In einem Frageforum wird gefragt: Wie lautet der folgende Satz richtig? 

Die Menschen konnten nicht rausgehen, weil die Straßen überschwommen (oder: überschwemmt) waren?
 
Die Antwort:
überschwemmt kommt von überschwemmen (mit Flüssigkeit, Nachrichten, guten Wünschen im Übermaß versehen)
 
überschwommen kommt von überschwimmen (über etwas schwimmen, z.B. einen See oder den Ärmelkanal) 
 
Kommentar:
Was früher das Sprachgefühl wie selbstverständlich leistete, muss heute umständlich erlernt werden. Denn auch in den Medien gehen die Unterschiede zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Konjugation, starken und schwachen Verben, transitiv und intransitiv, Genitiv und Dativ sowie viele andere inzwischen verloren.
Das geschieht aufgrund einer Entwicklung zur Sprachökonomie (aufgrund des Einflusses des Englischen?). Als Deutschlehrer muss man dagegen halten, weil eine gewisse Einheitlichkeit der Sprache Verständigung erleichtert. Als Linguist darf man es neutral zur Kenntnis nehmen, aber auch begrüßen. Verlust an Differenzierung erleichtert den Spracherwerb. Ein Beispiel sind all die Pidgin-Sprachen.

 

3 Kommentare zu “Sprachentwicklung

  1. Klaus Dautel says:

    hinein und hinaus

    Mein Sprachgefühl sagt mir auch, dass es statt „rausgehen“ eigentlich „hinausgehen“ heißen sollte. Oder ist das zu sehr „old school“?

    Antworten
    1. Walter Böhme says:

      raus? Lieber nit raus?

      Im mündlichen Sprachgebrauch halte ich es da eindeutig mit Morgensterns Hausschnecke, die auf die vielen raus gerade ein einziges naus schafft. Aber die spricht – offenbar zu sehr in Gedanken versunken – schon arg verkürzt und keinesfalls vorbildlich. 

      Gespräch einer Haus-Schnecke mit sich selber

      Soll i aus meim Hause raus? 
      Soll i aus meim Hause nit raus? 
      Einen Schritt raus? 
      Lieber nit raus?
      Hause nit raus –
      Hauseraus
      Hausenitraus
      Hausenaus
      Rauserauserauserause …

      Doch auch Rausschmeißer und Rauswurf bewegen etwas hinaus und kommen nicht heraus. Insofern scheint mir die Unterscheidung, da sie ohnehin schon lange nicht mehr konsequent gehandhabt wird, auch im Schriftdeutsch nicht mehr geboten. Freilich macht sich da die Laxheit des pensionierten Deutschlehrers bemerkbar. Nur wo mein Sprachgefühl sehr deutlich spricht, bin ich versucht, auch außerhalb der Lehrerrolle zu korrigieren. 

      Antworten
  2. Markus Fingerle says:

    Schwäbisch ist die Lösung

    Im Schwäbischen ist die Unterscheidung sehr klar und wird auch nach wie vor angewandt:

    „naus“ bedeutet man befindet sich drinnen und geht hinaus,

    „raus“ bedeutet, man befindet sich bereits draußen und fordert z.B. jemanden auf, auch raus zu kommen.

    Es kommt hier also ganz klar auf den Standpunkt des Sprechers an.

    Dieses Prinzip findet man auch noch bei anderen Audrücken, z.B. „nuff“ (hinauf, also unten stehend), „naa“ (hinab, also oben stehend), „nomm“ (hinüber, weg vom Sprecher), „romm“ (herüber, hin zum Sprecher).

    Daher heißt es im Schwäbischen auch folgerichtig „nausganga“, wenn man nach draußen will. 

    In diesem Sinne:

    „S hot so scheena Schnai dussa, i gang jetz mol naus.“

    (Draußen ist so schöner Schnee, ich geh jetzt mal raus)

     

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert