Rezensionen auf ZUM-Buch |
![]() Im Spiegel der SpracheWarum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht, dtv (2012), Seiten, ISBN: 9783423347549 ![]() Das Buch »Im Spiegel der Sprache« von Guy Deutscher möchte erklären, »warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht«. Zwar stellt sich im Laufe des Buches heraus, dass die linguistische Forschung zu diesem Thema bisher nur Tendenzen und Hinweise liefern kann und noch weit davon entfernt ist, weitreichende Theorien zu formulieren. Dennoch sind die Einsichten, die Deutscher ermöglicht und vor allem die vielen Beispiele, die er gesammelt hat, sehr erhellend. Am Ende der Lektüre hat man einen historischen Überblick über die Entwicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft und der Anthrophologie rund um dieses Thema bekommen und konnte gleichzeitig ein Verständnis dafür entwickeln, wie weit der Einfluss der Sprache auf die Einteilung und Wahrnehmung der Welt reicht – und wo die Grenzen dieses Einflusses sind. (Die folgende Besprechung bezieht sich auf die englischsprachige Version. Ich kann also nichts über Aspekte der Übersetzung sagen.) Deutscher beginnt mit der Entdeckung des ehemaligen britischen Premierministers und Homer-Liehbabers William Gladstone, dass Homer in seinen Werken für heutige Verhältnisse und im Vergleich zu seiner übrigen poetischen Ausdruckskraft erstaunlich »defizitär« über Farben berichtet. Viele seiner Farbzuweisungen erscheinen aus heutiger Sicht dürftig und nicht nachvollziehbar. So bezeichnet Homer z.B. sowohl das Meer als auch Stiere mit der selben Farbe, die man am ehesten mit dunkelrot oder violett wiedergeben kann. Gladstone zog aus einer Fülle solcher Beispiele den Schluss, dass die Farbwahrnehmung der damaligen Menschen gegenüber unserer noch unterentwickelt war und dass die Menschen daher nur wenige Farbtöne wahrnehmen konnten. Die beschränkten Fähigkeiten der Farbwahrnehmung schien also die Sicht der Welt zu beeinflussen. Deutscher zeigt anschaulich und ausführlich, wie Gladstones These zunächst ignoriert, dann aufgegriffen und ausgeweitete wurde, um später als falsch erkannt zu werden, denn natürlich hat sich in den wenigen Jahrtausenden seit Homer an unserem Auge keine so radikale evolutionäre Entwicklung stattgefunden. | 6097-mal gelesen Fachrichtungen: fächerübergreifend Englisch Französisch Spanisch Griechisch |
Kommentare zu dieser Rezension |
Klaus Dautel schrieb am 11.11.2013: Ich kann mich dem Lob für dieses Buch nur anschließen. Ich habe es auf Englisch gelesen (Through the Language Glass) und zuerst kam mir der Ton etwas zu persönlich und humorig vor, um ernst genommen zu werden (typisch deutsch!?). Dann entdeckte ich das Kapitel „Sex and Syntax“ und den Einstieg in dieses Thema mit Heinrich Heines Gedicht vom Fichtenbaum (der!), welcher von einer Palme (die!) träumt. ER steht im Schnee und friert und SIE steht in der Wüste und dürstet. Schon im Englischen scheitert die Übersetzung und das Verstehen eines solchen Textes an der Gender-Zuordnung der Dinge, die uns die Welt bedeuten. Deutscher ist übrigens kein Deutscher, seine Muttersprache ist Hebräisch, in der die unbelebten Dinge ebenfalls auf undurchschaubare Weise weiblich oder männlich sein können (S. 203). |
Hokey schrieb am 14.11.2013: Danke für die schöne Rezension! Das Buch werde ich mir merken. Grüße Heiko |