Heinrich Heines „Buch der Lieder“

kutsche

    Lebensgruß

    Eine große Landstraß ist unsre Erd,
    Wir Menschen sind Passagiere;
    Man rennet und man jaget, zu Fuß und zu Pferd,
    Wie Läufer oder Kuriere.

    Man fährt sich vorüber, man nicket, man grüßt
    Mit dem Taschentuch aus der Karosse;
    Man hätte sich gerne geherzt und geküßt,
    Doch jagen von hinnen die Rosse.

    Kaum trafen wir uns auf derselben Station,
    Herzliebster Prinz Alexander,
    Da bläst schon zur Abfahrt der Postillion
    Und bläst uns schon auseinander.

    Dem Bonner Studiengenossen Alexander,
    Prinz von Wittgenstein,
    ins Stammbuch gedichtet (1820),
    Buch der Lieder: Junge Leiden, Romanze Nr. XIX


philister

XXXII

    Philister in Sonntagsröcklein
    Spazieren durch Wald und Flur;
    Sie jauchzen, sie hüpfen wie Böcklein,
    Begrüßen die schöne Natur.

    Betrachten mit blinzelnden Augen,
    Wie alles romantisch blüht;
    Mit langen Ohren saugen
    Sie ein der Spatzen Lied.

    Ich aber verhänge die Fenster
    Des Zimmers mit schwarzem Tuch;
    Es machen mir meine Gespenster
    sogar einen Tagesbesuch.

    Die alte Liebe erscheinet,
    Sie stieg aus dem Totenreich,
    Sie setzt sich zu mir und weinet,
    Und macht das Herz mir weich.

Buch der Lieder, Lyrisches Intermezzo Nr. XXXII


Klaus Dautel, 2001

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Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz Themen-gerecht sein sollte.
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