Weinbau in  Tauberzell

Vorbemerkung

Die folgende Arbeit wurde von Ralf Hahn (Tauberzell) im Rahmen einer Facharbeit im Leistungskurs Erdkunde 1988 am Reichsstadt-Gymnasium Rothenburg erstellt. Vom Text her entspricht die Arbeit der Originalarbeit. Aus urheberrechtlichen Gründen mussten in der Arbeit  wiedergegebene Postkarten durch selbst gemachte Fotos ersetzt bzw. ergänzt werden.  Karten und Diagramme wurden überarbeitet oder ergänzt. Mit Einverständnis von Ralf Hahn wurde die Arbeit im Rahmen der Wettermessungen für das durch die DBU geförderte Projekt www.umweltspione.de online gestellt. (B.Heim)

Inhaltsverzeichnis

l .Einleitung

2. Die Grundvorausetzungen für den Weinbau in Tauberzell

2.1 Die naturräumlichen Gegebenheiten
2.2 Die sozial-historischen Gründe
3. Rebsortensorten im Mittelalter und heute

4. Die Arbeit eines Weinbauern (Hackers)

4.1 Ein Häckerjahr im Mittelalter
4.2 Ein Häckerjahr heute
5. Der Niedergang des Weinbaus

6. Die Weinbergsbereinigung 1984/86

6.1 Die Durchführung der Weinbergsbereinigung
6.2 Die Flurstückverteilllng vor und nach der Weinbergsbereinigung
7. Der Aufschwung des Weinbaus nach der Weinbergsbereinigung

8. Anhang

8.1 Worterklärungen
8.2 Zeittafel zur Ortsgeschichte Tauberzell
8.3 Rebschutz
8.4 Zeitlicher Ablauf der Weinbergsflurbereinigung Tauberzell
8.5 Gemarkungskarte

1. Einleitung
 
Wein wird in Deutschland seit der Zeit der römischen Besatzung angebaut. Die Gebiete an Rhein und Mosel wurden durch die römischen Entwicklungshelfer zu den ältesten Weinanbaugebieten in Deutschland. In Franken hat der Weinbau erst später begonnen. Der Gründervater des fränkischen Weinbaus war Karl der Große. Er schenkte 777 dem Kloster Fulda Weinberge in der Gemarkung Hammelburg zum Zweck, den Weinbau in Franken zu verbreiten.1 Dies gelang auch, denn 1288 wurde in dem Amtsbuch über die Zehntabgaben im Kloster Herrieden der Weinbau in Tauberzell erwähnt, welches ja an der Grenze von Weinfranken liegt. Somit hat Tauberzell eine Weinbautradition von über 700 Jahren. Der Weinbau in Tauberzell war in dieser langen Zeit starken Schwankungen ausgesetzt. In der Zeit bis 1525 herrschte in Tauberzell eine regelrechte Blüte des Weinbaus, denn es wurden nämlich fast alle potentiellen Rebflächen bebaut. Ab 1525 ging der Weinbau bedingt durch die Bauernkriege und später durch den 30-jährigen Krieg stark zurück. Erst ab etwa 1700 erholte sich der Weinbau wieder. Aber schon ein Jahrhundert später ging der Weinbau wieder zurück, bis er, nach einem zwischenzeitlichen Anstieg zwischen den beiden Weltkriegen, 1973 bei einer Fläche von 0,6 ha fast erloschen war. Die Mitte der 80er Jahre beendete Weinbergsbereinigung war der Startschuss für einen Aufschwung des Weinbaus, der bis heute anhält.
2. Die Grundvoraussetzungen für den Weinbau in Tauberzell

2.1 Die naturräumlichen Gegebenheiten
 

Die naturräumlichen Voraussetzungen, die ein Gebiet haben muss, um für den Weinbau tauglich zu sein, werden vom Rebstock vorgegeben. Der Rebstock stellt ganz spezifische Anforderungen an seine Umwelt, die erfüllt werden müssen, um eine reiche und gute Ernte zu ermöglichen. Besonders an das Klima stellt der Rebstock eindeutige Bedingungen. Diese Bedingungen wurden von Vogt/Götz* folgendermaßen festgestellt: 
  • Es ist eine mittlere Jahrestemperatur von mindestens 9 ° C notwendig. 
  • Die mittlere Temperatur des wärmsten Monats soll über 18 ° C liegen, die des kältesten nicht unter 0 ° C. 
  • Die Rebe benötigt 180 frostfreie Tage und 
  • die Summe der mittleren Tagestemperaturen in diesem Zeitraum soll den Wert 2800 erreichen.
  • Für ein gutes Wachstum und eine ausreichende Reife sind mindestens 1300 Sonnenstunde in der Vegetationsperiode nötig. 
  • An die Niederschläge stellt die Rebe nur sehr geringe Ansprüche. Wenn diese richtig verteilt sind, kommt sie mit 450 mm Niederschlag jährlich aus. Dieser sollte möglichst im Winter und im Juli bis Anfang August fallen.4
An den Boden stellt der Rebstock nur sehr geringe Anforderungen. Er gedeiht auch auf sehr schlechten Böden wie z. B Gesteins-, Kies- und Mergelböden. Nur auf Böden mit Staunässe ist kein Anbau möglich, denn dort ist der Rebstock sehr frostanfällig und wird zu schnell krank." Auch gegenüber dem Relief sind die Anforderungen äußerst gering. Der Rebstock gedeiht in Hanglagen bis ca. 75 ° (z. B. Mosel). Ebenso wie in der Ebene (z. B. Italien, Griechenland).

Der Weinort Tauberzell zählt durch seine Höhenlage zum Grenzgebiet des fränkischen Weinbaus.
„Die Talsohle der Tauber fällt von 300 m NN unterhalb Tauberscheckenbach bis auf 289 m NN an der Holdermühle, die Talhöhe pendelt sich zwischen 400 m NN bei der Flurlage „Vogelherd" und 412m NN bei der Gemeindelachen.6 Gerade durch diese Grenzlage ist eine Betrachtung der klimatischen Verhältnisse in Tauberzell nötig, um Aussagen über die Qualität der Lage geben zu können.

  • Die Jahresmitteltemperatur in Tauberzell liegen zwischen 7,5 ° C und 9 ° C. Die höchste Monatsmitteltemperatur liegt im Juli mit 16 ° C bis 17 ° C vor. 
  • Die niedrigste Monatsmitteltemperatur wird im Januar erreicht und liegt zwischen - l ° C und - 2 ° C. Die Zahl der frostfreien Tage liegt im langjährigen Mittel bei 230 Tagen. 
  • Die Summe der Tagesmitteltemperaturen in der frostfreien Zeit beträgt ca. 2800. Die Jahresniederschläge liegen bei 650 bis 750 mm.6
Rein nominell betrachtet, sind die klimatischen Bedingungen nicht ganz erfüllt, um einen Weinbau mit guten Erträgen und guter Qualität zu ermöglichen. 
Die Haupthimmelsrichtung der Lage ist aber Süd bis Süd-West, und die Haupthangneigung liegt zwischen 30 ° bis 50 °. Die Ausrichtung der Lage nach Süden bringt gegenüber einer in der Ebene gelegenen Lage eine etwa 10 % höhere Sonnenstundenzahl pro Jahr.

„Die Lage seines Berghangs in Bezug auf die Einfallsrichtung der Sonnenstrahlen ist außerordentlich günstig. Eine wirkungsvolle Sonneneinstrahlung ist daher gesichert.6
Aufgrund der Besonderheiten von Tauberzell ist ein ökonomisch sinnvoller Weinbau möglich.

2.2 Die sozial-historischen Gründe
 
Die Tatsache, dass der Weinbau im Mittelalter in Tauberzell einen so hohen Stellenwert hatte, lässt sich nicht nur mit den positiven naturräumlichen Gegebenheiten begründen, sondern auch die Lebensverhältnisse und das soziale Umfeld waren für die Tauberzeller ein ebenso wichtiges Entscheidungskriterium für das Betreiben des Weinbaus. 

Zur damaligen Zeit leben die Einwohner von Tauberzell in großer Armut. Die Landwirtschaft brachte wegen des ungünstigen Reliefs und der schlechten Böden in den Hanglagen und  der Hochwassergefahr in der Talsohle gerade genug zum Überleben ein. Die Abgaben, die an den Klosterstift Herrieden gezahlt werden mussten, wogen schwer. Deswegen war der aufkommende Weinbau die große Chance, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Und obwohl der Weinbau einen vielfach höheren Arbeitseinsatz erforderte als der Ackerbau, stieg die bebaute Rebfläche stark an. Der erste urkundliche Vermerk über den Weinbau in Tauberzell ist das Saalbuch des Chorherrenstifts Herrieden von 1288. In den dort eingetragenen Abgaben steht bei Tauberzell:

  • „Item scultetus de Tuberzelle de officio suo dat 6 umas vivi et 2 Ib. hall, et de molendino donetur 2 Ib. hall, si esset cultum.7
    Zu deutsch:
     
  • „Der Schultheiß von Tauberzell gibt von seinem Amt 6 Eimer Wein und 2 Pfund Heller, und von der Mühle würde man 2 Pfund Heller geben, wenn sie gebaut wäre" (d.h die Mühle lag damals wüst).
Schon dort ist ersichtlich, dass die Naturalienabgaben nur noch in Wein erfolgten. Die Obrigkeit, und insbesondere in der Anfangsphase die Klöster Herrieden und Würzburg, förderten den Weinbau, um ihren immensen Weinbedarf zu decken. Dieser hohe Weinbedarf lässt sich dadurch erklären, dass z. B. jedem Mönch pro Tag 1,5 l Wein (mit ca. 4 % Alkohol) zustanden. Schon nach kurzer Zeit war der Wein keine Besonderheit mehr, sondern er wurde auch für die Winzer ein im wahrsten Sinne des Wortes „alltägliches Getränk". Obwohl durch den Weinverkauf hohe Gewinne erzielt werden konnten, änderte sich an der Armut in Tauberzell wenig. Die jeweiligen Herrscher über Tauberzell (siehe Anlage 8.2) kauften keinen Wein, sondern legten den Steuersatz je nach Weinbedarf fest. Und da die Winzer ihre gesamte Aufmerksamkeit dem Weinberg widmen mussten, konnten sie keine weiteren Verdienstquellen erschließen (wie z. B. ein Handwerk, das in der Ruhezeit im Winter hätte ausgeübt werden können). Da auch die Ernteerträge sehr stark variierten, und es auch oft zu völligen Missernten kam, konnten die Winzer in manchen Jahren gerade ihre Steuern begleichen oder mussten sich sogar verschulden.

Gerade durch diese Problematik wurde die Abhängigkeit der Tauberzeller vom Weinbau und dem jeweiligen Herrscher verstärkt. So konnten sich die Winzer nicht von ihren Weinbergen trennen und haben somit zwangsläufig die lange Tauberzeller Weinbautradition begründet.


3. Rebsorten
 

Die Rebsortenvielfalt im Mittelalter war in Tauberzell, wie auch im restlichen Deutschland, sehr gering. Da Franken, und hiermit auch Tauberzell, ein traditionelles Weißweingebiet war, spielte der Rotwein eine nur untergeordnete Rolle. Dies trifft auch heute noch zu.

Zu Beginn des Weinbaus in Tauberzell, der urkundlich bestätigt auf 1288 datiert wird, war nur eine einzige Kulturrebe, der Riesling, bekannt. Der Riesling ist die älteste nördlich der Alpen angebaute Rebsorte. Diese Rebsorte ist weltweit gesehen immer noch die wertvollste und stellt hohe Ansprüche an ihren Standort. Durch die Grenzlage von Tauberzell konnten nur die besten Lagen in der Gemarkung für den Rieslinganbau verwendet werden, um auch in normalen Jahren einen Wein von guter Qualität zu erzielen. Durch die hohen Ansprüche des Rieslings konnte ein Großteil der potentiellen Rebfläche nicht bewirtschaftet werden.

Aber schon Anfang des 14. Jahrhunderts erreichten zwei neue Rebsorten Tauberzell. Zum einen der aus der Wachau stammende Muskateller, der etwa den gleichen Ertrag wie der Riesling hatte, aber bei weitem nicht so hohe Anforderungen an die Lage stellte. Zum anderen der aus dem Balkanraum stammende Junker. Der Junker erzielte sehr hohe Erträge, und auch in schlechten Jahren wurde oft noch eine gute Qualität erreicht. Somit eignete sich der Junker auch für schlechtere Lagen, wie z. B. das Seitental nach Neustett. Eine weitere frühe Rebsorte war der Elbling. Die Herkunft des Elblings ist zwar unbekannt, aber der Rebsortenforscher Bassermann-Jordan vermutet seine Herkunft in  Persien, denn dort ist eine sehr ähnliche Rebsorte heimisch. Der Ertrag des Elblings ist hoch, seine Ansprüche an die Lage gering. Der für den fränkischen Weinbau wichtige Winzer Sebastian Englerth (1804 - 1880) hatte eine Abneigung gegenüber dem Elbling. „Sorten, denen die edle Qualität auch im Zustande der Edelreife mangelte, wurden von ihm grundsätzlich ausgeschieden. Dazu gehörte auch in erster Linie der Elbling, den er jedoch im fränkischen Weinbau nicht auszurotten vermochte. Reine Elblingweinberge wurden sogar noch in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhundert in Franken angelegt. Es war nach Meinung der Häcker eben der Grobriesling, oder kurz der „Grobe" und nicht mehr der Elbling.9

Die bis Ende des 19. Jahrhunderts einzige Rotweinsorte in Tauberzell war der Blaue Hängling. Die in der Fachliteratur Tauberschwarz genannte Rebsorte wird heute zu den aussterbenden Arten gezählt (1986 im Taubertal l ha).

Vor ungefähr 350 Jahren kam es zu einer ersten großen Veränderung des Fränkischen und Tauberzeller Weinbaus. Eine neue Rebsorte, der Silvaner, wurde in Franken heimisch. Der Silvaner war dank seines mittleren bis hohen Ertrags und seiner mittleren Ansprüche an die Lage die ideale Rebe für Tauberzell. Sein Nachteil war das geringe Mostgewicht. Der Silvaner wurde auf Kosten des Elblings und Junkers die dominierende Rebe in Tauberzell. Durch diese Dominanz wurde die Tendenz zum Mischsatz verstärkt. Der Silvanerwein hat einen sehr neutralen Geschmack. Deswegen wurden einzelne Weinberge nicht mit einer Rebsorte bepflanzt (Reinsatz), sondern es wurden mehrere zusammen angebaut. Bei so einem Mischsatz sorgte der Silvaner für die Menge, der Riesling oder der Muskateller für die Qualität.

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende Rebsortenzüchtung führte in Tauberzell zu einer erneuten Veränderung der Rebsorten. Die von Prof. Dr. H. Müller aus dem Kanton Thurgau (Schweiz) 1882 gezüchtete Rebsorte Müller-Thurgau hat den Riesling als Mutter und den Silvaner als Vater. Der Müller-Thurgau hat geringe Ansprüche an die Lage. Die Reife ist mittelfrüh und der Ertrag ist hoch bis sehr hoch. Diese Rebsorte ist heute die häufigste Sorte in Deutschland. 

Eine weitere neue Rebsorte ist der 1929 gezüchtete und nach dem Dichter Justinus Kerner benannte Kerner. Die Ansprüche und der Ertrag des Kerners entsprechen etwa dem des Silvaners. Die beiden Rebsorten Kerner und Müller-Thurgau verdrängten in Tauberzell fast vollständig den Junker und den Silvaner. 

Zusätzlich zu den besseren Anbauvoraussetzungen von Müller-Thurgau und Kerner beschleunigte die Problematik der Reblaus die Verdrängung der alteingesessenen Rebsorten. Nachdem die Reblaus erstmals 1902 in Kitzingen und Sickershausen aufgetaucht war und den Fortbestand des fränkischen Weinbaus bedrohte, wurden nur noch reblausresistente Pfropfreben auf Amerikanerunterlage zugelassen. Mit der Zeit wurden zwar alle Rebsorten reblausresistent, aber die Winzer bevorzugten bei Neupflanzungen verständlicherweise die besseren Sorten.

Bei den Rotweinsorten gab es nur geringe Veränderungen. Der Tauberschwarz verschwand immer mehr, und an seine Stelle trat in Tauberzell der Schwarzriesling, auch Midierrebe genannt. Die Ansprüche an die Lage sind mittel, der Ertrag ist mittelhoch. Wegen seiner durchschnittlichen Qualität ist der Anbauwert des Schwarzrieslings für Tauberzell relativ gering.
Der entscheidende Einschnitt in die Rebsortenchronologie erfolgte 1984 im Zuge der Weinbergsbereinigung. Bei dieser Weinbergsbereinigung wurde fast der gesamte alte Rebsatz gerodet. Die neuentstandene Kulturlage Hasennestle mit 12,3 ha wurde an 22 Winzer verkauft. Dadurch, dass die gesamte Fläche neu angelegt werden musste und der Geschmack der Verbraucher sich geändert hatte, wurden die neuen Weinberge im Reinsatz bepflanzt. Der Müller-Thurgau wurde nun zur wichtigsten Rebsorte. Daneben wurde der Bacchus die Rebsorte mit dem zweithöchsten Flächenanteil. Der Bacchus hat einen mittleren Ertrag und eine hohe Qualität. Dadurch, dass die Sorte frühreif ist, ist ihr Anbauwert für Tauberzell hoch. Der Kerner nimmt nun in den neuen Weinbergen die dritte Position ein. Eine weitere Sorte mit einem aber sehr geringen Flächenanteil ist die Perle. Es sind aber auch jetzt noch Restbestände vom Riesling und Silvaner vorhanden. Der Anteil der Rotweinsorten hat sich etwas erhöht. Die Fläche, die mit Schwarzriesling bebaut wird, hat sich etwas vergrößert. Hinzugekommen ist die Rebsorte Domina. Sie stellt an die Lage etwa die gleichen Anforderungen wie der Müller-Thurgau. Der Ertrag und die Qualität sind hoch, ihr Anbauwert für Tauberzell ist ebenfalls hoch. Aber nicht nur Neuzüchtungen sind nach der Weinbergsbereinigung in Tauberzell heimisch geworden, sondern auch eine sehr alte Rebsorte, der Spätburgunder, wird nun in Tauberzell angebaut. Der Spätburgunder nimmt unter den Rotweinsorten, entsprechend dem Riesling bei den Weißweinsorten, die höchste Qualitätsstufe ein. Er stammt wahrscheinlich aus dem Niltal und ist durch Phönizier und Römer nach Deutschland gekommen und wird hier seit dem 4. Jahrhundert angebaut. Nur der Riesling hat eine längere Anbautradition in Deutschland. Durch seinen hohen Ertrag und seine sehr hohe Qualität ist der Anbauwert hoch. Da der Spätburgunder sehr gute Lagen beansprucht, ist die Fläche in Tauberzell gering.

4. Die Arbeit eines Weinbauern (Häckers)

4.1 Ein Häckerjahr im Mittelalter

Ein Häckerjahr im Mittelalter war durch einen fast ganzjährigen Arbeitseinsatz im Weinberg geprägt. Das Häckerjahr beginnt um St. Gertraud (17.03.) mit dem Hochziehen der erdbedeckten Reben. Danach wurde der Rebstockkopf, der damals noch auf Bodenhöhe lag, von seiner Deckerde befreit und das überflüssige Alt- und Jungholz am Kopf wurde entfernt. Nun musste der Rebschnitt durchgeführt werden, von dem die weitere Entwicklung und der Ertrag des Rebstocks abhingen. Diese Arbeit wurde mit der Schnittheppe durchgeführt. Als nächstes wurde der Kuppelpfahl angebracht, welcher direkt neben dem Rebstock in den Boden geschlagen wurde. Daraufhin erfolgte die erste Bodenbearbeitung, das Hacken genannt, mit dem Karst. Nun wurden um den Weinstock herum, je nach Rebenzahl, drei bis fünf weitere Pfähle geschlagen, an denen die Reben niedergezogen wurden. So entstand ein richtiger „Weinbusch" und nicht wie heutzutage ein in die Höhe gezogener Rebstock. Die zu üppigen Jungtriebe wurden mit Stroh oder Riedgras angebunden, um die nun folgende zweite Bodenbearbeitung mit der gewöhnlichen Haue zu erleichtern. Diese Bodenbearbeitung wird als Brachen bezeichnet. Falls es nun durch hohe Niederschläge zu einer starken Verkrautung kam, musste eine dritte Bodenbearbeitung, die Tribrache, durchgeführt werden. Das nun folgende Kappen war die letzte Arbeit bis zur Weinlese. Nach der Lese wurden die Pfähle herausgezogen und auf Haufen zusammengesetzt. Außerdem wurden nun die traubentragenden Reben bis auf 2,5 cm gekürzt. Dies musste vor dem Wintereinbruch geschehen. Als letzte Arbeit musste der Winzer die Reben auf den Boden drücken, um sie Erde bedecken zu können. Nach dieser Arbeit konnte der Winzer sich um die Kellerwirtschaft kümmern, ehe er im Frühjahr von neuem beginnen musste.
Bildtafel über historischen Weinanbau am Steinweinlehrpfae in Würzburg rechts mit Trockensteinmauer
Detailansicht mit historischer Darstellung des Weinstockes

4.2 Ein Häckerjahr heute

Im modernen Weinbau, wie er in Tauberzell seit der Weinbergsbereinigung betrieben wird, sind mehr Arbeitsschritte nötig als im traditionellen Weinbau. Im modernen Weinbau beginnt das Jahr mit dem Rebschnitt. Dieser Arbeitsgang hat heute eine noch höhere Bedeutung als im Mittelalter. Er sollte zwischen Januar und März durchgeführt werden. Das früher als erstes durchgeführte Abdecken des Rebstocks entfällt, weil nun zwei Köpfe vorhanden sind. Der erste ist die Veredelungsstelle auf Bodenhöhe, aus dem im ersten Jahr der Trieb kommt. Der zweite Kopf befindet sich in 60 cm bis 80 cm Höhe, aus dem nun die Reben gezogen werden, d. h. der Rebstockkopf ist nun ca. 70 cm in die Höhe gezogen worden, weil der untere eigentlich keine Bedeutung mehr hat. Sobald der Boden aufgetaut ist und keine längeren und stärkeren Fröste mehr zu erwarten sind, wird der Boden gedüngt und die erste Bodenbearbeitung durchgeführt. Nun werden die Reben niedergezogen und bogenförmig an dem untersten Draht, einem stabilen Welldraht, angebunden. Das Pfählen wird nicht mehr benötigt, weil diese Aufgabe von den Spanndrähten übernommen wird. Als nächstes wird Mitte April die erste Spritzung, die Winterspritzung, gegen saugende und beißende Insekten durchgeführt. Gegen Ende April folgt nun die zweite Bodenbearbeitung. Nun tritt eine Ruhepause bis zum Ende der Maifröste ein.
Spritzung Anfang Mai mit der Großflächenspritzgerät (links) bzw. bei längerein Zeilen mit der Seilwinde.Beide Bilder vom Steinberg in Würzburg. Die dort früher übliche Flugspritzung vom Hubschrauber aus ist heute nicht mehr erlaubt. 
 

Danach wird eine Reihe von Spritzungen gegen die verschiedensten Schädlinge und Krankheiten durchgeführt (siehe Anlage 8.3). Ende Juni ist nun die dritte Bodenbearbeitung fällig. Bis zur Weinlese werden nun noch verschiedene Laubarbeiten, wie z. B. das Ausbrechen alter verbrauchter Blätter oder das Hineinstecken junger Triebe in den Drahtkasten, durchgeführt. Das Arbeitsjahr im Weinberg endet nach der Weinlese mit dem Zudecken des Veredelungskopfes (Pfropfkopfes), d. h. des unteren Rebstockkopfes. Danach hat der Winzer Zeit, sich um das Ausbauen der Weine, d. h. der Kellerwirtschaft, zu kümmern. Im Mittelalter hatte man einen Jahresarbeitsaufwand von ca. 3000 Stunden pro Hektar. In Tauberzell lag man wegen der schlechten Erreichbarkeit der Weinberge sogar noch etwas über diesem Wert. Der durchschnittliche Ertrag lag bei ca. 50 hl pro ha. In den jetzigen Tauberzeller Weinbergen ist eine Arbeitsleistung von 1000 bis 1200 Stunden pro Jahr nötig, um einen Ertrag von etwa 110 hl pro ha zu erreichen. Dies bedeutet einen Mehrertrag von ca. 50 % bei etwa 60 % weniger Arbeitsaufwand gegenüber der alten Bewirtschaftsweise. Dies ist eindeutig ein Erfolg der modernen Anbaumethoden und der Mechanisierung.

5. Der Niedergang des Weinbaus
 
Der Weinbau in Tauberzell durchlebte in seiner über 700-jährigen Geschichte eine sehr wechselvolle Zu- und Abnahme der Rebfläche. Von der ersten urkundlichen Erwähnung 1288 bis zum Beginn der Bauernkriege 1525 erfuhr Tauberzell eine stetige Steigerung der Rebfläche. Der bisherige Höchststand der Rebfläche wurde 1524 mit 301 Morgen erreicht. Die Wirren der Bauernkriege und die daraus folgenden Repressalien und Steuererhöhungen machten es unmöglich, die Rebfläche weiter zu bewirtschaften. Ab ca. 1600 konnte die Rebflächenstillegung gestoppt werden, und der Weinbau wurde bei einer Fläche von ca. 200 Morgen stabilisiert. Aber schon nach kurzer Zeit änderte sich die Situation dramatisch.

„Schwere Wunden schlug dem fränkischen Weinbau der Dreißigjährige Krieg. Kriegsfolgen und Pest löschten ganze Familien aus. Die Furcht vor den wilden Soldatenhaufen trieb die Landbewohner in den Schutz der mauerbewehrten Märkte und Städte, weg von Acker und Weinberg. Reben und Pfähle verwendeten die Landsknechte als Brennmaterial, Pflanzen und Sträucher der Buschheide ergriffen Besitz vom verödeten Rebland. Der Frieden von 1648, in Franken erst 1650 zur Wirkung gelangt, ermöglichte einen Neubeginn."

Obwohl nach dem Krieg fast sämtliche Weinberge verwildert waren, stieg die bebaute Rebfläche ab 1660 wieder merklich an. Im Jahre 1698 wurden wieder fast 200 Morgen Rebfläche bebaut. Aber ab 1750 setzten wieder Rückschläge im Weinbergsareal ein. Der Konflikt zwischen Häckern und Bauern trat nun deutlich zutage. Die Winzer, die Rebland weiter betreiben wollten, standen der immer stärker werdenden Fraktion der Bauern gegenüber, die das Rebland in Ackerland umwandeln wollten. Besonders in den unteren Hanglagen setzten sich die Ackerbauern durch (siehe Karte). Dieser Prozess wurde nach der 1806 durchgeführten Mediatisierung und Säkulasierung noch beschleunigt.
,,... Baden, Bayern und Württemberg schluckten (Anm.d.Verf.) die kleinen und kleinsten Herrschaften im Tauberland, die natürlich alle ihre Weinlagen und Weinorte hatten, die sie hegten und pflegten und auf die sie stolz waren. Die neuen Landesherren konnten den „Tauberschiller" vernachlässigen, weil sie selbst ihren angestammten Weinbau hatten und weil Neckarland und Rheinpfalz, dank günstigerer natürlicher Grundlagen, einen viel besseren Tropfen kelterten als die Taubertalwinzer..." "

    Da nun die Winzer auch noch die Unterstützung der Obrigkeit verloren hatten, war der Rückgang der Rebfläche nicht mehr aufzuhalten. Die folgenden Beispiele sollen den Rückgang deutlich machen:
     
    • 1775: 181 Morgen (etwa 54 ha)
    • 1853: 71 Tagwerk (etwa 23 ha)
    • 1895: 58 Tagwerk (etwa 19 ha)14


    Die Winzer, die ihren Weinberg verloren hatten, mussten sich als Tagelöhner auf den Gaubauernhöfen oder als Handwerker ihren Lebensunterhalt verdienen. Viele wanderten in Städte aus, um in Fabriken zu arbeiten, oder wagten gar den Sprung in die Neue Welt. Nachdem 1895 die Rebfläche auf 19 ha gesunken war, kam zu der allgemeinen Rezession im Weinbau noch das Auftreten zweier neuer Krankheiten hinzu. Die aus Amerika stammenden Krankheiten Peronospora und Reblaus führten am Anfang des 20. Jahrhunderts zu erheblichen Missernten oder gar zu großflächiger Rodung. So ist die Rebfläche in Tauberzell von 1906 bis 1920 um über 50 % auf unter 10 ha gesunken. Da nun zu befürchten war, dass der Weinbau in Tauberzell vollkommen erlischt, ist auf Initative des Vorstandes des Bezirksamtes Rothenburg, Oberamtmann Ferdinand Schmidt, ein neuer Versuch unternommen worden, die Rebfläche wieder zu vergrößern. Die Stadt Rothenburg subventionierte für die Tauberzeller Winzer Kupfervitriol, das damals beste Mittel gegen Peronospora, und schrieb für jeden Winzer zwei Spritzungen zwingend vor. Diese Maßnahmen zeigten Wirkung, denn bis 1938 stieg die Rebfläche wieder auf über 20 ha an.

    Nach dem 2. Weltkrieg konnte der Rückgang des Tauberzeller Weinbaus nicht mehr gestoppt werden. Der Tauberzeller Weinbau war wegen seiner kleinen Parzellen und der schlechten maschinellen Bearbeitbarkeit (fast alle Weinberge konnten nur zu Fuß über einen schmalen Weg erreicht werden) nicht mehr konkurrenzfähig. So kam es, dass bis 1973 fast alle Weinbergsterassen verödeten und die bewirtschaftete Fläche auf 0,6 ha sank.

Brachliegende ehemalige Weinanbauflächen mit Terrassen, Steinriegeln und Weinbergsmauern


6. Die Weinbergsbereinigung 1984/86

6. l Die Duchführung der Weinbergsbereinigung
 

Die Weinbergsbereinigung war in Tauberzell in die Gesamtflurbereinigung mit einbezogen. Die Gesamtflurbereinigung begann 1976 mit der amtlichen Anordnung und endete 1992. Im Zuge der Flurbereinigung wurde neben der Weinbergsbereinigung auch eine Dorferneuerung und eine Feldflurbereinigung durchgeführt. Die Gesamtkosten betrugen etwa 7.800.000,-- DM , wobei für die Dorferneuerung etwa l .000.000,- DM und für die Feldflurbereinigung ca. 2.500.000,— DM aufgewendet wurden. Der Eigenleistungsanteil bei der Feldflurbereinigung betrug etwa 17 %. Die Weinbergsbereinigung kostete etwa 4.300.000,— DM und war somit der teuerste Teilbereich der Flurbereinigung. Die Winzer hatten hierbei einen Eigenleistungsanteil von ca. 34 % zu tragen. Nachdem alle Finanzierungs- und Zuständigkeitsprobleme gelöst waren, entschied man sich, nur einen Teil der ehemaligen Tauberzeller Rebfläche zu bereinigen(siehe Anlage 8.4). Man einigte sich darauf, nur die „Obere Setz", die jetzige Lage „Hasennestle", zu bereinigen(siehe Anlage 8.5). Der Hauptgrund für diese Entscheidung war, dass das „Hasennestle" die beste Tauberzeller Lage ist. So konnten im Sommer 1983 die Bauarbeiten in der Lage „Hasennestle" beginnen. Im Zuge der Bauarbeiten wurden als erstes die für den fränkischen Weinbau ehemals so charakteristischen Steinriegel, die als Lesesteinhalten verwendet wurden, beseitigt. Der anfallende Aushub wurde zur Aufschüttung eines 5 m bis 8 m hohen Walls an der Hangoberkante entlang der gesamten Neuanlage verwendet. Auf dem Wall wurden etwa 8.000 Bäume und Sträucher gepflanzt, um ein Einfließen von Kaltluft aus dem angrenzenden ebenen Ackerland ins Tal zu verhindern. So wurde einer mikroklimatischen Inversionswetterlage und der daraus folgenden Frostgefahr schon während der Bauphase begegnet. Es wurden auch drei parallele Wirtschaftswege (zwei als obere und untere Begrenzung und einer im mittleren Bereich) angelegt, um die neuen Weinberge mit dem Seilzug oder dem Schmalspurtraktor bearbeiten zu können. Dieses innere Wegesystem wurde durch den Ausbau der „Alten Steige" mit Tauberzell und dem bereits vorhandenen Wegenetz verbunden. Diese infrastrukturellen Maßnahmen stellen den wichtigsten Vorteil der Neuanlage gegenüber den alten Weinbergen dar. So sind die Weinberge nun leicht und schnell, auch mit großen Maschinen zu erreichen. Desweiteren wurden mehrere große Kanäle gebaut, um das anfallende Oberfächenwasser schnell aus den Weinbergen herauszuleiten. So soll sicher gestellt werden, auch bei Starkregen eine Erosion in den Weinbergen und eine Überschwemmung in Tauberzell zu verhindern. Zu diesem Zweck wurden drei große Rückhaltebecken am Fuß der Weinberge angelegt. Diese geben das Wasser gleichmäßig an die Tauber ab. Das eigentliche zukünftige Rebland wurde planiert, um eine spätere maschinelle Bearbeitung zu erleichtern. Um den Umwelt- und Landschaftsschutzbestimmungen gerecht zu werden und einen Ausgleich für den Verlust der ökologisch wertvollen Steinriegel zu gewährleisten, wurde der neue Großweinberg durch zwei breite Steinschüttungen (siehe Anlage 8.4). in drei Teile geteilt. Diese Steinschüttungen sind nun von Hecken und Stauchern bewachsen und bieten für viele Insekten, Vögel und Kleinsäuger Lebensraum. Außerdem übernehmen diese Steinschüttungen noch die Aufgaben von Windschutzhecken und der Wärmespeicherung.

Im Frühjahr 1984 wurden die Weinberge in Eigenregie der neuen Winzer im Stil einer modernen Draht-Erziehung angelegt. Am 29.06.1984 wurde die Weinbergsbereinigung durch das Pflanzen der „letzten Rebe" offiziell abgeschlossen. Mit der Lese des Jungfernweins im Herbst 1986 begann ein neues Kapitel im Tauberzeller Weinbau.13

 
Der bereinigte Großweinberg „Hasennestle" (Teilansicht) - Mit der Maus über das Bild bringt Erklärungen!



6.2 Die Flurstückverteilung vor und nach der Weinbergsbereinigung
 

Die Flurstücksverteilung in den Hanglagen von Tauberzell vor der Weinbergsbereinigung war äußerst kompliziert. Da beim Weinbau in Hanglagen sehr viele Steine anfallen, die weggeschafft werden müssen, haben sich die besonders für den Tauberzeller Weinbau typischen Steinriegel gebildet. Diese Steinriegel beginnen kurz unterhalb der Taloberkante und verlaufen vertikal bis kurz vor der Talsohle. So hat sich auf der sonnenexponierten Talseite die für den trationellen Weinbau charakteristische Streifenflur gebildet. Durch diese mit der Zeit festen Grenzen war eine Parzellenzusammenlegung nahezu unmöglich. Da die Flurstreifen 25 m bis 75 m breit waren und höchstens eine Länge von 200 m hatten, lag die Flurgröße unter 1,5 ha.

Die typische Streifenflur in Tauberzell

Durch das traditonelle Erbrecht bekam jedes Kind einen Anteil am elterlichen Grundbesitz. Die Erben wurden fast nie ausbezahlt, weil eine Winzerfamilie sich dies nicht leisten konnte. Weil die Flurstücke meist zu schmal für eine vertikale Teilung waren, wurden sie horizontal geteilt. So sind auf vielen alten Karten, wie zum Beispiel der Gemarkungskarte von 1828 (erstellt durch das städtische Forstamt Rothenburg) nur die Streifenflur erkennbar. Das Eintragen aller Parzellen war unmöglich, weil es sich oftmals um familieninterne Grundstücksverteilung handelte.

Aus diesen Gründen gab es in Tauberzell 1935 nur noch drei Weinberge mit je über 20 ar. Die meisten Flurstücke hatten eine Fläche von 10 ar bis 20 ar oder sogar noch  geringer. Die Gesamtzahl der Weinbergsparzellen betrug etwa 84. Da auf diesen Kleinstparzellen kein konkurrenzfähiger Weinbau mehr möglich war, war es eine der Hauptaufgaben der Weinbergsbereinigung, die Kleinstparzellen abzuschaffen und durch größere und flexiblere, d. h. besser teilbare und vergrößerbare (also ohne Steinriegel versehene) Parzellen zu ersetzen. Zu diesem Zweck wurde die gesamte Lage „Hasennestle" mit einer Fläche von 12,3 ha als ein Flurstück angesehen. Die Besitzer, falls sie kein Interesse an einem bereinigten Weinberg hatten, wurden im Zuge der Gesamtflurbereinigung mit anderen Flurstücken oder mit Mitteln aus staatlichen Zuschüsse entschädigt. Nachdem so die gesamte Lage Eigentum der Teilnehmergemeinschaft geworden war, und die Weinbergsbereinigung abgeschlossen war, begann somit die Neuverteilung der Weinberge. Die Fläche wurde in 40 unterschiedlich große Parzellen geteilt, wobei die besonders kleinen Stücke immer direkt nebeneinander lagen, um ein späteres Vereinigen möglich zu machen. Von den Kosten der Weinbergsbereinigung wurden die staatlichen Zuschüsse abgezogen. Die Restkosten wurden in einen entsprechenden Quadratmeterpreis umgerechnet, damit die Teilnehmergemeinschaft kostenneutral geblieben ist. Für Interessenten, die bereits vor der Bereinigung ein Flurstück in der Lage besessen hatten, wurde ein günstigerer Quadratmeterpreis in Abhängigkeit der Flächengröße berechnet. Bei der öffentlichen Ausschreibung hatten sich 22 Interessenten gemeldet. Es wurde die gesamte bereinigte Weinbergsfläche an diese 22 Personen abgegeben. Somit wurde eine Duchschnittsgröße von etwa 55 ar erreicht, wobei die Flächen aber zwischen 30 ar und 190 ar liegen. Die Durchschnittsgröße 1935 lag bei 16 ar, 1976 ist die Durchschnittsgröße auf 9 ar gesunken. Da durch die Weinbergsbereinigung wieder eine ökonomisch sinnvolle Durchschnittsgröße erreicht wurde, kann hier von einem Erfolg der Bereinigung gesprochen werden.
 


7. Der Aufschwung des Weinbaus nach der Weinbergsbereinigung
 
Nach der Weinbergsbereinigung waren in Tauberzell nur noch geringe Restbestände der alten Rebstöcke vorhanden. Somit kann ab 1986 von einem Neubeginn des Tauberzeller Weinbaus gesprochen werden. Der Erfolg eines Weinorts hängt größtenteils von der Qualität seiner Weine und dem Bekanntheitsgrad ab. So musste sich der Weinort Tauberzell erst einmal einen „Namen" machen, um einen Erfolg des neuen Weines zu garantieren. Zu diesem Zweck organisierte der Heimat- und Weinbauverein Tauberzell im Juni 1987 ein viertägiges Weinfest. Der damalige Staatssekretär Hans Maurer (Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) konnte als Schirmherr für dieses Ereignis gewonnen werden. Bei diesem Fest kam erstmals der Jungfernwein der neuen Weinberge zum Ausschank. Das Weinfest wurde zu einem großen Erfolg für Tauberzell und den Weinbau. Durch die Flurbereinigung wurde in Tauberzell die Lücke des Radweges „Liebliches Taubertal" von Wertheim bis Rothenburg geschlossen. Durch diesen Radweg ist die Zahl der Tagesgäste in Tauberzell bis 1990 sprunghaft gestiegen. Die Renovierung der Hirtenscheune, die 1985 im Zuge der Dorferneuerung stattgefunden hat, erwies sich als gute Investition. Die Hirtenscheune wurde mit ihrem rustikalen Ambiente zum Anziehungspunkt für Gruppen und Vereine, die gesellige Stunden beim Tauberzeller Wein verbringen wollten.
In den ersten Erntejahren bis 1990 konnten die Tauberzeller Winzer den Weinbedarf bei weitem nicht decken. So musste bei den folgenden Weinfesten hauptsächlich Mainfränkischer Wein ausgeschenkt werden. Dies tat aber der Besucherzahl und dem Weinkonsum keinen Abbruch. Die Tauberzeller Winzer arbeiteten nicht nur auf Menge, sondern versuchten auch einen hohen Qualitätsstandart zu erreichen. Dieser wurde vom Fachpublikum bestätigt, denn der Tauberzeller Wein hat bis 1992 mehrere Gold- und Silbermedaillen des fränkischen Weinbaus gewonnen und auch einige sehr gute OLG-Preise auf Bundesebene.

Durch diesen großen und schnellen Erfolg des Weinbaus wurden auf private Initative wieder viele ehemals gerodete Weinberge neu bepflanzt. Die Neupflanzungen wurden hauptsächlich außerhalb der Lage „Hasennestle" durchgeführt. So entstanden im Gegensatz zum Großweinberg „Hasennestle" wieder viele kleine Weinbergsparzellen (siehe Anlage 8.5).
 

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Aber im Gegensatz zu den traditionellen Weinbergen sind die neuen kleinparzelligen Weinberge dank moderner Anbaumethoden (z. B. Draht-Erziehung) und maschineller Bearbeitbarkeit sehr rentabel. Durch diese kleinen Weinberge hat Tauberzell seinen Charme als fränkisches Häckerdorf zurückgewonnen und seine Attraktivität für Touristen erhöht.
Um der Gefahr zu begegnen, schon nach wenigen Jahren wieder eine heftigen Einbruch zu erleben, haben die Tauberzeller Winzer den Weinabsatz systematisch forciert. Neben dem Weinfest, das mittlerweile schon elf Mal stattgefunden hat, wurde ein Straßen-weinfest, bei dem die meisten Winzer beteiligt sind, initiiert. Dort wird neben dem Haustrunk der Winzerfamilien auch eine Reihe von kulinarischen angeboten. Dieses Straßenweinfest hat auch schon mehrmals stattgefunden und war jedes Mal ein großer Erfolg. Außerdem betreiben einige Winzerfamilien in den Wintermonaten eine „Häckerwirtschaft". Obwohl im Gegensatz zu früher alle Weinberge im Nebenerwerb betrieben werden, ist mit einem Rückgang der Rebfläche nicht zu rechnen. So ist die Tauberzeller Weinbautradition wenigstens bis auf absehbare Zeit gesichert.



8. Anhang

8.1 Worterklärungen

Amerikaneunterlage:

Auf Grund der mangelnden Reblausresistenz der europäischen Edelreben mussten sämtliche Rebbestände durch Pfropfreben mit einer aus Amerika stammenden Wurzel (wegen Resistenz) ersetzt werden.
Bacchus:
Der Bacchus ist eine Kreuzung aus Silvaner und Riesling mit Müller-Thurgau. (Silvaner x Riesling) x Müller-Thurgau. Er ist seit 1972 klassifiziert (für den Anbau zugelassen). Seine Erträge sind hoch und liegen knapp unter denen der Sorte Müller-Thurgau. Die Ansprüche an die Lage sind gering, die Qualität ist hoch.
Brachen:
Zweite Bodenbearbeitung mit der gewöhnlichen Haue. Sie dient zur Unkrautbekämpfung und Bodendurchlüftung.
Domina:
Die Rebsorte Domina ist eine Kreuzung aus Portugieser und Spätburgunder. Sie ist seit 1974 klassifiziert. Die Sorte hat einen hohen Ertrag und liefert eine gute Qualität. Die Ansprüche an die Lage sind mittel.
Draht-Erziehung: 
Bei der Draht-Erziehung werden zwischen Pfählen mehrere Drähte gespannt, an denen die Reben festgebunden werden. Der unterste befindet sich auf einer Höhe von 60 cm bis 80 cm. Dort befindet sich auch der zweite Rebstockkopf. 
Edelreife:
 
Unter dem Zustand der Edelreife versteht man den Zeitpunkt, bei dem die Beere ihren maximalen Zuckergehalt hat. Eine Steigerung des Mostgewichts ist dann nur durch Veringerung des Wasseranteils möglich.
Elbling:
 
Der Ursprung des Elblings liegt wahrscheinlich in Persien. Die Ansprüche des Elblings an die Lage sind gering, der Ertrag ist hoch. Die Qualität ist aber gering bis sehr gering.
Hacken:
 
Erste Bodenbearbeitung zur tiefen scholligen Lockerung des Bodens. Hochziehen. Die Reben werden von ihrer Deckerde befreit, damit es zu keinem Verschimmeln kommt.


Junker:

Die Rebsorte Junker stammt aus dem Balkanraum. Er eignet sich auch für schlechtere (kleine) Lagen. Seine Erträge sind hoch und die Qualität ist überdurchschnittlich.
Kappen:
Geiz- und Gipfeltriebe werden entfernt, um die Belüftung des Weinstocks zu verbessern. Gleichzeitig wird so einer zu starken Beschattung des Bodens vorgebeugt.
Karst:
Ein Karst ist eine zwei- oder dreizinkige Breithacke, die bei der ersten Bodenbearbeitung verwendet wird. Kerner. Der Kerner ist seit 1969 klassifiziert und eine Kreuzung aus Trollinger und
Riesling:
Seine Lageansprüche sind mittel; der Ertrag und die Qualität sind hoch. Kulturrebe: Unter einer Kulturrebe versteht man eine vom Menschen angebaute und verbreitete Rebe. 
Kuppelpfahl:
Der Kuppelpfahl ist der zentrale Pfahl direkt am Rebstock. Er gibt ihm Halt und verhindert so ein Abknicken der Reben.
Lage: 
Eine Lage bezeichnet ein in sich geschlossenes Areal in dem fast alle weinbautechnischen Merkmale gleich sind. 
Mischsatz: 
Beim Mischsatz werden verschiedene Rebsorte in einem Weinberg angebaut und gleichzeitig gelesen. 
Morgen:
Ein Morgen ist ein fränkisches Flächenmaß. Der „kleine Morgen" entspricht etwa 20 ar, der „große Morgen" etwa 30 ar. Hier ist immer der „große Morgen" gemeint. 
Mostgewicht:
 
Das Mostgewicht wird hauptsächlich durch den Zuckergehalt im Traubensaft beeinflusst und ist dem spezifischen Gewicht des Mostes gleichzusetzen. Es gibt an, wieviel Gramm ein Liter Most schwerer ist als ein Liter Wasser. Es wird in Grad Oechsle (° Oe) angegeben und mit dem Refraktometer oder der Mostwage festgestellt.
Müller-Thurgau:
Der Müller-Thurgau ist eine Kreuzung zwischen Riesling und Silvaner. Seine Ansprüche an die Lage sind gering. Der Ertrag und die Qualität der Sorte sind hoch bis sehr hoch. 
Muskateller:
 
Der Muskateller stammt aus der Wachau und hat mittlere bis hohe Ansprüche an die Lage. Sein Ertrag ist gering, seine Qualität aber hoch. Spruchweisheit: „Der Muskateller kommt selten in den Keller und kommt er doch rein, gibt´s ´nen guten Wein."


Niederziehen:

Anbinden der Reben im Frühjahr an den Draht oder früher an die Pfähle. 
Perle:
 
Die Perle ist seit 1968 klassifiziert und eine Kreuzung zwischen Gewürztraminer und Müller-Thurgau. Die Perle stellt mittlere bis geringe Ansprüche an die Lage und bringt eine gute bis mittlere Qualität. 
Peronospora:
Die Peronospora, auch falscher Mehltau genannt, kommt aus Amerika. Diese Schimmelart befällt alle grünen Rebteile und führt zu einem starken Ertragsverlust.
Pfopfrebe: 
 
Eine Propfrebe ist eine veredelte Rebe. Heute wird auf einer Amerikanerunterlage eine europäische Edelrebe aufgepfropft. So kann die Reblaus dem Stock nicht gefährlich werden. 
Qualität:
Die Qualität eines Weines wird hauptsächlich durch das Mostgewicht (Oechsle) und den Säuregehalt bestimmt.
Reblaus:
Die Reblaus saugt von den Wurzeln des Rebstocks. So wird der Rebstock langsam aber sicher zerstört. Eine Bekämpfung der Reblaus ist ohne das Zerstören des Stockes nicht möglich.
Reinsatz:
Es wird nur eine einzige Rebsorte in einem Weinberg angepflanzt.
Riesling:
Der Riesling stellt sehr hohe Ansprüche an die Lage. Er bringt einen mittleren Ertrag und eine außerordentlich hohe Qualität.
Schnittheppe:
Eine Schnittheppe ist ein sichelförmiges, kräftiges Winzermesser. 


Schwarzriesling (Müllerrebe):

Der Schwarzriesling benötigt eine mittlere Lage. Er erreicht bei einem durchschnittlichen Ertrag nur eine mittlere Qualität. Dies liegt hauptsächlich an der zu geringen Säure. 
Silvaner: 
Der Silvaner bevorzugt Lagen mittlerer Güte. Sein Ertrag ist hoch, die Qualität eher gering.
Spätburgunnder: 
 
Die Ansprüche des Spätburgunders an die Lage sind etwas niedriger als die des Rieslings und können als hoch angesehen werden. Der Ertrag ist hoch, die Qualität ebenfalls. 
Tagwerk:
Ein Tagwerk entspricht 33 ar.
Tribrache:
Die Tribrache ist die dritte Bodenbearbeitung und dient der Unkrautvernichtung.
Literaturverzeichnis

1) B. Weisensee, Winzers Freud-Winzers Leid, 1982, S. 6
2) F. Mägerlein, Weinbau in Taubezell, erschienen in „Die Linde" (Beilage zum Fränkischen Anzeiger), Mai 1975, S. 38
3) H. P. Müssig, Determinanten und sozialökonomische Auswirkungen der Weinbergsflurbereinigung in Franken, Würzburg 1981, S. 9f
4) W. Hillebrand, H. Lott, F. Pfaff, Taschenbuch der Rebsorten, 1992, S. 22
5) W. Hillebrand, H. Lott, F. Pfaff, Taschenbuch der Rebsorten, 1992, S. 25
6) F. Mägerlein, Weinbau in Tauberzell, erschienen in „Die Linde", März 1975, S. 19
7) F. X. Buchner, Das älteste Salbuch von Herrieden, Sammelblatt des Historischen Vereins von Eichstätt 29(1914), S. 45
8) F. Mägerlein, Handschrift (unveröffentlicht), 1978
9) Dr. H. Breider, Sebastian Englerth, S. 24
10) Kapitel 4. l nach Befragung von S. Oberfichtner (geb. 1917)
11) F. Mägerlein, Rückgang und Neubeginn, erschienen in „Die Linde", Mai 1975, S. 38
12) F. Mägerlein, Rückgang und Neubeginn, überarbeitet 1978, S. 38
13) Kapitel 6. l nach Befragung von Bgm. Hermann Schneider

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