Cod. Pal. germ. 353
"'Die Heidin"
Beschreibstoff:
Papier
Umfang: 70 Blätter
Maße: 20,2 X 14,5 cm
Entstanden um 1470
Vermutlicher Entstehungsort: Stuttgart
Aus der sog. Werkstatt des Ludwig Henfflin'
81 mit Wasser- und Deckfarben kolorierte Federzeichnungen
Von der mittelhochdeutschen Versnovelle "Die Heidin"
sind insgesamt vier Versionen bekannt, die zwischen 1250
und der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert entstanden sind.
Die große Beliebtheit des Werkes wird nicht zuletzt daran
sichtbar, dass sich neun vollständige Manuskripte und zahlreiche
Fragmente des Textes erhalten haben. Die in Cod. Pal. germ.
353 überlieferte Version gehört zur zweiten Textredaktion,
die wohl zwischen 1270 und 1290 vermutlich in Bayern entstanden
ist. Die Heidelberger Handschrift selbst wurde um 1470 in
der wohl in Stuttgart ansässigen sogenannten Werkstatt des
Ludwig Henfflin' geschrieben.
Der Titel "Die Heidin" geht auf die weibliche
Hauptfigur, die heidnischen Schönheit Frau Libanet zurück,
Thema der Erzählung ist die reine, keusche Minne der Frauen.
Der christliche Ritter Wittig verliebt sich in die mit König
Beliant verheiratete Libanet, die sein Werben jedoch zurückweist.
Der enttäuschte Wittig zieht daraufhin sieben Jahre lang
durch die Welt, um sich in zahlreichen Kämpfen als Ritter
zu bewähren und so doch noch Libanets Liebe zu gewinnen.
Von ihrem schlechten Gewissen geplagt und an unerfüllter
Minne erkrankt, ruft diese den Ritter zurück, um ihn vor
die Wahl zwischen ihrer oberen und unteren Körperhälfte
zu stellen. Nachdem Wittig den Teil 'oberhalb des Gürtels'
erwählt hat, weigert sich Libanet fürderhin ihren Mann anzusehen,
da ihre Augen ja nun Wittig gehören. König Beliant ist über
den Ungehorsam seiner Frau dermaßen erzürnt, dass er sie
schlägt, woraufhin diese ganz zu Wittig flieht und sich
taufen lässt. Die folgende kriegerische Auseinandersetzung
zwischen den beiden Kontrahenten geht zugunsten des christlichen
Ritters aus. Beliant gerät in Gefangenschaft, in der er
sich in Wittigs Schwester verliebt, sich wie seine frühere
Frau Libanet taufen lässt und seine neue Liebe heiratet.
Cod. Pal. germ. 353 wurde im Auftrag der Margarete von
Savoyen (ca. 1410-1479) hergestellt, deren Wappen, ein weißes
Kreuz auf rotem Grund, vom Maler auf fol. 6v als Zeltbanner
verwendet wurde. Margarete war in zweiter Ehe mit Kurfürst
Ludwig IV. von der Pfalz (reg. 1436-1449) verheiratet. Nach
dem Tod Ludwigs ehelichte sie 1453 Graf Ulrich V. von Württemberg
und kam so nach Stuttgart. Die Handschriften aus ihrem Besitz
gingen nach ihrem Tod im Jahre 1479 als Erbe an ihren Sohn
Philipp aus der Ehe mit Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz
und gelangten so in die 'Bibliotheca Palatina'.
1558 ließ Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz (reg. 1556-1559)
die Handschrift mit einem für die Zeit der Renaissance typischen,
repräsentativen Ledereinband versehen. Sein vergoldetes
Porträtsupralibros prangt auf der Vorderseite des Einbands.
Bild: Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. pal.
germ. 353 f. 50v
Text: Matthias Miller /
Karin Zimmermann
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