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Die Vorgänge in der Silvesternacht 2015/16 am Kölner Hauptbahnhof und anderswo wurden rasch willkommen geheißen von denen, die sagen können wollten: „Wir haben es doch schon immer gesagt!“ um daraus politisches Kapital zu schlagen.
Das war zu erwarten. Deshalb habe ich die mediale Begeisterung für die Willkommenskultur für Flüchtlinge nur in den ersten Tagen begrüßt, als ich froh war, dass endlich die Schuld erkannt wurde, die Deutschland durch die Einschränkung des Asylrechts durch Artikel 16a des Grundgesetzes auf sich geladen hatte und die die EU insgesamt aufgrund ihrer Hinderung von Flüchtlingen an der Einreise (Fluchtabwehr) zu verantworten hatte.
Als vergiftet fand ich freilich schon sehr früh das Lob der Willkommenskultur (die ich sehr schätze) durch Politiker, die jahrzehntelang jede Auseinandersetzung mit dem Problem der Integration von Flüchtlingen verweigert hatten. Zu lange schon sah ich die, die sich um Flüchtlinge kümmerten, von Politikern fast aller Richtungen allein gelassen.

Deshalb fand ich das Verschweigen oder Kleinreden von Problemen, die die Aufnahme einer hohen Zahl von Flüchtlingen unweigerlich mit sich bringen musste, hoch problematisch.
Und darum freute es mich, in der ZEIT zu lesen:

„Dieses Nicht-sagen-Wollen enthüllt ein politisch fatales Vorurteil, das viele bei der Polizeiführung und in den Medien, man könnte auch sagen, das erhebliche Teile der Elite über das Volk der Deutschen hegen: dass es nämlich nach wie vor ein gefährliches und gefährdetes Volk ist, dem man bestimmte Wahrheiten über Fremde nur wohldosiert, pädagogisiert und auf Zimmertemperatur abgekühlt verabreichen kann, weil es sonst gleich seine zivilisatorische Contenance verliert und flugs zurückfällt in die Barbarei, die tief in ihm steckt (nicht aber in seinen Eliten, versteht sich).

Es gibt dieses Vorurteil in einer rechten und in einer linken Variante. Erstere möchte den Deutschen möglichst wenige Flüchtlinge zumuten, Letztere möglichst wenige verstörende Tatsachen über Flüchtlinge. Beides wird jedoch nicht gehen, die Million Flüchtlinge werden so bald nicht wieder weggehen, die Zahl der Neuankömmlinge lässt sich auch in diesem Jahr gewiss nicht auf, sagen wir, 200.000 drücken. Andererseits muss eine von oben verordnete Willkommenskultur, die sich vor der Wahrheit und vor der Mehrheit fürchtet, früher oder später scheitern.“ (Bernd Ulrich: „Wer ist der arabische Mann? Wer für Flüchtlinge ist, muss sich auch den Problemen stellen, die sie mitbringen.“ ZEIT online 17.1.2016)

 

Weil bei vielen der Ton bei der Frage „Wer ist der arabische Mann?“ auf arabisch liegt, habe ich mich gefreut, auf folgendes Wort von Hildegard von Bingen zu stoßen: „[…] muss auf den jungen Mann sehr scharf aufgepasst werden […] Vom fünfzigsten Lebensjahr an lässt der Mann von seinem kindlichen, unausgeglichenen Benehmen ab und bekommt einen festen Charakter.“ (in ihrer Schrift über Heilkunst: Causae et curae)

Von der Männerwelt wird diese Einschätzung ungern gesehen worden sein. So ist es kein Wunder, dass Hildegard zwar eine Volksheilige geworden, aber von den kirchlichen Autoritäten nicht als Kirchenlehrerin anerkannt worden ist.
Man braucht nicht allein an die Behandlung der Regensburger Domspatzen durch Kleriker und an einen bekannten FDP-Politiker zu denken, der den Hashtag #aufschrei provozierte, um zu sehen, dass es nicht nur an einem überholten Frauenbild und nicht nur an einem Alter unter fünfzig liegen muss, wenn Männer übergriffig werden. Aber ganz gewiss ist Hildegard von Bingen nicht durch arabische Flüchtlinge zu ihrer Einschätzung gekommen.

Aber natürlich gibt es viele junge Kriminelle in Nordafrika, die sich von der Toleranz europäischer Gesellschaften und der Anonymität in Großstädten eine leichtere Erfüllung ihrer Bedürfnisse versprechen als von der weit restriktiveren Kultur ihrer Herkunftsgesellschaft.

Die Aufgabe, die vor den europäischen Gesellschaften liegt, darf nicht klein geredet werden. Und schon gar nicht dürfen wir die Verantwortung immer auf andere, sei es Nationen oder Berufsgruppen abschieben.
Aber wer politische oder wirtschaftliche Macht hat, hat auch dementsprechend mehr Verantwortung. Und wer sich von mehr Einwanderung hauptsächlich eine Aufweichung des Mindestlohns und allgemein niedrigere Arbeitskosten verspricht, sollte sich vor dem Kleinreden von Problemen und billigem Lob ehrenamtlicher Willkommenskultur in Acht nehmen. Die Aufgabe erfordert den Einsatz aller Kräfte unserer Gesellschaft, wenn wir nicht am Tod von weiteren Zehntausenden von Menschen mitschuldig werden wollen.

 

 

2 Kommentare zu “Wie umgehen mit den Problemen, die mit der Zuwanderung von Flüchtlingen auf uns zukommen?

  1. Günther says:

    Unterbringung von Flüchtlingen

    Es sind jetzt Wohnungsförderungsprogramme im Gespräch, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu gewärleisten. Diese Programme kosten den Steuerzahler sehr viel Geld und können kurzfristig das Problem nicht lösen. Wir haben genügend freien Wohnraum, der nur genutzt werden muss. In kleineren Städten, auf dem Land und insbesondere auch in den neuen Bundesländern. Ein Teil der Flüchtlinge wird sich überhaupt nicht in den Arbeitsprozess integrieren lassen, weil schulische Voraussetzungen fehlen. Teilweise sind die Flüchtlinge nicht oder nur wenige Jahre in die Schule gegangen und das reicht in Deutschland für eine Ausbildung und eine Qualifizierung als Facharbeiter nicht aus. Einfach strukturierte Tätigkeiten gibt es zu wenige in Deutschland. Man braucht keinen Mitarbeiter mehr um den Rasen in der Firma zu mähen, das macht jetzt ein Roboter und so gibt es noch mehr Beispiele bei denen einfache Tätigkeiten durch Maschinen übernommen werden. Also die Flüchtlinge, die keine Chance auf Arbeit haben und die letztendlich auf Dauer von uns zu versorgen sind, die dauerhaft  staatliche Unterstützung benötigen, die müssen nicht in die Ballungsgebiete, denen kann eine Versorgung auf dem Lande zugemutet werden. Es  müssen hierzu nicht noch teure Wohnungen in München, Frankfurt oder Berlin angemietet werden.

    Auch die Flüchtlinge, die eine Perspektive auf Arbeit haben können erst mal die schulischen Voraussetzungen auf dem Lande aneignen und insbesondere die Sprache lernen. Das dauert Jahre. Und auf dem Land lernt sich leichter, da kann man sich besser auf das Wesentliche konzentrieren, als in den Städten wo der Bär steppt.  

     

     

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  2. Walter Böhme says:

    Integration von Flüchtlingen

    In der Tat sind die Chancen, die sich für Gebiete mit abwandernder Bevölkerung durch Zuwanderung ergeben können, dort oft noch nicht zureichend in den Blick gekommen. Dabei könnte man von Sumte (http://fontanefansschnipsel.blogspot.de/2016/02/leben-mit-fluchtlingen-sumte.html) lernen. Aber das Bewusstsein für die Chancen muss erst aufgebaut werden und kann nicht durch Verwaltungsakt befohlen werden.

    Wenn sich die Bevölkerung vor Ort vor den Kopf gestoßen und allein gelassen fühlt, wird Integration nicht gelingen. Dass sie möglich ist, ist vielfältig bewiesen worden. (http://wikis.zum.de/zum/Fl%C3%BCchtlinge#Hilfen_f.C3.BCr_die_Integration_.28keine_klar_abgegrenzte_Rubriken.29)

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