10. Trennungsgeschichten
Wenn Sie nicht über eine sattelfeste humanistische Bildung verfügten oder als Hobby deutsche Sprachgeschichte ausübten, dann konnten Sie bei der Silbentrennung einiges falsch machen.
- Nach der bisherigen Regelung waren zusammengesetzte griechische und lateinische Fremdwörter nach den Bestandteilen zu trennen, aus denen sie zusammengesetzt sind. So musste man bislang trennen: Päd-agogik, Heliko-pter, Chir-urg, Psych-iater, par-allel, Kat-ego-rie, Dra-mat-urg, trans-itiv.
- Des Weiteren musste man wissen, wie sich deutsche Wörter - historisch gesehen - zusammensetzen: dar-um oder da-rum, dar-an oder da-ran?
- Und da war noch die berühmte Regel, dass st im Gegensatz etwa zu sp nicht getrennt werden durfte. Der Grund: In der Frakturschrift – der alten »deutschen« Schrift – stand die Verbindung aus langem s und t untrennbar auf einem Block (Ligatur).
Eine Anpassung an die nicht Alt-Griechisch sprechende und nicht Fraktur schreibende Bevölkerungsmehrheit lag folglich nahe.
Als Regel lässt sich formulieren:
Silbentrennung erfolgt nach langsamer Aussprache - und nicht mehr nach Wortgeschichte oder Wortgrammatik.
Im Einzelnen führt die Neuregelung zu folgenden Änderungen:
Nun wird auch st getrennt: meis-tens, Kis-ten, flüs-tern, Fens-ter, bers-ten, so wie bisher schon die Trennung anderer Kombinationen von Konsonantenbuchstaben: Es-pe, Mas-ke, leug-nen, mod-rig, schimp-fen, schlüpf-rig.
Die Buchstabengruppe ck wird nicht mehr in k-k aufgelöst, sondern wie ch und sch als Einheit behandelt: Zu-cker, fli-cken, tro-cken.
Die aus dem Latein bzw. den romanischen Sprachen stammende Regel, dass Verbindungen mit r und l sowie die Buchstabenverbindungen gn und kn in Fremdwörtern ungetrennt bleiben, ist nicht mehr zwingend. Bei den folgenden Beispielen steht die bisherige, weiterhin zulässige Trennung in Klammern: Quad-rat (Qua-drat), möb-liert (mö-bliert), Mag-net (Ma-gnet), pyk-nisch (py-knisch).
Es dürfen jetzt auch einzelne Vokale am Wortanfang getrennt werden:
A-bend, A-tom, E-ber, I-gel. Es fragt sich allerdings, ob das praktisch nötig ist.
Ursprünglich zusammengesetzte, aber heute nicht mehr ohne weiteres als zusammengesetzt erkennbare Wörter können nach den Regeln für einfache Wörter getrennt werden.
Bei den folgenden Beispielen steht die bisherige, weiterhin zulässige Trennung in Klammern.
- Deutsche Wörter: wa-rum (war-um), hi-nauf (hin-auf), ei-nan-der (ein-an-der), beo-bach-ten (be-ob-ach-ten).
- Fremdwörter lateinischen oder griechischen Ursprungs: Pä-da-go-gik (Päd-ago-gik), Chi-rurg (Chir-urg), Phi-lip-pi-nen (Phil-ip-pi-nen), Nos-tal-gie (Nost-al-gie), He-li-kop-ter (He-li-ko-pter), pa-ral-lel (par-al-lel), inte-ressant (inter-essant).
Fazit: Man kann
fast nichts mehr falsch machen, solange die Wortbedeutung nicht stark darunter leidet. So macht es schon einen spürbaren Unterschied, ob das Wort
Urinstinkt so: 'Urin-stinkt' oder so: 'Ur-instinkt' getrennt wird.