Horst Opaschowski ist Jahrgang 1941, mehrfacher Großvater und zählt „zu den führenden Zukunftsforschern Europas“ (Buch-Cover). Mit dem gerade erschienenen Buch wendet er sich direkt an die übernächste Generation mit folgender „Message“: Nehmt eure Zukunft in die Hand! Sie geht an „Enkel, Eltern und Großeltern“, dabei möchte er „allen in Erziehung, Bildung und Gesellschaftpolitik Verantwortlichen Orientierung“ geben und daran erinnern, „was sie der nächsten Generation schuldig sind“.

Das geschieht in einer Kombination aus sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnissen, daraus abgeleiteten Ausblicken für die Zukunft und direkten Ratschlägen an die Generation Z., die er auch Generation U30 nennt und durchgehend mit „ihr“, „euer“ und „euch“ anspricht. Das vermittelt den Eindruck von Direktheit, Hinwendung und großväterlicher Ratgebung.
Die Kapitel-Überschriften des knapp 150 Seiten umfassenden Buches tragen diesem Programm der direkten Ansprache Rechnung. Hier einige Beispiele:

  • Seid vorbereitet
  • Wehrt euch
  • Ihr seid die Akteure der Zukunft
  • Macht die Familie zur Konstante eures Lebens
  • Ihr seid nicht zum Alleinsein geboren
  • Ihr dürft auch hilfsbereite Egoisten sein
  • Seid kreativ im Kollektiv
  • Werdet zu neuen Selbstständigen
  • Habt Mut zur digitalen Diät
  • Macht Warenwerte zu wahren Werten

Der appellativ aufmunternde Ton ist unüberhörbar und kann als Gegenstimme zu einer tiefer liegenden Grundstimmung verstanden werden: Laut einer Repräsentativumfrage von 1.000 Personen ab 14 Jahren, die Horst Opaschowski im Mai 2025 leitete, sind 89 Prozent der 14- bis 29-Jährigen überzeugt, dass sich die junge Generation wehren muss, will sie nicht „die Schulden von heute als Steuern von morgen“ erben. Und fast acht von zehn Jugendlichen haben Angst vor Wohlstandsverlusten: In Zukunft werde es schwieriger, „ebenso abgesichert und im Wohlstand zu leben wie die Elterngeneration heute.“

Dem setzt Horst Opaschowski seine Imperative entgegen: Wehrt euch gegen die Schuldenlast, Wohlstand muss neu gedacht werden, zwingt die Politiker zu ernsthaftem Zukunftsdenken, entwickelt Visionen, seid „Krisenprofis“ (S.39), lernt mit Druck umzugehen, seid „Sinnsucher“ und „Lebensoptimierer“ (S. 42). Denn: Ein geduldiges Warten auf den „Problemlöser Staat“ (S. 47) führe nicht weiter, umdenken und nachdenken über einen Lebenssinn, der nicht in erster Linie vom materiellen Wohlstand her definiert wird, ist angebracht. Aber, auch dies wird hinzugefügt: „die radikale Wende zum Weniger wird so schnell nicht stattfinden.“ (S.48)

Und auch deshalb gewinnen die Generationsbeziehungen an Bedeutung! Schon jetzt bewerten die Befragten den Stellenwert der Familie sehr hoch. Opaschowskis Befund und Prognose: Partnerbeziehungen gewinnen an Stabilität, es gibt eine Tendenz zur Vier-Generationen-Familie, allerdings an verschiedenen Orten, sie wird zukünftig an erster Stelle stehen müssen. Denn:

Das Leben mit und auf dem Schuldenberg verändert das Staatsverständnis. Das „Selbsthilfeprinzip bürgert sich ein“, Nachbarschaftshilfe wird wichtiger als institutionelle Hilfeleistungen und „Binnensolidaritäten“ bekommen immer größere Bedeutung. Konkretisiert wird dies am Beispiel von „Helferbörsen“ im Wohnquartier, als Perspektive für die nächsten 20 oder 30 Jahre und auch im Hinblick auf zunehmende Kinderlosigkeit: „Wer keine Partner, keine Kinder und keine Geschwister hat, muss im Alter auf bezahlte Helfer ausweichen.“ Dies aber sei eine „soziale Illusion.“ (S.75)

Eine weitere Tendenz: Die neue Karrieregeneration wähle mehr die Form der „sanften Karriere“, die sich nicht von harten Prinzipien wie Geld und Macht leiten lasse. Dafür seien insbesondere Frauen verantwortlich. Sie haben einen anderen Wertekanon als die Männer (S.89). Die neue Generation werde auch neue Arbeitsformen prägen. Opaschowski unterscheidet und erläutert fünf Kategorien von Arbeit: Spaß-Arbeit, Sinn-Arbeit, Geld-Arbeit, Zeit-Arbeit und Status-Arbeit. Über die Konsequenzen werde sich Wirtschaft und Politik Gedanken machen müssen (S.93).

Und schließlich noch ein Blick auf die digitale Zukunft: Angesichts der digitalen Vereinnahmung des Individuums in Arbeit und Alltag wird „Digitale Diät“ erforderlich sein: Denn das Beziehungsnetz werde zwar vielfältiger, aber das Leben beziehungsärmer. „Der Konkurrenzkampf der Anbieter um die Zeit der Menschen wird härter!“ (S.103) Opaschowskis Appell lautet: Schützt eure Zeit so konsequent wie eure Privatsphäre. Seid auf der Hut vor den „Zeitdieben im Netz“, verteidigt eure Zeit, „seid kritisch und wachsam“, denn wenn es ‚Künstliche Intelligenz“ gibt, dann wird es auch ‚Künstliche Dummheit‘ geben.

Horst Opaschowskis Buch spricht sehr viele Aspekte zukünftiger Lebensformen an und nicht immer ist ganz klar, ob es sich um Forschungsergebnisse, daraus abgeleiteten Prognosen oder wohlgemeinte Ratschläge handelt. Klar ist jedoch: Es geht nicht um eine futuristische Zukunft mit autonom handelnden Robotern, Cyborgs oder Computer-Chips in Gehirnen; es geht um die absehbare, nahe Zukunft, auf die man sich besser vorbereiten und vielleicht auch ein wenig freuen sollte. Opaschowskis Büchlein hilft dabei.

Klaus Dautel

klaus.dautel@zum.de

Horst Opaschowski: Nehmt eure Zukunft in die Hand! Claudius Verlag München 2025, gebunden 20 €