kreisen um den Jupiter, wie der Mond um die Erde, es kann also keine
Kristallschalen als Stützen für die Sterne geben. Kopernikus hat recht! Wo
aber, fragt Sagredo, ist dann Gott? Galilei: "In uns oder nirgends!"(33)
Sagredo mahnt: Genau dafür sei im Jahre 1600 ein gewisser Giordano Bruno
verbrannt worden, doch Galilei ist sich seiner Sache sicher: Bruno hat
seine Thesen nur behauptet, er, Galilei kann sie aber beweisen. Er vertraut
darauf, dass die "sanfte Gewalt der Vernunft" die Menschen zur Anerkennung
der neuen Wahrheit bringen wird. Früher oder später muss der Mensch der
Macht der Beweise erliegen, denn Denken ist eines seiner größtes
Vergnügungen. (S.35)
Auf der Suche nach mehr Geld und Anerkennung plant Galilei, an den Hof von Florenz zu gehen. Seine Tochter Virginia ist darüber sehr erfreut, doch Sagredo warnt: Dort herrschen die Mönche. Galilei zeigt Sagredo den Brief, den er an den erst neunjährigen Großherzog von Florenz verfasst hat: Es ist in einem sehr unterwürfigen Ton gehalten, Galilei rechtfertigt diese Unterwürfigkeit mit Hinweis auf seine materiellen Bedürfnisse.
- Thematik:
- Die Konsequenzen des neuen Weltbildes
- Der Mensch Galilei: Unbedingter Glaube an die Vernunft und unterwürfiger Briefschreiber
Nachfolgend ein Arbeitsblatt, in welchem aus dem originalen Widmungsschreiben Galileis an den Großherzog Cosimo zitiert wird.
Original und Brechtsche Aneignung
Eine der ersten Veröffentlichungen Galileo Galileis war das Buch 'Sidereus
Nuncius', Nachricht von den Sternen, erschienen im März 1610 in Venedig.
Die Schrift behandelt Beobachtungen, "die kürzlich mit Hilfe eines
neuartigen Augenglases gemacht wurden am Antlitz des Mondes, an der
Milchstraße und den Nebelsternen, an unzähligen Fixsternen sowie an vier
Planeten, Mediceische Gestirne genannt, die noch nie bisher gesehen wurden"
(zitiert nach G.G.: Sidereus Nuncius - Nachricht von neuen Sternen, hrsg.
von Hans Blumenberg, Frankfurt 1980, S. 83). Galilei widmet die Schrift
und die 'vier Planeten', bei denen es sich um die frisch entdeckten
Jupitermonde handelt, "Seiner Durchlaucht Cosimo von Medici II. - IV.
Großherzog von Toskana". Hier ein Ausschnitt aus dem originalen
Widmungsschreiben Galileis. Mit den darin erwähnten 'Heroen' sind die
griechisch-römischen Götter gemeint, nach denen die wichtigsten Gestirne
benannt wurden: Mars, Merkur und Jupiter.
"Es war Gottes, des Allmächtigen Wille, daß ich von Euren durchlauchtigsten Eltern nicht für unwürdig befunden wurde, Eure Hoheit in den Lehren der Mathematik mit Fleiß zu unterweisen. Ich tat dies in den zuletzt verflossenen vier Jahren zu der Jahreszeit, wenn die ernsteren Beschäftigungen zu ruhen pflegen. Da es mir also offenbar durch Gottes Ratschluß zuteil wurde, Eurer Hoheit zu dienen, und ich deshalb die Wirkungen Eurer unglaublichen Gnade und Güte aus nächster Nähe erfuhr, wie ist es da verwunderlich, wenn mein Herz so entflammt ist, daß es beinahe Tag und Nacht auf nichts anderes denkt, als wie ich, der ich, der ich nicht nur mit dem Herzen, sondern auch durch Geburt und natürliche Herkunft unter Eurer Herrschaft stehe, mein großes Bemühen um Euren Ruhm und meine tiefe Dankbarkeit gegen Euch erkennbar machen könne? Aus diesem Grunde, und weil ich diese Sterne, die allen früheren Astronomen unbekannt waren, unter Eurer Obhut, durchlauchtigster Cosimo, entdeckt habe, besteht mein Entschluß vollkommen zu Recht, sie mit dem erhabenen Namen Eurer Familie zu benennen. Wenn ich sie als erster entdeckt habe, wer hat dann ein Recht, mich zu tadeln, wenn ich ihnen auch den Namen gebe und sie Mediceische Gestirne nenne, in der Hoffnung, daß diesen Gestirnen durch diese Benennung ebensoviel Ansehen zuwachsen möge, wie andere Sterne den anderen Heroen gebracht haben? Denn, großer Heros, um von Euren durchlauchtigsten Ahnen zu schweigen, von deren ewigem Ruhm die Denkmäler aller Epochen zeugen: Eure Tugend allein, kann jenen Sternen Unsterblichkeit des Namens geben."
Arbeitsaufträge:
1. Vergleichen Sie den Brechtschen Galilei-Brief mit dem historischen Widmungschreiben im Hinblick auf: historische Situation, den Stil und Ton, sowie inhaltliche Übereinstimmung.
2. Tragen Sie sich gegenseitig das Galileische Widmungsschreiben vor. Achten Sie zuvor auf die Satzstrukturen, markieren Sie zu betonende Textstellen, Atem- und Kunstpausen, und denken Sie sich einige charakteristische Hand- und Körperbewegungen aus.
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.