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Zu LPE 12/13.2: Kirche in der Welt von heute. Der Öffentlichkeitsauftrag der Christen Referat von A. Schönherr, Bischof i.R. (Berlin) am 14.4.1994 vor der Pfarrkonferenz des Dekanats Emmendingen im Sitzungssaal der Metzger-Gutjahr-Stiftung Ich kann jetzt einmal kurz erzählen, was für eine Beziehung ich zu Bonhoeffer gehabt habe. Er ist mir oder ich ihm begegnet. Wir haben 1932, als ich von Tübingen nach Berlin gewechselt war, da hat ein Freund, der Maechler, mich aufmerksam gemacht auf diesen jungen Privatdozent, er ist etwa fünfeinhalb Jahre älter als ich gewesen, aber ich habe vom ersten Augenblick an, als ich ihm dann zuhörte, einen großen Eindruck davon gehabt, mit welcher Dichte, mit welcher Sachbezogenheit, Konzentration und auch mit welcher ständigen Beziehung zu Christus er uns damals vorgetragen hat. Es hat dann etwas gegeben, was wohl einzigartig war unter den Dozenten, daß er die, die wollten, einlud zu Freizeiten, das war damals noch etwas ziemlich Ungewöhnliches. Wir haben mit ihm zusammen versucht, ein paar Tage christliches Leben zu führen, so wie er das damals verstand und wollte, in der Nähe von Reinsberg in einer Jugendherberge. Danach hat sich dann ein Kreis gebildet, der dann jede Woche in seinem Elternhaus zusammenkam, auch noch, als er dann in London war. Und aus diesem Kreis heraus war es ganz selbstverständlich, daß wir in die Bekennende Kirche gingen, uns dort aktiv meldeten und als dann nach der Dahlemer Synode beschlossen worden war, daß der Ausbildungsgang nun auch von der Bekennnenden Kirche gewährleistet werden sollte, da bin ich in das Predigerseminar Finkenwwalde in den ersten Kurs dort einbezogen worden. Das waren mit die wichtigsten Jahre meines Lebens, vielleicht dieses Jahr gerade das wichtigste, was mich sehr geprägt hat. Und ich habe dann nachdem also immer wieder auch mit Bonhoeffer Fühlung gehabt. Wir haben beide unser Tun gehabt, es war nicht so, daß wir ständig beieinander waren, wie das etwa Bethge immer war. Er hat mich getraut, und wir haben solange es eben ging auch miteinander korrespondiert. Ich habe dann nun nach dem Kriege meine Aufgabe gesehen, besonders als ich dann in einer kirchlichen leitenden Stelle war, die Theologie Bonhoeffers fruchtbar zu machen für unsere Situation, in der wir uns damals befanden, und so ist es denn auch geworden, daß in der DDR gerade ziemlich viel über Bonhoeffer nachgedacht und von ihm gelesen worden ist, obwohl wir ja nun natürlich literarisch ein bißchen unsere Schwierigkeiten hatten, aber diese Situation hat das offenbar begünstigt, daß Bonhoeffer in der DDR zeitweise eine größere Bedeutung hatte als in der Bundesrepublik. Ich möchte Ihnen jetzt vortragen, worum ich gebeten worden bin. Ich möchte es mal so bezeichnen: Dietrich Boenhoeffers Hilfe für Kirche und Christsein in der DDR. Ich mache das umso lieber, als mir das die Möglichkeit gibt, dankbar zurückzudenken an diese Zeit und nicht im Zorn und nicht zu sagen, daß sind verlorene Jahre gewesen. Ich glaube, daß gerade Bonhoeffer uns dazu geholfen hat, daß wir das eben nicht so sehen. Ich habe jetzt meine Lebenserinnerungen herausgegeben mit dem Titel "Aber die Zeit war nicht verloren". Das ist ein Zitat aus Bonhoeffers kleiner Schrift "Nach zehn Jahren", erschienen 1942 auf 43, gegen die Meinungen geschrieben, die meinten, solche Zeit sei gestohlene Zeit, eben auch verlorene Zeit. Bonhoeffer hat da das richtige Wort dafür gefunden. Und ich glaube, daß wir , auch wenn wir an die Kirche zurückdenken, natürlich denken müssen, viel Versagen, selbstverständlich, wir wären ja keine Menschen und Sünder, aber eben doch an sehr viel gute Erfahrungen. Ich weiß nicht, ob der Name Dietrich Mendt etwas sagt, den ich sehr schätze, ein Sachse, er schreibt: "Ich habe Angst, daß unter der Hand verloren geht, was Gott uns in 45 Jahren beigebracht hat , als seinen Willen, den wir zunächst wohl alle verleugnet, mit der Zeit aber begriffen haben. Die Schule, in die uns Gott genommen hat, hat zuviel gekostet, als daß wir sie aufgeben könnten." Ich denke, wenn man einmal auf ein kurzes Wort bringen soll, Dietrich Bonhoeffer hat uns gelehrt, daß der Weg der Kirche in der DDR kein lästiger Umweg war, auch kein Irrweg, den man eigentlich umgehen müßte oder eigentlich hätte vermieden werden sollen , sondern wir haben erfahren, daß Gott mit seiner Kirche, der Kirche dort bei uns, einen Lernprozeß begonnen hat. Und daran hat eben Dietrich Bonhoeffer sehr viel Anteil. Sein Erbe, das wir von ihm haben, ist, ist erst dabei eingebettet in das Erbe der Bekennenden Kirche, und wir haben ja wirklich den besonderen Vorzug gehabt in der DDR, daß wir die Erfahrung der Bekennenden Kirche hinter uns hatten und einige auch von den leitenden Leuten und anderen, die waren ja noch aktiv in der Bekennenden Kirche gewesen und das hat uns einen großen Vorsprung gegeben, z.B. vor den Kirchen in der Tschechoslowakei, Ungarn oder auch in Polen, die ja alle ohne solche Erfahrungen einer bedrückten Kirche bisher haben auskommen müssen und nun hineingeworfen wurden in diese neue Zeit, in diese neue Verbindung. Erbe der Bekennenden Kirche - die Kirche hat ihr Lebensrecht durch den Auftrag, den sie bekommen hat-, das klingt banal fast, aber es spielte im täglichen Leben eine große Rolle: "Warum sind wir hier überhaupt da?" Nicht, weil wir eben da sind, weil nun Kirche einmal existiert, sondern weil sie einen Auftrag hat und weil sie einen Auftrag hat, muß sie auch Freiheit für sich beanspruchen und darum war uns um dieses Auftrags willen, nicht allgemein aus Gründen des Menschenrechts, das natürlich auch war, vor allen Dingen; aber um des Auftrags willen haben wir begrüßt, daß die DDR - Regierung auf Trennung von Kirche und Staat bedacht war. Sie hat das natürlich in ihrer Weise getan, das hieß für die DDR - Regierung Trennung von der Gesellschaft. Aber wir haben das eben halt auf unsere Weise ausgelegt und waren sehr dankbar dafür, daß diese Trennung nun auch eben so festgelegt war, daß der Staat oder die Partei nun auf illegale Weise die Möglichkeit hatte, in die Kirche hineinzuregieren, jedenfalls nicht auf legale Weise. Ich denke noch an ein Gespräch, das ich mit dem Staatssekretär Seigewasser gehabt habe, als wir Scharf zum Bischof gewählt haben, den Westberliner Scharf, das war für die natürlich eine Ungeheuerlichkeit, für die Staatsleute. Und er sagte, wenn wir doch wenigstens die Verhältnisse wie in Schweden hätten, daß also die Regierung dann mindestens ihr Placet geben muß für solch eine Berufung, wie wir sie damals hatten. Aber das hatte er eben nicht. Man kann nun mit gutem Gewissen sagen, wir haben wirklich insofern eine besondere Freiheit gehabt, als wir z.B. alle Ämter besetzen konnten ohne eine staatliche Lizenz, anders als in der Tschechoslowakei, wo ja die schreckliche Geschichte war, daß sie durch die ganze Entwicklung der Bezuschussung der Kirche, dem Staat eine derartige Einwirkungsmöglichkeit gegeben haben, die wirklich schlimm war. Die Trennung von Kirche und Staat, eben um des Auftrags willen. Zu diesem Auftrag gehört, daß wir als der einzelne Christ ganzheitlich leben, d.h., Glaube ist eben nicht bloß ein religiöser Bezirk, sondern Glaube umfaßt das ganze Leben, auch das politische, und dafür als Kirche eine prophetische Verantwortung wahrgenommen haben, wie die Propheten des Alten Bundes für die Welt. Das Besondere in einem Staat zu leben, der von einer atheistischen Partei dominiert worden ist, hat uns dazu führen müssen, daß wir alle unsere eigenen Wege, unsere eigenen Vorhaben und alles, was wir da machten, also Innere Mission, Kirchentage und wer weiß was alles, daß wir das alles von der Mitte unseres Glaubens her begründen mußten, daß wir deutlich machen mußten, das das eben aus dem christlichen Glauben kommt und nicht irgendwie etwas ist, was wir uns selber ausgedacht haben, vielleicht um den Staat zu ärgern. Von Bonhoeffer speziell haben wir immer wieder sehr ernst genommen, daß er die Wahrheitsfrage an die Kirche als die eigentliche Überlebensfrage genannt hat. Ob die Kirche wirklich, das, was sie sein soll, ist, das ist jetzt die Frage, ob sie ein Recht hat zu existieren, wobei man gerade bei Bonhoeffer daran denken muß, daß er die Kirche und zwar die sichtbare Kirche mit Oberkirchenräten, Bischöfen und allem, was dazu gehört, todernst genommen hat. Er hat das Bild vom Leib Christi angewandt auf diese normale Kirche und konnte darum auch sehr hart, sehr konsequent sich zur Bekennnenden Kirche stellen. Vielleicht haben Sie noch in Erinnerung oder irgendwo gehört, daß er etwas gesagt hat, was den allgemeinen Sturm der Entrüstung hervorgerufen hat: Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche trennt, trennt sich vom Heil. Er hat also eine kirchliche Institution, einen kirchlichen Verband wie die Bekennende Kirche doch für eine Sache gehalten, die unmittelbar mit dem Heil zu tun hat. Wenn man heute an die Leichtfertigkeit denkt, mit der man also vielfach mit Kirche umgeht, daß man, wenn einem irgendetwas nicht paßt, sofort aus der Kirche austritt usw., das steht also zu einem diametralen Gegensatz zu dieser Überzeugung. Kirche als Leib Christi, das ist natürlich ein riesiger Anspruch, vor allem aber eine riesige Verpflichtung, eine riesige Verantwortung, daß wir uns ständig fragen müssen, ob wir noch glaubwürdig sind, das war für Bonhoeffer eine der wichtigsten Fragen, Glaubwürdigkeit der Kirche. Was hat die Kirche denn zu tun, was ist dann, was hat z.B. Gottesdienst, kirchliches Leben, auch kirchlicher Ritus für eine Bedeutung? Ich möchte das nur nehmen unter dem einen Wort, das aus Finkenwalde mal gekommen ist: innerste Konzentration für den Dienst nach außen. Bonhoeffer hat auch mit seiner Frömmigkeit und mit dem Anhalten dazu und mit der Einübung von Frömmigkeit, die wir in Finkenwalde ja betrieben haben, nicht irgendetwas machen wollen, das nur um der Frömmigkeit willen da ist, sondern er hat uns dazu angeleitet, daß wir diese Konzentration üben für den Dienst nach außen. Wenn ich jetzt sagen soll, worin Bonhoeffer mir und ich hoffe, auch uns geholfen hat, so möchte ich dreierlei nennen: angefochten durch die Verführung von Gott abzulassen oder Gott zu vergessen, geängstigt um die Zukunft unserer Kirchen, sollen wir glauben lernen. Zweitens angefochten durch das Bild einer zerbröckelnden Volkskirche, die den ständigen Angriffen auf ihre Freiheit ausgesetzt ist, sollen dennoch dabei bleiben, daß die Kirche Christi immer sein muß Kirche für andere und drittens angefochten durch den Verweis auf eine Kultkirche und auf rein Religiöses, so wie das der Staat bei uns machte, angefochten durch die Verführung eine Nischen- oder Überlebenskirche zu sein, hat uns Bonhoeffer gelehrt, selbstlose Teilnahme am Ganzen. Ich möchte dazu ein paar Worte sagen: Glauben lernen. Ausgangspunkt die Situation der bedrängten Kirche, wie wir sie ja gehabt haben. Ich möchte nicht vom Leiden der Kirche sprechen, ich möchte das alles nicht dramatisieren, so schlimm war's ja auch wieder nicht, aber immerhin, es war eine bedrängte Kirche, eine beengte Kirche. Man muß nun sagen, das war nicht etwa ein böser Ausnahmezustand gewesen, sondern wenn man die Bibel zu Rate zieht, der Normalzustand. Der Zustand einer wohlgelittenen Kirche, wie wir ihn jetzt seit über tausend Jahren nun erleben, ist eben nicht der Normalzustand, sondern eine Sache, über die man dankbar sein kann, die aber auch sehr gefährlich ist, wie wir alle damals wissen. In Zeiten der Bedrängung, das haben wir gespürt, auch noch in der späteren Zeit, werden die biblischen Inhalte sehr viel leuchtender, sehr viel deutlicher, sehr viel profilierter. Man versteht vieles viel besser, was da im Neuen Testament zu lesen ist. In dieser Zeit haben wir also lernen müssen und bestehen müssen darauf, daß die Wirklichkeit der Welt nicht einfach im Gegensatz steht zu einer religiösen Welt, sondern die Wirklichkeit dieser Welt ist nicht ohne Gott. Wir haben uns damit geholfen, gegen den Wirklichkeitsbegriff der Marxisten, die ja die Wirklichkeit vor allem im Ökonomischen gesehen haben. Wir haben, gerade angeleitet durch Bonhoeffer, gelernt, daß man nicht in zwei Räumen denken darf, als ob es einen irdischen und dann einen überirdischenn Raum gibt, und wir dann immer hin und her pendeln. Ich glaube, das war uns sehr wichtig gegen die Schizophrenie, die über uns ja dann sehr grassierte, daß man dann eben im Betrieb oder in der Schule anderes sagte, als man das zu Hause tat, zumindest merkte, daß das so eigentlich nicht ging und daß das eigentlich korrekturbedürftig war. Es gibt nur eine Wirklichkeit, und die ist die von Gott und durch Christus geprägte Wirklichkeit, wenn man es mal im Bild sagen soll: auf dieser Erde sind die Fußspuren Christi, sie sind nicht auszulöschen. Und das bedeutet nun, wir glauben, Glaube kann dann nur sein, wenn es eine Wirklichkeit gibt, Hingabe eines Ganzen wird sie gelebt, nicht bloß eine Meinung, nicht bloß ein Stück, das ist der Punkt, an dem ja Bonhoeffer gegen das, was er Religion genannt hat, gekämpft hat. Das ist ein bißchen unglücklich, daß nun das Wort Religion für uns einen anderen Klang hat, als es für Bonhoeffer hatte.Bonhoeffer kam her noch von der Barthschen Schule, wo bei Barth doch Religionslosigkeit oder Religion noch wieder etwas anderes ist als bei Bonhoeffer. Bei Bonhoeffer ist es eine Fehlleistung der Gottesbeziehung, die geprägt ist durch Individualismus, Religion ist Privatsache, ist meine Sache, durch Partialismus, d.h. Religion hat man am Sonntagvormittag und durch Metaphysik,, d.h. man hat einen Gott, der irgendwie in eine systematische Beziehung zum Menschen gebracht werden kann. Glaube hingegen ist Hingabe eines ganzen Lebens mit Wort und Tat. Es ist kein Zufall, daß Bonhoeffer besonders liebte das Wort im Johannesevangelium 3, 21: Wer die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht. Da war es für uns verständlich, daß für Bonhoeffer der alttestamentliche Begriff des Weges, den man geht, eine Rolle spielt nun speziell im neutestamentlichen Sinne, des Weges, den man in der Nachfolge Christi geht. Nachfolge ist ja etwas Ganzheitliches, nicht wahr, wenn Jesus Petrus ruft, kann der nicht sagen, gleich oder ein Stück weit geh' ich mit, sondern dann läßt er eben alles weg uund geht hin. Das ist ganzheitlich. Das ist aber auch geschichtlich, denn man kann seinen Weg nicht irgendwo im Himmel gehen und nicht auf den Wolken, sondern hier auf dieser Erde. Nachfolge heißt eben auch, daß man lernbereit ist, daß man umzudenken bereit ist. Daß man bereit ist, Neuland getrost zu erkunden, das war uns natürlich sehr wichtig, weil wir ja nun tatsächlich Neuland vor uns hatten. Denn das gab es ja noch nicht, daß eine große protestantische Kirche, die mal die Mehrheit gewesen ist, nun in einem von einer marxistischen Partei regierten Land leben muß. Das war für uns alle eine neue Erfahrung. Natürlich auch für die Regierenden eine neue Erfahrung, in der man ganz erheblich bereit sein mußte zu lernen. Also es ist kein Unglücksfall der Geschichte, sondern wir haben es verstehen können und wollen, daß uns Gott in die Schule nimmt. Ich habe das ja vorhin bei Mendt vorgelesen. Er hat dazu ermutigt, er macht dazu Hoffnung, also Bonhoeffer, auch gerade mit seinem Buch "Nachfolge", das ja besonders von jungen Leuten sehr stark aufgenommen worden ist. Eine wichtige Frage war bei uns, daß wir einmal in einer Synode nachgedacht haben, und das später immer wieder nachgedacht haben, über Kirche als Lerngemeinschaft. Kirche ist also nicht die Gemeinschaft, die immer alles weiß, und die den Leuten vom hohen Sockel herunter sagen kann, was richtig ist, sondern die vor allen Dingen erst einmal lernt und dann vielleicht einmal irgendwie anderen Leuten was weitergeben kann. Dann "Nachfolgen" - Da käme dann die Frage, die zu stellen ist, wer ist Christus heute für uns? Die Frage, die bei Bonhoeffer, wie es in den Gefängnisbriefen die Frage einleitete, in die er die revolutionären neuen Gedanken bringt. Interessanterweise, es war April, Mai oder Juni 44, als er darüber Klarheit bekam, daß er nicht so bald aus dem Gefängnis herauskommen würde. Er hatte ja vorher immer gehofft, das ist eine Sache, die geht bald vorüber. Als er erfuhr, daß nicht damit zu rechnen ist, fing er also an, diese schwerwiegenden theologischen Gedanken aufzuschreiben. Wer ist Christus für uns heute? Wenn man nachfolgen will, muß man ja wissen, wo Christus ist. Da muß man Jesus auf die Spur kommen und bei ihm bleiben, d.h. Christsein kann also kein Standpunkt sein, auf dem man eben steht, hier stehe ich, kann auch keine Weltanschauung sein, als ob es darum geht, daß man die Dinge, die die Welt im Innersten zusammenhält, kapiert, sondern es ist eben ein Leben in der Nachfolge Christi. Es geht auch nicht um christliche Prinzipien, geschweige denn um christliche Motive. Unsere CDU im Osten hat etwa die Theologie gehabt, wir machen mit christlichen Motiven das, was der Sozialismus mit marxistischen Motiven macht. Das war ein bißchen kurz geschossen. Auch mit christlichen Prinzipien, wie überhaupt auch die westliche CDU, ist das wohl nicht gemeint oder nicht abzudecken, was hier gemeint ist, denn auch Prinzipien und Motive kann man drehen und wenden, es kommt darauf an, Heino Falke hat es einmal sehr schön gesagt: sein wichtigstes Buch hat er überschrieben "Mit Gott Schritt halten", auch ein Zitat von Bonhoeffer "Mit Gott Schritt halten". Das verschafft Flexibilität nicht nur kirchenpolitische, taktische Flexibilität, das wäre schon schlecht, wenn sie sich nur darauf beziehen würde, sondern die Bereitschaft aufzunehmen, zu lernen, sich zu verhalten, sich auch zu verändern. Es gibt ein schönes Wort von Bonhoeffer: mit Christus wachen in Gethsemane. Das wäre eigentlich die Aufgabe der Jünger gewesen. Und das ist die Aufgabe der Kirche, denn Christus leidet, aber wir haben zu wachen. In dem Brief vom 21. Juli '44, dem Brief, der also unmittelbar nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler geschrieben wurde, also sozusagen das Testament. Ich habe diesen Brief ganz besonders gerne, weil er eigentlich den ganzen Bonhoeffer zeigt, da sagt er das, was ich eben versucht habe hier auszuführen, auf seine Weise, daß man nichts aus sich selbst machen will, sondern, daß man mitten in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge, Mißerfolge, Erfahrungen, Fragwürdigkeiten steht und sich dann Gott in die Arme wirft. Das "Sich-Gott-in-die-Arme-Werfen" das finde ich eigentlich ein sehr schönes Wort für das, was wir als Theologen unter Rechtfertigung verstehen, sich Gott in die Arme werfen. Das verhilft zu Geduld, zur Treue, aber auch zur Gelassenheit und vielleicht auch ein bißchen Humor, was das Gewürz zur Freiheit ist. Zum Glaubenlernen gehört natürlich die Umkehr und die Buße für Dinge, die man auch nicht nur selber angestellt hat.Die kleiner werdende Kirche, die wir um uns erlebt haben, und die wir und Sie alle erleben, ist das jetzt der Grund für uns, daß wir es billig machen, daß wir den christlichen Glauben zu Schleuderpreisen verkaufen? Bonhoeffer einmal 1932: Wir haben unsere Gedanken lieber als die Gedanken der Bibel. Wir lesen die Bibel nicht mehr ernst, wir lesen sie nicht mehr gegen uns, sondern nur noch für uns. Und in diesem Zusammenhang wäre dann an die billige Gnade zu erinnern, dieses aufregende Stück, was er am Anfang der "Nachfolge" schreibt. Ich möchte es Ihnen bloß noch einmal sagen, und ich finde es immer wieder, daß es für alle, die so im Gemeindepfarramt stehen, eine wahnsinnige Zumutung ist. Ist der Preis, den wir heute mit dem Zusammenbruch der organisierten Kirche zu zahlen haben, etwas anderes als eine notwendige Folge der zu billig erworbenen Gnade? Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk ungefragt und bedingungslos. Man gab das Heiligtum aus menschlicher Liebe den Spöttern und Ungläubigen, man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört. Glauben lernen heißt Umkehr, ich habe das eben schon gesagt. Das heißt nun eben auch, daß man bewußt sich bekennt zur eigenen Schuld und zur Schuld der Kirche seiner Zeit, und da hat Bonhoeffer sehr gelitten an der Stelle, die Schuld an den Juden. Er war einer von den ganz wenigen, die von Anfang an auf die Gefahr, die den Juden drohte, hingewiesen hat. Er und der bayerische Kirchenpräsident Pechmann waren die einzigen, die öffentlich seinerzeit nach dem 1. April 1933, nach dem ersten Progrom, wo die SA-Leute vor den Geschäften standen und die Leute hindern wollten, in die jüdischen Geschäfte zu gehen, sich geäußert haben, und Bonhoeffer hat damals ja diese Schrift geschrieben "Die Kirche vor der Judenfrage", darauf komme ich noch zurück. Und ich glaube, daß es immer wieder notwendig ist, daß wir uns als Kirche klarmachen, wo wir versagt haben, wo wir Vergebung brauchen. Alle, Ost und West. Das Beknntnis der Kirche, so sagt Bonhoeffer, geschieht ohne Seitenblick auf die Mitschuldigen, z.B., wenn man an den Historikerstreit denkt, wenn gesagt wird, ja weil eben Stalin auch so schlimm war, darum ist das alles mit den Nazis nicht so schlimm gewesen, das kann uns piepegal sein, was mit Stalin war, Hauptsache, wir wissen, was mit uns gewesen ist. Das Bekenntnis der Schuld geschieht ohne Seitenblick auf die Mitschuldigen, es ist streng exklusiv, indem es alle Schuld auf sich nimmt, wo noch gerechnet und abgewogen wird. Dort tritt die unfruchtbare Moral der Selbstgerechtigkeit an die Stelle des Schuldbekenntnisses angesichts der Gestalt Christi, so in der Ethik. Vielleicht darf ich hier noch auf eine besondere Sache eingehen. Wie ist es nun aber, wenn man diese Schuld vermeiden möchte? War es nicht richtig, daß man wegging aus der DDR, daß man sich den Staub von den Füßen schüttelte und losging? Das ist immer natürlich für viele Leute eine neue Anfechtung gewesen, diese Frage, geradefür solche, die es ernst gemeint haben. Mir war da Bonhoeffers Haltung im Blick auf das letzte Jahr vor dem Kriege in Amerika eine wichtige Sache. Nicht wahr, er war ja eingeladen worden im Sommer 1939 in den USA Vorträge zu halten und Lehrveranstaltungen durchzuführen. Freunde hatten da für ihn gesammelt, so daß er da auf Jahre hinaus hätte existieren können. Bonhoeffer fuhr tatsächlich über den Ozean, aber dann kommt eben diese Zeit, in der er immer deutlicher merkt, er kann nicht fliehen. Er muß wieder zurückkehren. Er schreibt an einen Freund: "Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich einen Fehler gemacht habe, indem ich nach Amerika kam. Ich muß diese schwierige Periode unserer nationalen Geschichte mit den Christen Deutschlands durchleben. Ich werde kein Recht haben an der Wiederherstellung des christlichen Lebens in Deutschland nach dem Kriege mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volke teile." Er hat also die Zwielichtigkeit einer Existenz unter dem NS-Regime vorgezogen einer Eindeutigkeit eines Lebens im Exil. Natürlich ist das etwas anderes, wenn man an Leib und Leben bedroht ist, dann sieht das schon anders aus. Man kann das nicht zum Gesetz machen, aber ich glaube doch, daß man das bedenken muß. Jedenfalls hat er uns Mut gemacht zu bleiben. Mit reiner Weste kommt man aus diesem Dilemma nicht heraus, diesem Dilemma zwischen Weltverachtung und Weltverantwortung. Wir hätten jedenfalls, wenn wir den Weg ins Weite gesucht hätten als Christen, den Christus verlassen, der im Nächsten uns fordert, uns erwartet. Wir wollten Glauben lernen, uns damit der letzten verantwortlichen Frage stellen, nicht wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, so Bonhoeffer, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll. Ich komme zum zweiten Punkt: Kirche für andere. In einer solchen Situation, wie wir sie gehabt haben, ist natürlich die Gefahr der Wagenburg überaus groß. Man kann es auch anders ausdrücken mit Günter Gaus "Die Nische", daß wir eine christliche Subkultur gemacht hätten, die sich nach außen abschottet. Das Bild ist aber so groß, daß man sich darauf ganz schön bewegen kann, ohne daß man darauf dauernd das Gefühl der Beengung haben muß. Manchmal habe ich die Angst gehabt, daß wir uns z.B. zu sehr in Pfarrkonventen, in kirchlichen Gremien wohlgefühlt haben, aber alles andere, was um uns herum war, außer acht gelassen haben. Ich habe vorhin schon angedeutet, daß Christologie und Ekklesiologie für Bonhoeffer aufs Engste zusammengehangen haben. Er hat ja in seiner Dissertation "Sancterum Communio" dieses starke Wort gebraucht "Christus als Gemeinde existierend". Darüber kann man nachdenken und verschiedener Meinung sein, aber zumindestens will er damit ausdrücken, daß der Christus incarnatus etwas Wesentliches zu tun hat mit der sichtbaren Kirche. Diese sichtbare Kirche gehört dem Herrn und niemand anderem. Wir sind schon dankbar dafür, das hat ja die Bekennende Kirche wirklich rausbekommen, daß in Barmen 1 - 3 die Nota dieser sichtbaren Kirche festgelegt worden sind. Sie ist eben kein unsichtbares Geistwesen, die Kirche Christi. Sie ist natürlich ebensowenig eine reine Verwaltungsangelegenheit oder eine reine Institution, die nur aus rechtlichen Fragen besteht. Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist, so Bonhoeffer in seinem Entwurf einer Arbeit. Sie ist nicht dazu da, um sich selbst zu reproduzieren. Nicht schon, indem sie da ist, hat sie einen Sinn, sondern nur, indem sie den Auftrag Christi erfüllt. Wir haben das versucht, so ein bißchen darzustellen. Natürlich, ich kann immer nur sagen, in aller Schwachheit und in Fehlsamkeit. Wir Bischöfe haben es untereinander verabredet, wenn wir mit dem Staat verhandeln - das mußten wir ja sehr häufig - , daß wir dann es niemals tun ohne auch über die Leute zu reden bzw. für die Leute einzutreten, die nicht zur Kirche gehörten, deren Würde und Leben und Ehre wir nun auch mit verantworten wollten. Also, wenn man es mal etwas salopp sagt, eine Lobby zu sein für die, die keine Lobby haben. Das haben wir viel zu schwach gemacht. Das ist mir vollkommen klar, wir haben aber jedenfalls wollen und da kann man sich auch drüber sagen, was ist das, wenn man etwas will und es doch nicht richtig tut. Aber ich glaube schon, wir haben's häufig getan, aber ich denke, man muß das. Mit Mitkämpfern, wie Werner Krusche aus Magdeburg und Johannes Hempel, der jetzt in Ruhestand gegangene, waren wir uns darin ziemlich einig, auch mit Heinrich Radtke in Mecklenburg. Wir sind sehr dankbar gewesen, daß wir eine gute Mannschaft gehabt haben, und wir waren uns schon sehr schön einig, das war viel wert. Die SED wollte uns ja eine Kultschranke setzen, das hat sie natürlich, das wäre für sie garnicht gefährlich gewesen, wenn wir schön in der Kirche uns um religiöse Fragen bemüht hätten und zwar möglichst nur natürlich in der traditionellen Art. Hier ist dann besonders bezeichnend diese sogenannte Veranstaltungsverordnung vom November 1970, in der festgelegt wurde, daß die Kirche nur ohne anzumelden Veranstaltungen haben kann,die in der ganz traditionellen Weise seit hundert Jahren und mehr stattfinden. Aber alles, was moderne Kirchenarbeit ist, also Akademiearbeit, Jugendarbeit, usw., der Kirchentag selbstverständlich, das alles hatte bei der Polizei angemeldet zu werden. Das Anmelden heißt ja noch nicht Erlaubnis, aber es hatte die eine Klausel noch, daß die Polizei Auflagen erteilen konnte. Und damit also dann eine solche Veranstaltung so einschränken konnte, daß es eigentlich keinen Sinn mehr hatte sie durchzuführen. Wir haben lange gekämpft darum, zweieinhalb Jahre, das ging so weit, daß wir gepfändet wurden, das war ja nun eine Verordnung, da konnte man die Leute nicht ins Gefängnis stecken deswegen, aber man konnte sie mit Geldstrafen belegen und natürlich wurden mit Geldstrafen die Pfarrer belegt oder die vorsitzenden Kirchengemeinderäte, die das beschlossen, und das ging dann bis zur Pfändung des Gehalts. Bis dann nach zweieinhalb Jahren der Staat die Sache fallen ließ und die Verordnung so umgestaltete, daß wir dazu ja sagen konnten, zumindest, daß wir es ertragen konnten. Es geht eben nicht, daß die Kirche sich darauf einläßt Kultkirche zu sein. Es kann von ihrem Selbstverständnis aus die orthodoxe Kirche machen, aber bei uns in der reformatorischen Kirche ist es nicht möglich. Wir haben ein prophetisches Amt. Ich sage es lieber als das Wort "Wächteramt", obwohl das natürlich das populärere ist. Bei Wächter kommt mir immer so vor, als ob wir irgendwo da oben hoch sitzen, der Wächter hoch oben auf der Zinne und immer alles vorher sehen, was die anderen noch nicht sehen und alles vorherwarnen können, was die anderen noch nicht sehen. Wir haben manchmal ganz schön hinterher gekuckt statt vorneweg zu sehen. Also prophetisches Amt. Ein prophetisches Amt, daß, wenn man schon sagt, daß jede Gruppe Interessen zu vertreten hat, dann haben wir eigentlich nur diese Interessen Gottes zu vertreten, soweit wir es verstehen. Wir haben, das muß ich Ihnen jetzt sagen, wir haben keine Systemkritik geübt, jedenfalls nicht in den Jahren bis 1980 etwa. Wir haben es nicht gewagt, wir haben es nicht gekonnt, also wir haben es auch nicht gewollt. Wir haben es auch darum nicht gewollt, weil wir tatsächlich noch in den ersten Jahren gemeint haben, wir müßten einem Regime, das versucht Sozialismus zu realisieren, eine Chance geben. Wir haben die Hoffnung gehabt, daß sich daraus etwas entwickeln könnte, was eine wirkliche Alternive zum Kapitalismus wäre. Jedenfalls haben viele das geglaubt, viele auch nicht, so kommt das eben, daß wir an dem Punkt Systemkritik nicht eifrig waren, das hätte natürlich auch alle Gespräche abgeblockt. Das kam dann nachher als deutlich wurde, daß sie also nicht mehr weiter konnten, also angefangen 1980 mit dem Aufstand in Polen, 1985 dann Gorbatschow und danach dann unsere Gruppen.Wir haben uns bemüht, einzelne Vorgänge zu besprechen, anzuprangern, zu verhandeln, so wie das auch diePropheten des alten Bundes gemacht haben, die ja auch sich um einzelne Punkte gekümmert haben. Da kann man jetzt darüber reden und ich gebe ohne Zweifel zu, daß wir da vielleicht ein bißchen klarer hätten sein können. Aber es ging uns als Kirchenleitung um die Gesprächsebene, die wir erhalten wollten, einfach weil wir die Meinung hatten, wir müßten für die Menschen, für die wir verantwortlich sind, also einmal für die kirchlichen Angestellten, für die Pastoren usw.,für die Gemeinden, ja für die Christen und aber auch ein bißchen für die Bürger überhaupt etwas tun, damit sie in Würde leben konnten. Sicher, die Kirchenleitungen versuchten den Gemeinden die Chancen einer Minderheitskirche zu vermitteln. Ich sage, Sie müssen verstehen, das ist keine einfache Situation. Ich selber kann nur von mir sprechen. Ich habe in meiner ersten Gemeinde 1938 oder 39 für sämtliche Kinder, die von der Schule abgingen, Konfirmandenunterricht gehalten. Nicht wohl mit dem Erfolg, daß nun alle Christen wurden, ein paar blieben dann auch zur jungen Gemeinde oder zu ähnlichen Veranstaltungen. Wenn man dann später erlebt, daß statt 60 dann nur noch 6 kommen oder ich hab's gerade in der Zeitung jetzt gelesen, wo eine Sache mit 270 früher war und jetzt kommen eben nur 8 oder 10, dann ist das schon eine harte Geschichte. Dann fragt sich der Pfarrer, wer hat denn nun hier was verkehrt gemacht. War ich der Schuldige, ich habe doch auch nicht anderes gemacht als die anderen, wie immer und so, oder war's die Kirchenleitung, die man natürlich gerne beschuldigt, aber wie dem auch sei, ich glaube, daß man das einfach nun erkennen muß, es ist eine Bewegung im Gange, die jedenfalls nicht dazu führt, daß die Kirchen voller werden. Wir haben nun versucht zu trösten, also wenn ich jetzt sagen soll, was war denn nun eigentlich das Wichtigste in meinem Bischofsamt, würde ich sagen, es wäre, daß man die Leute bekräftigt und tröstet in dieser Verzagtheit, die sich sehr leicht einstellt. Das war mir eigentlich das Wichtigste und ist mir vielleicht hie und da auch gelungen. Es gibt eine ganze Reihe von Pfarrern und auch Gemeindegliedern sonst, die doch getrost ihren Dienst gemacht haben und ihren Weg gegangen sind. Wir haben viel zu wenig dazu getan, also die Chancen einer Minderheitskirche zu wenig aufgenommen. Die Chance war, z.B., ich glaube 1954 war es, daß die Justizministerin Hilde Benjamin uns verbot, Kirchensteuer weiterhin durch die Finanzämter einziehen zu lassen und die staatlichen Lohnsteuerlisten einzusehen. Das bedeutet, daß wir nun jetzt plötzlich hineingeworfen wurden in ein ganz anderes System, in dem wir eben statt Kirchensteuern Kirchenbeiträge erhoben. Wir haben sie erhoben auch gestaffelt, versucht ein einigermaßen gerechtes System zu machen, aber wir waren nicht konsequent genug. Wir haben das nicht mit dem nötigen Fleiß und der nötigen Hingabe gemacht, auch ein bißchen, weil bei uns die Pfarrer, ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, sich ein bißchen genieren mit Geld umzugehen und den Leuten zu sagen, hör' mal zu deinem Glauben gehört aber auch, daß du was bezahlst. Das sind eben Dinge, die uns Protestanten wahrscheinlich schwerer fallen als etwa den Freikirchen, die ja nie in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sind. Wenn also jemand 10%, den Zehnten, einnimmt, wie das die Methodisten und Baptisten gemacht haben, haben sie keine Schwierigkeiten, aber die haben auch manche Ausgaben nicht, die wir hatten, das muß man dazu sagen. Das Geld und Glaube etwas miteinander zu tun haben, das hätten wir etwas sorgfältiger machen müssen und statt nun auf die Freiwilligkeit zu drängen und auf die Verantwortung dafür sich immer wieder zu berufen, haben wir uns verlassen auf die freundliche Hilfe aus dem Westen. Das war bei uns in Berlin-Brandenburg- Sie kennen die Verhältnisse einigermaßen - so, wenn man nicht mehr weiter wußte, etwa beim Kirchbau, da ging man hin zum Bruder Scharf und man kam mit einer Aktentasche voll Geld wieder nach Hause. Das ist nicht schlecht gewesen, aber es ist natürlich alles andere als erzieherisch; alles andere als motivierend zu einer Selbstkirche und das muß ich nun sagen, das haben eigentlich die Landsleute aus Sachsen am besten gemacht, die Dresdener. Die haben sich wirklich Mühe gegeben und die waren so weit, daß sie vor der Wende alle Gelder, die sie aus dem Westen bekamen, verwenden konnten für Zwecke, nicht im Haushalt vorgesehene Zwecke und das ist nun schon allerhand. Und da haben sie bauen können damit und wer weiß was alles, während wir alles munter in den Haushalt hineinsteckten. Da haben wir also einfach versagt. Ja und jetzt zu etwas allgemeineren Dingen.Wir sind unfreiwillig hineingeraten in die Situation, von der Bonhoeffer in seinem Taufbrief im Mai 1944 schreibt: "Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen, im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muß neu geboren werden aus diesem Beten und Tun. Die Gestalt der Kirche hat sich sehr verändert, so sagt er, aber die Umschmelzung ist noch nicht zu Ende und er warnt davor damals vor einer organisatorischen Machtentfaltung, die etwa nach dem Kriege kommt. Er möchte eine Kirche haben mit Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen, d.h. also eine bescheidenere Kirche. Und beim Beten, das ist nun bestimmt nicht so gemeint, daß er nun meint nur im stillen Kämmerlein zu beten, dieser Individualismus, das wäre ja nicht in BonhoeffersSinn, sondern da meint er schon Gottesdienst mit Abendmahl und alles, was dazu gehört. Aber eben, wenn man das Wort Beten dafür benutzt, dann ist das in der bescheidenen Form und im Tun des Gerechten unter den Menschen, ja, das, was dem Menschen gerecht wird, da braucht man garnicht so hintersinnig über Gerechtigkeit zu reden. Dazu gehören auch die Menschenrechte, aber eben was den Menschen gerecht wird. Das soll die Kirche bedenken. Jetzt noch ein letztes kurzes Nachdenken über selbstlose Teilnahme am Ganzen. Minderheit heißt eben nicht Gettoexistenz. Die Versuchung in der DDR war eben, daß sie sich darauf beschränken ließ, wie es der Staat, die Partei gerne wollte. Die Partei soll im Gesichtspunkt Opium des Volkes, d.h., ihr könnt eure Religion betreiben, aber sie bietet ja nur eine Traumwelt an, eine Betäubung der Schmerzen, wie das Opium. D.h. im Grunde genommen ist das Ganze gesellschaftlich wertlos.Wir haben, das muß ich nun also sagen: Eines der wichtigsten Dinge war uns, im Bund der evang. Kirchen, dem Staat und der Partei klar zu machen,daß eben der Glaube etwas Umfassendes ist, daß der Glaube in sich schließt, politische Verantwortung, gesellschaftliche Verantwortung. Wir haben das gelegentlich auch deutlich werden lassen. In dem Gespräch am 6. März 78, als Honecker den Vorstand des Bundes empfing, hat er uns gelobt für unseren Einsatz für Frieden und Völkerversöhnung und Diakonie. Wir haben das als eine Bestätigung unserer Bemühungen gesehen, denn das sind ja beides keine Sachen, die ja nur reine Kultangelegenheiten sind, sondern das sind gesellschaftliche Tätigkeiten. Und das hat er nun immerhin jetzt lobend anerkennen müssen. Wir sollten, so hat Bonhoeffer sich einmal ausgedrückt "an der Weite des Herzens Christi teilnehmen". Nämlich in verantwortlicher Tat, die in Freiheit die Stunde ergreift und sich der Gefahr stellt und in einem echten Mitleiden aus der befreienden Liebe Christi zu allen Leidenden. Er sagt in seinen Gefängnisbriefen, nein, in diesem Essay "Nach 10 Jahren": "Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen". Beispiel, was wir mal in diesem Sinne gemacht haben, wie gesagt, es war wenig genug, aber wir haben's immerhin, unsere Zustimmung zum Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen. Und wir haben damals unsere Zustimmung zu diesem Programm mit einem Begleitbrief versehen, in dem wir das Wort Menschenrechte in die Debatte warfen. Von Menschenrechten zu sprechen war ja tabu, einfach darum, weil man auf diese Weise der DDR und den sozialistischen Regierungen ins Handwerk pfuschte. Sie haben ja heute dieselbe Geschichte mit China, nicht wahr, wenn Herr Kinkel heute nach China fährt, meint er eben auch, er müßte gegen die Mißachtunng der Menschenrechte etwas sagen und das wird dann da übelgenommen. Bei uns war es so, wir haben natürlich nun versuchen müssen, dieses Wort nun doch in die Debatte zu werfen und haben damals gesagt, daß das Antirassismus-Programm ein Modellfall sei für die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte. Das wurde dann noch unterstrichen in Helsinki 1975 in Prinzip 7, das war uns sehr sympatisch, also nicht in dem Korb 3, in dem nun alle möglichen Liberalisierungsdinge stehen, sondern im Prinzip 7 steht, daß die Friedensfrage und die Frage der Menschenrechte unbedingt miteinander verwoben sind. Überhaupt dann die Frage des Friedens gehört zu einer Verpflichtung, die wir gesehen haben, auch wenn die DDR sich als Friedensstaat bezeichnete und die Sowjetunion sowieso und Sozialismus gleich Frieden gesetzt wurde, haben wir doch nicht gemeint, deswegen sagen zu müssen, also dann verzichten wir da drauf. Ich denke da wieder an Bonhoeffer, Fanö 1934, die ökumenische Konferenz, in der er die berühmte Rede hielt, in der das Wort steht: "Friede ist kein Problem, sondern ein mit dem Kommen Christi uns gegebenes Gebot, ver pflichtendes Gebot." Es war nun wichtig, daß wir auf der einen Seite etwas tun für Völkerfrieden und Versöhnung , und wir haben da versucht, speziell mit unseren Nachbarn in Polen und in der Tschechoslowakei einiges in dieser Richtung zu tun, nicht bloß schöne Worte zu machen, wie das die Regierung machte, sondern auch etwas Handgreifliches zu tun , etwa in dem wir uns sehr energisch beteiligten an dem Denkmal des Kindes, dem großen Kinderkrankenhaus in Warschau, aber eben zugleich auch sagten, ihr redet zwar immer von Völkerfrieden, aber in euerm eigenen Land ist von Frieden wenig die Rede bzw. wenig davon Wirklichkeit. Gegen den Militarismus im eigenen Land ging dann eben nachher auch sehr stark die Bürgerbewegung und die Friedensbewegung der Gruppen, aber sie ging eigentlich erst einmal von uns aus. Ich denke noch daran. Ich will nicht immer den Vorwurf auf uns sitzen lassen, wir hätten sozusagen gegen die Gruppen gearbeitet oder die Gruppen hätten sich von uns nicht unterstützt gewußt. Wir haben schon im Jahre 1978,79 ein großes Programm für Friedensarbeit der Kirche entworfen und haben das in die Gemeinden geschickt und haben angeregt, Gruppen zu bilden, die die Friedensaufgabe der Kirche und unsere Friedensaufgabe bedenken. Und das ist dann nach dem NATO-Doppelbeschluß 79 aufgenommen worden und wurde dann ziemlich populär und dann kamen auch viele andere dazu, die vorher nicht in der Friedensarbeit waren, die auch nicht in der Kirche waren. Ich möchte eine Sache hier erwähnen, jetzt am Schluß, die auch mir immer wieder gestellt wird. Wie habt ihr doch damals, so sagt man uns und mir speziell, das Wort gesprochen von der Kirche im Sozialismus? Habt ihr euch damit nicht verkauft, ist damit nicht alles Reden von Freiheit der Kirche hinfällig, wenn ihr jetzt sozusagen den Sozialismus integriert? Nun, ich darf Ihnen vielleicht sagen, woraufhin dieses Wort von Kirche im Sozialismus dann entstanden ist. Ich habe in der Synode von 1970, bei der ersten Synode, die sich um inhaltliche Fragen kümmern konnte, gesagt: "Der Bund wird sich als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft von Kirchen in der sozialistischen Gesellschaft der DDR bewähren müssen." Und bewußt von der sozialistischen Gesellschaft in der DDR gesprochen, weil nämlich sehr leicht im westlichen Ausland und nicht nur im Ausland die Meinung aufkam, hinter dem Eisernen Vorhang ist sowieso bloß Sterben und Vergehen. Da kann es keine Kirche geben. Also selbst mein großer Vorgänger, Otto Dibelius, hat das ja so gesagt. Wir wollten das eben einfach um der Ehre Gottes willen nicht. Was ist das für ein Gott, der sich an den Grenzen einer Weltanschauung aufhalten läßt? Und haben nun das sagen wollen, was ich hier gesagt habe und dann später. Also Zeugnis- und Dienstgemeinschaft, das ist eigentlich ein Wort, das haben wir für unsere ganze Arbeit, für unser ganzes Kirchenwesen, in Anspruch nehmen wollen. Und damit sind wir ziemlich dicht bei Bonhoeffer, denke ich. Das haben wir nicht erfunden. Zeugnis- und Dienstgemeinschaft habe ich jetzt gehört, das stammt überwiegend aus der Mission. Margull hätte das gebraucht, das müßte man noch mal nachprüfen. Aber wir haben es jedenfalls überall zugrunde gelegt und dann hieß es ein Jahr später...1990, als es an die Auflösung des Bundes der Evang. Kirchen ging, hat die damalige Leitung es nochmal auf den Punkt gebracht. Die Kurzformel "Kirche im Sozialismus" war eine Auftragsbestimmung für eine Kirche gemeint, die ihre Freiheit ihrem Auftrag verdankt, Barmen 6, und nicht den Freiräumen, die Staat und Gesellschaft ihr zubilligen. Zwischen Anpassung und Verweigerung hat die Kirche sich um kritische Solidarität bemüht. Ich glaube, damit höre ich jetzt auf und hoffe,
daß wir darüber jetzt noch Zeit haben zu diskutieren. |
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