J.M.R. Lenz - Der Hofmeister - Komödie

Der Hofmeister oder Die Vortheile der Privaterziehung

Komödie 1772/74
ERSTER AKT

Szene 1: In Insterburg zu Preußen: Läuffer resümiert seine Lage. Für ihn findet sich keine Arbeit, weder Adjunkt, noch Pfarrer (wie sein Vater), noch Lehrer an der Schule, was bleibt ihm da übrig?

Szene 2: Eben gehen der Geheime Rat von Berg und dessen Bruder , der Major, vorüber. Der Major will für seinen Sohn einen Hofmeister einstellen, der Geheime Rat hält dies für Geldverschwendung. Er hat seinen Sohn Fritz auf die Schule geschickt, was wiederum der Major für verfehlt hält, da Schule die Sitten verderbe.

Szene 3: Kandidat Läuffer, Sohn des örtlichen Pfarrers, stellt sich bei Frau Majorin vor, macht ihr überschwengliche Komplimente, gibt an, tanzt und fällt aus der Rolle, als ein Graf Wermuth über den neuen Tanzmeister spricht, von dem Läuffer nichts hält. Er wird aus dem Zimmer geschickt, weil "Domestiken in Gesellschaft von Standespersonen nicht mitreden."

Szene 4: Der Major sucht den neuen Hofmeister bei der Unterweisung des Sohnes auf, um über das Gehalt zu verhandeln. Er drückt das von der Majorin ausgemachte Salair noch einmal herunter (400 statt 450 Thaler auf drei Jahre verteilt). Außerdem verlangt er noch Zeichenstunden für seine geliebte Tochter Gustchen, sein "einziges Kleinod" .

Szene 5: Fritz v. Berg und Gustchen, die Kinder der Brüder v. Berg, schwören sich ewige Treue, so wie Romeo und Julia, wenn Fritz zum Studieren geht (Halle) und Gustchen auf den Sommersitz der Familie (Heidelbrunn). Szene 6. Da tritt der Geheime Rat herein, der alles gehört hat. Er hat nichts gegen diese Verbindung, wohl aber gegen diese romantische (=romanhafte) Schwärmerei. Er verbietet das Schwören und heimliche Kontakte. Alles soll kontrolliert und offen ablaufen.

EXPOSITION: dient der Einführung in Ort und Zeit der Handlung, 
	der Vorstellung der Charaktere und der Andeutung von Themen und Konflikten

Zeit:     Ende des 18. Jhdts, d.i. Jetztzeit!
Ort:      Stadt Insterburg         und        Landsitz Heidelbrunn 
Personen: Der Geheime Rat v.Berg       -      Der Major v. Berg
        hoher Verwaltungbeamter               Haudegen und wortstarker Draufgänger
        Anhänger der öffentlichen            ungehobelt und ungebildet
        Schulbildung                         Vertreter des alten Königtums 
        aufgeklärte Ansichten                 eher rückständig

Konflikte: -> widerstreitende Modelle über Erziehung
                    -> Liebesbeziehung
                    -> Eltern-Kind-Beziehungen

Sprache: Alltagsprosa, mit humoristisch-satirischen Übertreibungen:
                 Kraftausdrücke (Major/Pätus/Schulmeister)
                 französisierender Modejargon (Frau Majorin/Graf Wermuth)

ZWEITER AKT

Szene 1: Insterburg. Der alte Pastor Läuffer, Vater des Hofmeisters, unterhält sich mit dem Geheimen Rat von Berg, Bruder des Majors. Sie disputieren über die Vortheile der Privaterziehung, wobei der Geheime Rat kein gutes Wort für diese Schurken übrig hat, die eine solche Tätigkeit ausüben.
- Sie verrichten Sklavenarbeit (Domestikenstatus) und seien von den Launen ihrer wenig gebildeten, aber sehr eingebildeten Herrschaften abhängig.
- Sie ließen ihr eigenes Talent verkümmern und erreichten doch bei ihren verzogenen Zöglingen nichts.
- Sie nützten nicht dem Staat, sondern der Eitelkeit des Adels.
- Schließlich verhindere die Privaterziehung den ehrlichen Wettstreit zwischen Bürger- und Adels-Söhnen, so wie es in der 'öffentlichen Schule' anginge.
Der Pastor versucht, seinen Sohn zu rechtfertigen, vor allem mit Hinweis auf die Tradition, aber auch auf die fehlenden Alternativen für Söhne seines Standes. Die Tätigkeit sei eine Art Durchgangsstadium ('Warte'), bis ein öffentliches Amt sich anbiete. Schließlich könne der Patron sich auch als Förderer erweisen. Hier prallen also aufeinander:

 Geheimer Rat                               Pastor
Aufgeklärtes Selbstbewusstsein             - sich Schicken in die traditionellen 
                                            Standesgrenzen der Gesellschaft

Leistungsdenken und Gleichberechtigung    - Hoffen auf Gönnertum und Patronat 

Plädoyer für die öffentliche Schule       - Rechtfertigung 
                                             der Privaterziehung
Material: Über angehende Theologen als Hauslehrer

Szene 2: Heidelbrunn. Läuffer ist seiner Rolle überdrüssig. Die kränkelnde/ hypochondrische und eher lernfaule Zeichenschülerin kokettiert mit ihm, was ihn zusätzlich quält.

Szene 3: Zu Halle, in der Studentenbude des großspurigen, immer verschuldeten Kommilitonen Pätus. Er lebt auf Pump, hat nur noch einen Schlafrock zum Anziehen und streitet sich mit seiner Wirtin herum. Fritz v. Berg soll bei ihm einziehen, damit er von seiner Sehnsucht nach Gustchen abgelenkt wird. Kommilitone Bollwerk erscheint und meldet, dass eine Schauspielertruppe heute abend "Minna von Barnhelm" spiele. Er packt seinen Winter-Wolfspelz und geht los.

Szene 4: Die Jungfern Hamster und Knicks erzählen sich von einem jungen Mann im Wolfspelz, den drei Hunde durch die Stadt gejagt haben.

Szene 5: Heidelbrunn. Der von seinem Zögling frustrierte Läuffer lässt sich trösten vom schwärmerischen Gustchen.

Szene 6: Die Majorin erzählt Graf Wermuth von den seltsamen Anwandlungen des Gatten, z.B. die Stoßgebete des Nachts und das Interesse an der Landwirtschaft. Da kommt der Major und es stellt sich heraus, dass er sich um den Gesundheitszustand seiner Tochter sorgt und für einen Hospitalplatz arbeitet. Ihn bekümmert ihre Kränklichkeit und Schwermut. Sie könnte eine so gute Partie werden. Er gibt der Majorin die Schuld.

Szene 7: Fritz v. Berg sitzt im Gefängnis, weil er für Pätus gebürgt hat. Fritz rechtfertigt sich gegenüber Bollwerk und v. Seifenblase damit, dass Pätus sein Schulkamerad und überdies ein guter Freund sei. Da kommt er schon herein, bringt jedoch kein Geld, da der Vater in Insterburg ihn gar nicht erst vorgelassen hat. Fritz fordert ihn auf, vor seinen Gläubigern zu fliehen, er werde schon ausgelöst werden. Es entsteht eine Auseinandersetzung zwischen Bollwerk und dem dümmlichen v. Seifenblase: Duell-Forderung.

DRITTER AKT

Szene 1: In Heidelbrunn besucht der Geheime Rat seinen schwärmerisch-schwermütigen Bruder, der wegen seiner verblassenden Tochter Bauer werden will. Da stürzt seine Frau herein und berichtet vom Verschwinden der Tochter und des Hofmeisters. Der Major ist außer sich, der Geheime Rat heißt ihn zuhause bleiben, weil er zu wütend ist, um klar zu denken.

Szene 2: Der von dem Major sich verfolgt fühlende Läuffer rettet sich in das Haus des Dorfschullehrers Wenzeslaus, der zwar nichts hat, aber sich auch nichts bieten lassen braucht. Er ist ein aufrechter, unbeugsamer Charakter, die Gegengestalt zum unterwürfigen, liebedienerischen, abhängigen und auch eingebildeten 'Hofmeister'. Wenzeslaus weist dem hereinstürzenden Grafen Wermuth die Tür, wofür Läuffer ihn sehr bewundert.

Szene 3: v. Seifenblase und sein Hofmeister berichten dem Geheimen Rat von dem Schicksal seines Sohnes. Es stellt sich heraus, dass Pätus der Sohn des hiesigen Ratsherrn ist.

Szene 4: Wenzeslaus und Läuffer nehmen ein frugales Abendmahl ein, Wenzeslaus ist mit seinem ärmlichen aber freien Dasein zufrieden, er kann auf die Hofmeisterzunft herabsehen. Läuffer findet bei ihm Unterschlupf und Arbeit als ´Kollaborator´, d.i. Schreibgehilfe.

VIERTER AKT

Szene 1: Insterburg. Ein Jahr später.
Der Major will in den türkisch-russischen Krieg ziehen, um dort zu sterben. Der Geheime Rat teilt ihm das Schicksal seines eigenen Sohnes mit, der in Halle aus dem Gefängnis geflohen ist. Im Gespräch erinnert sich der Geheime Rat, dass Graf Wermuth damals aus einer Dorfschule hinausgeworfen wurde. Der Major wird hellhörig.

Szene 2: Eine Bettlerhütte im Walde. Gustchen, nun mit einem Säugling, hat im Traum ihren verzweifelten Vater erblickt und will nun ins Dorf, um ihm Nachricht zu kommen zu lassen. Die blinde, alte Marthe warnt sie davor, sich zu verausgaben.

Szene 3: Der Geheime Rat und der Major erscheinen in der Dorfschule, letzterer schießt Läuffer in den Arm, erfährt aber, dass dieser Gustchen seit dem Tag seiner Flucht nicht mehr gesehen hat. Der Geheime Rat lässt Läuffer einen Beutel mit Dukaten zurück.

Szene 4/5: Der GH und der Major kommen gerade hinzu, als das erschöpfte Gustchen in den Teich springt. Der Vater rettet sie und ist überschwenglich glücklich.

Szene 6: Fritz und Pätus studieren nun in Leipzig. Fritz nimmt Lautenunterricht bei Herrn Reehaar, bei dessen Tochter Pätus durchs Fenster gestiegen ist. Darüber hinaus schlägt er den unglücklichen Vater, was dem guten Fritz zuviel der Ungerechtigkeit ist, und er verkracht sich mit Pätus.

FÜNFTER AKT

Szene 1: Die blinde Marthe kommt mit Gustchens neugeborener Suse zu Läuffer in die Schule, dieser erkennt die Zusammenhänge und fällt in Ohnmacht.

Letzte Szene: Die alte Marthe erweist sich als die vom alten Pätus verstoßene Mutter, welche nun mit dem Säugling unvermutet aufgetaucht ist. So findet der Major sein Enkelkind, der hartherzige und nun reuige Ratsherr seine Mutter und zu alledem will Fritz Gustchen heiraten - trotz ihres "Fehltritts". Da taucht auch noch aus der Kammer der junge Pätus auf und eine weitere Versöhnung findet statt. Der Schluss: Fritz stellt fest, dass Gustchens Tochter nie von einem Hofmeister erzogen werden soll.
Zum Schluss der Lektüre (AKT V):
Der Wirrwarr und seine Auflösungen:
  • Der kastrierte Läuffer wird seiner Leidenschaften Herr und findet (dennoch) ein Weib und eine Stellung
  • diese bekommt dadurch einen ´geistlichen Herrn´ und will zum Glück keine Kinder von/mit ihm
  • der Geheime Rat bekommt seinen verlorenen Sohn zurück
  • der verlorene Sohn bekommt seine Auguste
  • deren uneheliches Kind bekommt einen Vater
  • der hartherzige Ratsherr Pätus findet seine von ihm verstoßene Mutter wieder (Marthe)
  • er bekommt seinen mißratenen Sohn wieder zurück
  • der Sohn bekommt seine Jungfer Rehaar
  • der erniedrigte Künstler/Lautenist bekommt einen respektable Schwiegersohn

Fazit:
Der Wirrwarr löst sich auf, 
alles Verquere renkt sich ein,
zerrissene Familienbande werden wiederhergestellt
was sich zueinander hingezogen fühlt, heiratet 
                    ||
          und all dies GLÜCK
                    ||
  kann vom Publikum doch nicht so recht ernst genommen werden, 
             denn es ist kein echtes Glück, 
             sondern ein künstlich und zufällig herbeigeführtes, 
             in einer Welt, die zu echten Gefühlen nicht fähig ist.   
                    ||
                    \/
  Das Publikum lacht über die Charaktere/Typen und nicht MIT ihnen. 
                  Dies entspricht dem Geist der Komödie


Weiteres Material


Zusammenfassende und abschließende Arbeitsaufträge:

1. Erziehungsfragen: 
    Welche Schul- bzw. Erziehungsfelder werden vorgestellt? 
        Mit welcher Bewertung? (Privaterziehung, öffentliche Erziehung,  
        Studentenleben, Dorfschulerziehung)

2. Eltern-Kind-Konflikte: 
    Väter - Mütter - Söhne - Töchter

3. Kritik durch Lächerlichmachen 
 a) der Herrschenden:
      der un- und eingebildete Adel (Major, Wermuth, v.Seiffenblase)
 b) der Beherrschten: 
      die Unterwürfigkeit der unteren Schichten 
      (Läuffer und Vater, Lautenlehrer Rehaar)
 c) und des herrschenden Zeitgeistes:
      das gefühllose, unnachgiebige und selbstherrliche 
                           Aufklärertum (Geheimer Rat)


    Kursstufe Deutsch - Klausurvorschlag: J.M.R.Lenz: Der Hofmeister

  1. Ordnen Sie J.M.R.Lenz und seinen "Hofmeister" literaturgeschichtlich ein. (4 VP)
  2. Der vollständige Titel lautet "Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung".
    a) Inwieweit ist hiermit die zentrale Thematik des Stückes benannt und
    b) mit welcher Tendenz wird diese abgehandelt? (6)
  3. Lenz hat sein Schauspiel (nach längerem Schwanken) eine "Komödie" genannt.
    a) Erklären Sie den Gattungsbegriff Komödie (unter Bezugnahme auf den der Tragödie) zuerst allgemein und
    b) stellen Sie schließlich dar, was den "Hofmeister" im besonderen als Komödie qualifiziert. (6)

(cc) Klaus Dautel

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
Dautels ZUM-Materialien: Google-Fuss

Impressum - Datenschutz