Leitmotive
"Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob. Der war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse. Und er zeugte sieben Söhne und drei Töchter, und er besaß siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen und sehr viel Gesinde, und er war reicher als alle, die im Osten wohnten. (...) Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, kam auch der Satan unter ihnen. Der Herr aber sprach zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. Der Herr sprach zum Satan: Hast du achtgehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse.
Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Meinst du, daß Hiob Gott umsonst fürchtet? Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande. Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was er hat: was gilt´s, er wird dir ins Angesicht absagen.
Der HERR sprach zum Satan: Siehe, alles was er hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht. Da ging der Satan hinaus von dem HERRN.
An dem Tage aber (...) kam ein Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder pflügten und die Eselinnen gingen neben ihnen auf der Weise, da fielen die aus Saba ein und nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts, und ich allein bin entronnen, daß ich dir´s ansagte. Als er noch redete, kam ein anderer und sprach: Feuer Gottes fiel vom Himmel und traf Schafe und Knechte und verzehrte sie, und ich allein bin entronnen, daß ich dir´s ansagte. Als er noch redete, kam einer und sprach ... "
(Lutherbibel Standardausgabe der Deutschen Bibelgesellschaft Stuttgart 1985 S.523)
- Stellen: S. 124-27, 341-2
Kurzkommentar: Die Gemeinsamkeit von Franz und Hiob besteht in dem Unglück, das ihnen widerfährt und in dem Selbstmitleid, dem sich beide nach ihren Schicksalschlägen hingeben:
Hiob verliert seine Familie, Haus und Hof, wird krank, doch er will sich nicht helfen lassen.
Auch Franz lehnt jeden Hilfe von außen ab: Nachdem Lüders ihn betrogen hat, vergräbt er sich in seinem Zimmer und betrinkt sich. Anstatt sich seine Schwäche einzugestehen und damit, so wie Hiob, seine Heilung auszulösen, beharrt Franz weiterhin auf seiner Stärke:
Die Hiobs-Passage endet mit einer Demutsgeste:"... fiel Hiob auf das Gesicht." (S. 127), das Vierte Buch endet mit dem Hochmut (Hybris) Franz': "Wer Franz Biberkopf ist. Der fürchtet sich vor nichts. Ich hab Fäuste."( S.143)
Das Hiobs-Motiv taucht dann auf, wenn Franz im Selbstmitleid versinkt.
Die Hure Babylon
Aus der Offenbarung des Johannes: Das große Babylon ( Kap. 17)
"Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir zeigen das Gericht über die große Hure, die an vielen Wassern sitzt, mit welcher Unzucht getrieben haben die Könige auf Erden; und die da wohnen auf Erden sind trunken geworden von dem Wein ihrer Unzucht.
Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah ein Weib sitzen auf einem scharllachfarbnen Tier (...) und an ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden. Und ich sah das Weib trunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu. Und ich verwunderte mich sehr, da ich das Weib sah."
- Stellen: S.211: Erscheinen der Hure Babylon, Franz gibt sich der Stadt Berlin hin,
342: Die Hure Babylon frohlockt,
400/1: Der Tod vertreibt die Hure Babylon
Kurzkommentar: Im Sechsten Buch tritt die Hure Babylon als neues Leitmotiv auf, als Franz sich nach seiner Operation wieder erholt hat und das Krankenhaus verlässt.
Sie steht für die lasterhafte und verführerische Großstadt Berlin als neuem Babylon.
Babylon ist zum Untergang verurteilt, somit auch Franz, der seine guten Vorsätze über Bord wirft und zum Hehler und Zuhälter wird.
Hans Holbein d.J.: Tod und der Krämer, gedruckt 1538 |
Es ist ein Schnitter der heißt Tod
hat Gewalt vom großen Gott.
Heut wetzt er das Messer,
es schneidet schon viel besser,
bald wird er drein schneiden,
wir müssens erleiden.
(aus: Des Knaben Wunderhorn, A.v.Arnim/C.Brentano)
Kurzkommentar: Der "Sensenmann" ist die Hauptfigur in den "Totentänzen" des 16. Jahrhunderts: Ohne Rücksicht auf weltlichen oder kirchlichen Stand (Kaiser und Bischof), auf Alter, Geschlecht und Schönheit (alte Weiber und junge Mädchen) holt er sich seine Opfer, deren Zeit abgelaufen ist (-> Sense und Stundenglas).
Das Motiv tritt auf im Zusammenhang mit Reinhold, dessen äußere Erscheinung bereits Assoziationen zum Totengerippe nahelegt, und verweist auf dessen Gewaltbereitschaft. Es dient auch als Mittel der Vorausdeutung, es warnt gleichsam vor Reinhold.
Zentrale für Unterrichtsmedien (ZUM e.V.) - (cc) Klaus Dautel
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.