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Räuberhände

Roman

Finn-Ole Heinrich, btb Verlag (2007), 208 Seiten, ISBN: 978-3442741250

Räuberhände - Cover
"In seinem ersten Roman "Räuberhände" erzählt Finn-Ole Heinrich die Geschichte von Janik und Samuel, ihrer Freundschaft und diesem einen Moment, an dem alles hängt." (www.räuberhände.de) Der Ich-Erzähler (Janik) und sein Freund Samuel reisen nach dem Abitur zusammen nach Istanbul. Samuel wuchs ohne Vater auf, dieser soll aus der Türkei stammen, damals schon verheiratet gewesen sein und Osman heißen. Samuels Mutter hat diese kurze Beziehung aus der Bahn geworfen, sie ist Alkoholikerin geworden, verbringt ihren Tag mit Pennern vor dem Supermarkt. Die Familie des Ich-Erzählers kann demgegenüber gutbürgerlich genannt werden, die Eltern führen eine harmonische Ehe, der Lebensstil ist gediegen. Sie haben Samuel mehr oder weniger bei sich aufgenommen, er isst und übernachtet gelegentlich bei ihnen. Samuel ist - ungeachtet seiner schwierigen Verhältnisse - sehr ordentlich und strebsam und sorgt für seine Mutter.
Aber er hat sich in den Kopf gesetzt, eigentlich ein Türke zu sein und seinen Vater finden zu müssen. Er interessiert sich für die Türkei, die türkische Kultur und Sprache. Und als sie dann zusammen in Istanbul ankommen, identifiziert er sich vorbehaltlos ("unbedingt") mit dieser Stadt, ihren Menschen und Gebräuchen. Er stürzt sich gleichsam hinein und verändert sich. Dies befremdet den Ich-Erzähler zunehmend, er bemerkt, dass Samuel sich von ihm entfernt, die bisher so enge Beziehung ist gefährdet.

Ihre Streifzüge durch Istanbul bringen die beiden weiter auseinander. Es wird immer klarer, dass dieses Istanbul-Abenteuer eigentlich ihre Beziehung retten sollte, denn sie ist belastet, seit Janik an seinem 18. Geburtstag mit Samuels Mutter geschlafen hat. Dies erfährt der Leser stückweise aus mehreren Rückblenden, die in den Istanbul-Erzählstrang eingeschoben werden. Immer wieder versucht Janik in Istanbul mit Samuel darüber zu sprechen, sie sind sich einig, dass es „große Scheiße" war, aber Samuel will keine Klärungsgespräche, er verweigert sich schroff, er scheint diese Wunde in ihrer Beziehung offen halten zu wollen.

Samuel macht einen immer gehetzteren Eindruck und bricht auf der Straße zusammen. Zwei Wochen lang liegt er vom Fieber geschwächt und delirierend im Zimmer und ist nicht ansprechbar. Janik kümmert sich aufopfernd um ihn und pflegt sogar dessen abgenagte Fingerkuppen, denen er die Bezeichnung "Räuberhände" gegeben hat. Samuels Angewohnheit, sich die Fingerkuppen aufzubeißen, ist eine unbewusste Handlung, die eigentlich gar nicht zu dem aufgeräumten und kontrollierten Eindruck passt, den er sonst zu erwecken vermag.

Das gemeinsame Geld geht schließlich zu Ende, es reicht eigentlich nur noch für den Rückflug - eine Entscheidung steht an ... mehr soll hier nicht gesagt werden.

Dieser Roman fällt ganz eindeutig unter die Bezeichnung Adoleszenz-Roman: das bestandene Abitur, die erste große Reise, die Gefährdung einer Jugendfreundschaft durch sexuelle Überforderung, die Ablösung vom Elternhaus (Janik), die Suche nach Identität und Herkunft (Samuel), auch die Sprache der Protagonisten - all dies beschreibt typische nach-pubertäre Entwicklungsaufgaben.
Damit noch nicht genug: Mit den zwei Protagonisten stehen sich zwei soziale Welten schroff gegenüber und mit der Reise nach Istanbul kommen wichtige Aspekte der interkulturellen Begegnung hinzu.

All diese aktuellen Thematiken und altersbezogenen Problemlagen machen den Roman zu einer an- und aufregenden Lektüre - und auch zu einer Fundgrube für einen Deutschunterricht, der nicht mehr Kinder- und Jugendliteratur behandeln und sich noch nicht mit dem Klassiker-Kanon beschäftigen will.

Dieser Roman ist ein beachtliches, aber auch typisches Erstlingswerk: Das zeigt sich - neben der thematischen Vielfalt - auch im ambitionierten Gestaltungswillen: Die Struktur ist komplex, mehrere Zeitebenen und Erzählstränge werden ineinander geschoben, der Fortgang der Handlung wird ständig durch Rückblenden aufgehalten - es scheint, als wollte Finn-Ole Heinrich sich nicht dem Vorwurf des traditionalistisch-linearen Erzählens aussetzen. Nicht-lineares Erzählen kann tatsächlich dem Spannungsaufbau dienen, Spannung entsteht ja durch Vorenthalten von Informationen. Es kann aber auch lästig sein, vor allem wenn die Geschichte spannend ist, aber nicht vorankommen will.

Der Roman hat längst Eingang in den Schulunterricht gefunden, wie auf https://www.räuberhände.de nachzulesen ist, sogar ins Hamburger Abitur (was mich als „Südstaatler“ etwas verwundert), ich habe ihn jedenfalls mit Interesse und gelegentlicher Ungeduld gelesen und betrachte ihn als eine persönliche Entdeckung.

verfasst von Klaus Dautel am 09.02.2017 | 12826-mal gelesen

Fachrichtungen: fächerübergreifend Deutsch Pädagogik


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