Deutsche Theatergeschichte im 18. Jahrhundert
- Ausgangslage:
- Das Theater in Deutschland existierte fast nur in Form von Wandertruppen, wurde von der ´guten Gesellschaft´ nicht besucht und war hauptsächlich Volksbelustigung auf den Märkten.
- Die Schauspieler führten eine gesellschaftlich verachtete Existenz und waren materiall verarmt.
- Die Theaterkunst befand sich dramaturgisch auf dem Tiefpunkt:
- Stegreifspiel: lediglich der Szenenablauf wird festgelegt, der Text aber"extemporiert", bestenfalls wurde in Knittelversen gesprochen.
- standardisierte Typen: Der Liebhaber, der Lüstling, die schlaue Tochter, der alte Vater und
- vor allem der Harlekin, Hanswurst, Kasperl ... bildete die Hauptattraktion für das Publikum, besonders durch seine drastische Komik und Pöbelhaftigkeit; er fügte sich der Handlung nicht ein, sondern unterbrach durch seine spontanen Auftritte
Der Leipziger Literaturprofessor J.C.Gottsched versuchte in dieser Situation, der "Deutschen Dichtkunst" wieder Ordnung und Regel zu geben und das Theater zum Sprachrohr aufgeklärten Gedankenguts zu machen. Dazu aber mußte Theater wieder literarisch hochstehend gemacht werden, um das bessere Publikum (gemeint waren Fürsten und der höhere Adel) erziehen zu können. Der Grundgedanke: Um das Publikum zu belehren, müssen Wahrheiten in Fabeln (Handlungen) gekleidet werden, die sowohl logisch als auch wahrscheinlich waren zum Zwecke von
- Fürstenerziehung: In der TRAGÖDIE soll dem Herrscher aufgeklärte Staatskunst nahegebracht werden durch die Darstellung wichtiger Staatsbegebenheiten. Das Beispiel des tragischen Falles der Großen bewirkt bei den Herrschenden Betroffenheit und Einsicht in sittlich richtiges Handeln, bei der Masse des Publikums Zufriedenheit mit der eigenen Lage trotz aller Mühsal und Bedrängnis. Die Tragödie stelle folglich nur die Welt der Großen dar ("Ständeklausel"), nur in dieser Welt kann die "tragische Fallhöhe" erreicht werden.
- Allgemeine Sittenkritik (KOMÖDIE): Ihr dienen die Satire und das Lustspiel, in denen die Fehler und Schwächen von einfachen Leuten (wie Du und Ich) dargestellt und dem Lachen preisgegeben werden.
- Aus dieser Zielsetzung folgende praktische Maßnahmen:
- Schaffung von Stücken nach französischem Vorbild, Übersetzung von Corneille, Racine, Voltaire und anderen französischen `Klassikern´. - Regelgerechte Stücke: Festgelegte Texte, kein Extemporieren, verbindlicher Vers (z.B.Alexandriner)
- Orientierung an den - dem Aristoteles zugeschriebenen - drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung
- Beachtung der Ständeklausel und Verbannung des Harlekin von der Bühne
- Förderung von engagierten und anspruchsvollen Wandergruppen (Karoline Neuber 1697-1760).
G.E.Lessing (1729-81):
Statt Fürstenerziehung Erziehung des Menschengeschlechtes!
Lessing wird
Ostern 1767 nach Hamburg berufen, wo er als Theaterdichter das
"Nationaltheater" leitensoll: Ein Konsortium von Gönnern richtet dort ein
stehendes Theater ein. Lessing betätigt sich als Verfasser neuer Stücke
für dieses Theater und versucht als Theater-Kritiker in Hamburg die
deutsche Theaterkunst zum repräsentativen Nationaltheater
weiterzuentwickeln. Die schriftstellerischen Ergebnisse dieser
Kritikertätigkeit sind zusammengefaßt unter dem Titel "Hamburger
Dramaturgie": "Wir sind noch immer die geschworenen Nachahmer alles
Ausländischen, besonders noch immer die untertänigen Bewunderer der nie
genug bewunderten Franzosen; alles was von jenseits dem Rheine kömmt, ist
schön, reizend, allerliebst, göttlich..."(104. Stück) Lessings Vorschläge:
- Weg von den Franzosen, hin zu Shakespeare;
- weg vom steifen Alexandriner, hin zum freieren Blankvers;
- Säuberung der Darstellungskunst von übertreibenen, standardisierten Gesten, hin zum echten Gefühlsausdruck;
- neues Verständnis des ARISTOTELES:
Kein sklavisches Festhalten an den Regeln, Aufhebung der Ständeklausel, Vertiefung der Katharsis-Lehre von der "Reinigung der Affekte durch Furcht und Mitleid":
Das Mitleid des Zuschauers mit dem Geschick des tragischen Helden bewirkt zugleich die Furcht davor, daß dieses ihm selbst auch zustoßen könnte. Die Wirkung auf den Zuschauer bedarf darum der Identifikation des Zuschauers mit dem Protagonisten.
"Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stücke Pomp und Majestät geben; aber zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muß natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als Menschen, und nicht als mit Königen."(14. Stück)
Das Unternehmen ist jedoch ein finanzieller und künstlerischer Misserfolg, Lessing verläßt Hamburg im Herbst 1769.
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.