Sekundärliteratur |
20. Jahrh. | Deutschland | Drittes Reich | [P|S|M] |
Thomas
Breuer*(22.05.2003): Die Haltung der katholischen Kirche zur Judenverfolgung im Dritten Reich
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Theophil-online - die ökumenische Online-Zeitschrift für ReligionspädagogInnen
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Am
3. Dezember 1939 notierte der katholische Schriftsteller und Philosoph Theodor
Haecker in sein Tagebuch: „Man darf annehmen, daß die Deutschen, bewußt
und unbewußt, alles tun werden, um ungefähr alles, was heute gesprochen,
geschrieben und getan wird, so rasch wie möglich zu vergessen“1.
Lange Zeit schien es so, als sollte sich seine Ahnung erfüllen - nicht zuletzt
im Hinblick auf seine Religionsgemeinschaft. So präsentierte sich die katholische
Kirche den Zeitgenossen nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes als beispiellose
moralische Autorität. Als einzige soziale Großgruppe hatte sie die 12 Jahre
des tausendjährigen Reiches relativ unbeschadet überstanden. Anders als
die evangelische Kirche stand sie nicht im Geruch, allzu sehr mit dem Nationalsozialismus
sympathisiert zu haben. Die Zerschlagung des Dritten Reiches interpretierten
die Kirchenmänner zuvörderst als Niederlage der nationalsozialistischen
Weltanschauung, die katholische Kirche sahen sie als Siegerin im Kampf zwischen
Licht und Finsternis. Mit ihrem übergroßen Selbstbewusstsein bot die Kirche
den Menschen im allgemeinen Chaos der unmittelbaren Nachkriegszeit Orientierung
und Verhaltenssicherheit. Gegenüber den alliierten Siegermächten nahm sie
die Rolle einer Fürsprecherin des deutschen Volkes ein. Indem sie sich selbst
wie die Mehrzahl der dem christlichen Glauben treu gebliebenen Deutschen
von einer Mitverantwortung für die nationalsozialistischen Verbrechen freisprach,
folgte sie nicht nur ihrem Institutioneninteresse, sondern sie nahm zugleich
auch die Deutschen vor der Kollektivschuldthese der Alliierten in Schutz.
So schob z.B. der Münchener Kardinal Faulhaber die Verantwortung für die
„schrecklichen Zustände“ in den Konzentrationslagern „einzelnen
Unmenschen“ zu und machte ganz im Stil späterer Geschichtsrevisionisten
auch bereits eine Gegenrechnung auf, indem er darauf hinwies, es seien
„nicht weniger erschreckende Bilder, wenn man die Leichen der Menschen,
die bei einem Fliegerüberfall der Amerikaner lebendig begraben und in Stücke
zerrissen wurden, in einem Film zusammenfassen könnte“2.
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An
einer kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit bestand in jenen Jahren
bei den deutschen Bischöfen keinerlei Interesse. Als Deutsche übernahmen
sie die Selbstverteidigung gegenüber den Siegern des Krieges, als Kirchenführer
suchten sie die sogenannte Stunde Null als Chance zur Rechristianisierung
der deutschen Gesellschaft und damit zur Wiedergewinnung einer einflussreichen
Position in unserem Lande zu nutzen. Hier und da vorgebrachte Anfragen an
das Verhalten der Kirche in der NS-Zeit konnten dabei nur lästig sein. Der
Freiburger Erzbischof Gröber wischte den Verdacht, die Kirche habe zur Judenverfolgung
nicht deutlich genug Stellung genommen, mit der Bemerkung beiseite, »keiner
von den Bischöfen“ habe je „beweiskräftig“ etwas über die Vorgänge
im Osten erfahren3 . Demgegenüber wusste der Fuldaer Bischof Dietz zu berichten, das
deutsche Volk habe, soweit es christlich war, „ die Ausrottung des Judentums
auf das allerschärfste als ungeheuerlichen Massenmord verurteilt“, diese
aber wegen des bestehenden Terrors nicht zu unterbinden vermocht4
. Die Argumente waren verschieden, das Ergebnis aber jeweils das gleiche:
Verantwortung für die Verbrechen suchten die Bischöfe immer nur bei anderen,
niemals aber bei sich selber. |
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Hatte
man in der Nachkriegszeit mittels solcher selbst ausgestellten Persilscheine
die eigene Soutane weißgewaschen, schickte sich im Jahr 1963 ein protestantischer
Autor namens Rolf Hochhuth an, dieses Kleidungsstück mit einigen kräftigen
Tintenklecksen zu verunreinigen. Sein Stellvertreter-Stück provozierte den
vereinten Aufschrei der deutschen Katholiken und eine öffentliche Diskussion
ungeahnten Ausmaßes. Freilich litt die Debatte merklich unter ihrer personalisierenden
Betrachtungsweise, die das ganze Problem auf die eine Frage zuspitzte, warum
denn nun Papst Pius XII. zur Judenverfolgung geschwiegen habe. Dies war
zwar sehr medienwirksam und beschäftigte sogar den deutschen Bundestag,
lenkte aber von dem zentralen Problem der überindividuell wirksamen Mentalitäten
und Strukturen eher ab. Immerhin trug die Hochhuth-Kontroverse mit dazu
bei, daß die Geschichtswissenschaft dem Thema „Katholische Kirche und Drittes
Reich" verstärkte Aufmerksamkeit widmete. Inzwischen füllt die Literatur
über diese Epoche der Kirchengeschichte bereits ganze Regale; eine monographische
Studie über die Haltung der Kirche zur Judenverfolgung sucht man jedoch
vergeblich5. |
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Solange
eine genauere Bearbeitung dieses Themas aussteht, glaubt man offensichtlich
vielerorts, aufwendige Untersuchungen durch selbstsicher vorgetragene Meinungen
ersetzen zu können. Es sind keineswegs nur Presseorgane wie Augsteins SPIEGEL,
die sich dieser Methode bedienen. Auch der amerikanische Historiker Goldhagen
bleibt für seinen Vorwurf, „gerade an der Haltung der Kirchen“ lasse
sich „sehr deutlich ablesen, wie tief verankert der eliminatorische Antisemitismus
in Deutschland“ gewesen sei, die Belege schuldig7.
Auf der anderen Seite besteht freilich ebenso wenig Anlass dazu, mit dem
katholischen Historiker Rudolf Lill triumphalistisch auszurufen, „daß
die Verantwortung für den Judenmord in erster Linie eine nationalsozialistische,
in zweiter Linie eine deutsche ist, nicht aber eine christliche oder gar
eine katholische!8“. Solche
apologetischen Töne erfreuen sich zwar in Teilen des deutschen Katholizismus
immer noch großer Beliebtheit, haben aber in den letzten Jahren mehr und
mehr einer differenzierten Einsicht in die eigene Schuldgeschichte weichen
müssen. |
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Einem
solchen Interesse sollen auch die folgenden Ausführungen dienen. Ich werde
zunächst einen sehr stark gerafften Überblick über die Haltung der katholischen
Kirche zur nationalsozialistischen Judenverfolgung geben, um sodann etwas
ausführlicher nach den Ursachen für dieses Verhalten zu fragen. |
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1.
DIE FAKTEN - EINE KURZE ÜBERSICHT |
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Der
Anteil der Juden an der deutschen Gesamtbevölkerung war viel niedriger,
als die antisemitische Propaganda von völkischer und nationalsozialistischer
Seite vermuten lassen würde. Im Juni 1933 wurden knapp 500.000 Juden in
Deutschland gezählt; sie stellten damit ganze 0,77 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Wenn man bedenkt, dass zudem seit dem 19. Jhdt. im Zuge eines starken Urbanisierungsprozesses
eine Verlagerung vom Land in einige wenige städtische Zentren stattgefunden
hatte, wird einem klar, dass in weiten Teilen des Landes gar keine Juden
lebten. Es ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass es auch einen 'Antisemitismus
ohne Juden' gab. Insbesondere der Gemeinplatz vom 'zersetzenden' Einfluss
'der Juden' in Kultur und Politik sowie ihrer 'beherrschenden' Stellung
in Wirtschaft und Pressewesen brauchte keine unmittelbare Anschauung. |
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Diese
Vorurteile versuchten sich die Nationalsozialisten zunutze zu machen, als
sie für den 1. April 1933 einen Boykott jüdischer Geschäfte ankündigten.
Daraufhin sprach der Direktor der Deutschen Bank von Berlin, Oskar Wassermann,
bei dem Breslauer Kardinal Bertram, dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz,
vor, um diesen zu einer Intervention bei der Reichsregierung zu bewegen.
Bertram wollte diese Entscheidung nicht alleine verantworten und fragte
bei allen Erzbischöfen an, ob ein solcher Schritt opportun sei. Er selbst,
so fügte er hinzu, sei aus mehreren Gründen dagegen. Erstens handle „es
sich um einen wirtschaftlichen Kampf in einem uns in kirchlicher Hinsicht
nicht nahestehenden Interessenskreise“, zweitens solle sich der Episkopat
auf sein eigenes Arbeitsgebiet beschränken, drittens dürfte der Schritt
keinen Erfolg haben, und viertens könne die sicherlich üble Interpretation,
die eine solche Parteinahme in den weitesten Kreisen finden werde, den Bischöfen
nicht gleichgültig sein. Es kann nicht überraschen, dass nach diesem Votum
ein Protest der Bischöfe unterblieb. Allein der Freiburger Erzbischof Gröber
hatte zu einer Intervention geraten - bezeichnenderweise „mit Rücksicht
auf Schuldlose und Convertierte“ 9.
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Nachdem
der Breslauer Kardinal sich mit seinen Bedenken durchgesetzt hatte, erreichten
den Münchener Erzbischof Faulhaber, der ebenfalls von einer Intervention
abgeraten hatte, mehrere Protestschreiben. Der Berliner Studentenseelsorger
Franziskus Stratmann, der führend im Friedensbund deutscher Katholiken tätig
war und im Laufe des Jahres 1933 emigrierte, teilte Faulhaber bestürzt mit,
dass „selbst Priester [...] ihre antisemitischen Instinkte durch dieses
sündhafte Treiben [sc. die Judenhetze] befriedigt“ fühlten. Dagegen
verlangte er entschiedenes Vorgehen: „Am Opportunismus“, so Stratmann,
„geht das Christentum zugrunde. [...] Man sagt: die Bischöfe haben gegen
die Fürstenenteignung protestiert; warum schweigen sie zu dieser weit schlimmeren
Enteignung?“10 Auch der Priester und Publizist Alois Wurm
beklagte sich bei dem Münchener Kardinal über das Schweigen der Katholiken
zur Hassschürung gegen die Juden. Dies erscheine sehr vielen als katholisches
Versagen11 . Faulhaber gestand in seiner
Antwort zwar ohne weiteres zu, dass das Vorgehen gegen die Juden unchristlich
sei, beschied den Bittsteller aber nichtsdestoweniger, dass es für die kirchlichen
Oberbehörden weit wichtigere Gegenwartsfragen gebe, zu nennen seien hier
der Fortbestand der katholischen Vereine und der Bekenntnisschulen. Im Übrigen
könnten die Juden sich selber helfen, und die Kirche dürfe der Regierung
keinen Grund geben, die „Judenhetze in eine Jesuitenhetze umzubiegen“.
Voller Selbstmitleid teilte der Kardinal schließlich mit: „Ich bekomme
von verschiedenen Seiten die Anfrage, warum die Kirche nichts gegen die
Judenverfolgung tue. Ich bin darüber befremdet; denn bei einer Hetze gegen
die Katholiken oder gegen den Bischof hat kein Mensch gefragt, was man gegen
diese Hetze tun könne. Das ist und bleibt das Geheimnis der Passion“12
. Die Anfragen bei den Bischöfen häuften sich besonders deswegen, weil die
NS-Regierung nur eine Woche nach der Boykott-Aktion das „Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums“ verabschiedete, das per „Arierparagraph“ die Entlassung
von Juden aus dem Staatsdienst ermöglichte. Dass von dieser Maßnahme auch
zum christlichen Glauben konvertierte Juden betroffen waren, fand nun auch
Kardinal Faulhaber besonders ungerecht und schmerzlich. Von den zahlreichen
Bittgesuchen zeigte er sich dennoch genervt. In einem Brief an den Augsburger
Bischof Kumpfmüller machte er seinem Ärger Luft: „Einem geistig hochstehenden,
jüdisch geborenen, jetzt ernsten Katholiken habe ich erklärt, daß bei der
Taufe ausdrücklich gesagt werde, der Glaube nütze zum ewigen Leben und daß
niemand von der Taufe irdische Vorteile erwarten dürfe. Trotzdem geht man
jetzt förmlich mit Mitleid für die getauften Juden hausieren“13 . Immerhin nahm der deutsche Episkopat in seinen programmatischen
Hirtenbrief vom 3. Juni 1933 einen indirekten Protest gegen dieses Gesetz
auf. Die ausschließliche Betonung der Rasse, so mahnten die Bischöfe, führe
zu Ungerechtigkeiten, „die das christliche Gewissen belasten, vor allem,
wenn sie Mitmenschen treffen, die in Christus durch das hl. Sakrament der
Taufe wiedergeboren sind". Deshalb solle der Staat die Einheit
und Geschlossenheit des Volkes, die er dankenswerterweise erstrebe, nicht
durch die „Blutsgleichheit“, sondern durch die „Gesinnungsgleichheit“
seiner Bürger verwirklichen14 . Mit anderen Worten: Die Bischöfe begrüßten die Zerschlagung
der pluralistischen Demokratie von Weimar und votierten für einen autoritären
Staat auf sogenannter christlicher Grundlage. In diesem Staat hätte die
Regierung gegen all diejenigen vorzugehen, die offensiv eine antikirchliche
Einstellung vertraten. Entsprechend zeigten sich die Bischöfe erfreut über
die Ausschaltung von Kommunisten, Freidenkern und Zeugen Jehovas. Auch gegen
die so bezeichneten „Auswüchse des Judentums“ hätte die Regierung
einschreiten dürfen15 ,
nicht aber gegen die Juden als Rasse, insbesondere deshalb, weil davon auch
Katholiken betroffen waren16
. |
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Die
auf dem Verordnungs- und Gesetzeswege erfolgende schrittweise Entrechtung
der Juden beobachteten Bischöfe und Geistliche bis auf wenige Ausnahmen
teilnahmslos. Zu den Nürnberger Gesetzen vom September 1935, mit denen die
Juden zu Bürgern minderen Rechts erklärt sowie Eheschließungen und außereheliche
sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Ariern verboten wurden, erfolgte
keinerlei Verlautbarung der deutschen Bischöfe. Als jedoch im darauffolgenden
Jahr bayerischen Geistlichen die Einreise nach Österreich verweigert wurde,
protestierte der Münchener Generalvikar Buchwieser beim Reichsinnenministerium
gegen diese „Herabsetzung unseres Klerus zu Bürgern 2. Klasse“. Die
Geistlichen seien immer bereit gewesen, „im Dienste der Volksgemeinschaft
ihr Alles einzusetzen“ und müssten „es darum als tiefste Kränkung
auffassen, hier mit Juden und vaterlandslosen Elementen auf eine Stufe gestellt
zu werden“17. |
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Schweigen
herrschte dann wieder, als die Nationalsozialisten im November 1938 die
sogenannte „Reichskristallnacht“ inszenierten. Dass der mutige Berliner
Dompropst Bernhard Lichtenberg, der am Tag nach der Pogromnacht zu einem
Gebetsgottesdienst „für die verfolgten nicht-arischen Christen und für
die Juden“ einlud18,
in diesem Zusammenhang immer wieder und zu Recht als leuchtendes Beispiel
angeführt wird, liegt ja vor allem daran, dass man sonst kaum jemanden nennen
kann. Dennoch weiß man, dass die 'Kristallnacht' bei einem Großteil der
Bevölkerung keineswegs ein positives Echo fand. In den kleinen jüdischen
Landgemeinden Frankens war es in der Regel so, dass die Zerstörungen von
auswärtigen SA-Männern vorgenommen wurden und die christlichen Einwohner
sich überwiegend abseits hielten. Freilich nahmen zumeist auch einige Ortsansässige
an den Ausschreitungen teil. In Demmelsdorf (BA Bamberg, 172 E, 130 K, 42
J) etwa demolierten zunächst die aus Bamberg angereisten SA-Leute die Synagoge
und verbrannten das Inventar. An den Gewalt- und Plünderungsaktionen beteiligten
sich nach dem Abzug der SA-Männer auch Dorfbewohner, wobei ein alter Jude
aus seiner Wohnung gezerrt und geschlagen wurde19
. Im benachbarten Zeckendorf (235 E, 209 K, 4 P, 22 J) waren schon zwei
Jahre zuvor 25 Fenster der Synagoge durch Dorfkinder eingeworfen worden.
Am 10. November 1938 zerstörten fünf ortsfremde Nationalsozialisten die
Inneneinrichtung der Synagoge. Um das Gebäude herum versammelten sich ca.
100 Dorfbewohner, Kinder und Jugendliche warfen wiederum Steine durch die
Fenster20 . Diese Beispiele bestätigen die Einschätzung
des britischen Historikers Ian Kershaw: „Katholizismus bildete keinen
Schutz vor Antisemitismus“21 doch war es zweifellos so, dass sich nur
Minderheiten aktiv an den Zerstörungen und Plünderungen beteiligten22 . Auch die Gendarmerie-Berichte aus dem Bezirksamt
Ebermannstadt mussten einräumen, dass die Mehrzahl der Bevölkerung die Aktion
ablehnte. Ausschlaggebend für diese Haltung war allerdings nicht humanitäres
Empfinden, sondern die Aufregung über die 'sinnlose' Vernichtung von Sachwerten.
Der Bezirksamtsvorstand erläuterte die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung
am 2.12.1938 folgendermaßen: |
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„Die
Auferlegung der Geldbuße23
war vollauf am Platze und es wäre viel besser gewesen, diese Summe in Zusammenhang
mit den nachträglich erlassenen ebenfalls begrüßenswerten Verordnungen über
die Ausschaltung der Juden aus dem Erwerbsleben usw. noch zu erhöhen, als
Sachwerte vernichten zu lassen. Daher werden die Zerstörungen und Plünderungen
abfällig beurteilt, und zwar nicht bloß aus diesem Grunde, sondern auch
deswegen, weil dadurch das Rechtsbewußtsein ins Schwanken geraten ist. Eine
grundsätzlich derart eingestellte Stimmung gibt dann einen geeigneten Nährboden
ab für Gerüchte, daß die Geistlichen und das Kirchenvermögen die nächsten
sein werden, denen es ähnlich ergehen wird wie den Juden [...]“24. |
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Zweierlei
gilt es demnach festzuhalten: Zum einen wurden von der in ihrer Mehrheit
stark kirchlich gebundenen Bevölkerung die Maßnahmen gegen die Juden nicht
grundsätzlich abgelehnt, sondern nur insoweit sie ungesetzlichen Charakter
trugen. Die 'legale' Isolierung und Enteignung der Juden wurde demgegenüber
gutgeheißen. Zum zweiten - und dies ist typisch für die katholische Perspektive
- stellte man das Geschehen sofort in einen Zusammenhang mit dem Kirchenkampf.
Das gleiche geschah in Bamberg, wo die Alumnen des Priesterseminars vom
Seminarturm aus die brennende Synagoge beobachteten und sich fragten: „Heute
brennt die Synagoge. - Wann brennt das Priesterseminar?“25 . Der Bonner
Historiker Konrad Repgen hat darauf aufmerksam gemacht, dass auch von Kölner
Katholiken die Ereignisse der Pogromnacht als Übungskurs für die zukünftigen
Zerstörungen der Kirchen betrachtet wurden. Es ist somit davon auszugehen,
dass es sich hierbei um ein weitverbreitetes Denkmuster handelte. Kurz und
pointiert gesagt, betrachteten die Katholiken die 'Kristallnacht' als Menetekel
und nicht als Ernstfall. |
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In
der Kriegszeit scheint sich die Aufmerksamkeit für das Schicksal der Juden
nicht gerade verstärkt zu haben. Weder die Einführung des Judensterns im
September 1941 noch die im Herbst desselben Jahres beginnenden Deportationen
haben zu einer öffentlichen Beunruhigung geführt. Auch der Episkopat blieb
seiner Linie treu und wahrte Stillschweigen. Selbst zuverlässige Nachrichten
über die Mordaktionen der Einsatzgruppen an Zehntausenden von Juden26
und Hinweise auf die Existenz von Vernichtungslagern vermochten daran wenig
zu ändern. Im Allgemeinen beschränkte sich der Episkopat auf nicht öffentliche
Interventionen zugunsten der 'katholischen Nichtarier'. So könnte im Winter
1942/43 zusammen mit regime-internen Differenzen und dem öffentlichen Protest
von Berliner Frauen in der Rosenstraße auch der entschiedene Einspruch der
deutschen Bischöfe zum Scheitern einer Gesetzesvorlage bezüglich der Zwangsscheidung
rassischer Mischehen beigetragen haben. Ein solches Gesetz hätte auch für
viele Christen die Deportation bedeutet. Zudem ging es für Kardinal Bertram
in diesem Fall nicht zuletzt um die Verletzung des katholischen Sakramentenrechts.
Dagegen erhob er in einem Schreiben an die Regierung „ernsteste Vorstellungen“.
Freilich vergaß er selbst hier nicht hinzuzufügen, es bedürfe „dabei
nicht der Versicherung, daß diese meine Vorstellungen nicht einem Mangel
an Liebe zum Deutschtum, nicht einem Mangel an Gefühl nationaler Würde entspringen,
auch nicht einer Geringschätzung der schädlichen Einflüsse eines Überwucherns
jüdischer Einflüsse gegenüber deutscher Kultur und vaterländischer Interessen“27
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Für
eine öffentliche Kundgebung des Episkopats setzte sich Anfang März 1943
der Hildesheimer Bischof Machens ein, als katholische „Zigeuner“kinder aus
Heimen seiner Diözese abgeholt wurden. In einem Brief an Kardinal Bertram
fragte er sich, was zu tun sei, „um unsere Glaubensbrüder zu schützen“28 . Das Ergebnis dieser Initiative
war der Hirtenbrief über die Zehn Gebote, den der deutsche Episkopat im
August 1943 verabschiedete. Zum 5. Gebot hieß es u.a.: „Tötung ist in
sich schlecht, auch wenn sie angeblich im Interesse des Gemeinwohls verübt
wurde: An schuld- und wehrlosen Geistesschwachen und -kranken, an unheilbar
Siechen und tödlich Verletzten, an erblich Belasteten und lebensuntüchtigen
Neugeborenen, an unschuldigen Geiseln und entwaffneten Kriegs- oder Strafgefangenen,
an Menschen fremder Rassen und Abstammung“29 . Dies war zwar die deutlichste
Anklage gegen die Verletzung der Menschenrechte, die der Gesamtepiskopat
in den 12 Jahren der NS-Herrschaft veröffentlichte, doch wurde sie vom Kirchenvolk
recht teilnahmslos aufgenommen30.
Natürlich lag die geringe Resonanz auch darin begründet, dass die Menschen
in den Kriegsjahren ihre eigenen Sorgen, beispielsweise um ihre Angehörigen
an der Front, hatten. Doch es gab auch Gründe, die im Hirtenwort selbst
lagen. Denn zum einen handelte es sich um einen kleinen Abschnitt aus einem
langen Hirtenwort und zum anderen war die Formulierung doch wenig anschaulich
und konkret. Dass hier u.a. die Ermordung der Juden verurteilt wurde, dürfte
sich nur den allerwenigsten erschlossen haben, zumal die Gläubigen an Proteste
ihrer Bischöfe gegen die Judenverfolgung nicht gerade gewöhnt waren. Abgesehen
davon kam diese Stellungnahme auch zu spät, denn im Spätsommer 1943 waren
die deutschen Juden schon fast restlos deportiert. |
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Nicht
nur in öffentlichen Kundgebungen, sondern auch in schriftlichen Eingaben
an die Regierung wurde bis zuletzt eine klare Sprache vermieden. Zwar wurde
der Episkopatsvorsitzende Bertram nach langem Drängen von Bischof Preysing
und dessen Mitarbeiterin Margarete Sommer am 17. November 1943 endlich in
Berlin vorstellig, doch standen seine Formulierungen in einem „grausig-makabren
Gegensatz“ zu den Realitäten in den Konzentrationslagern31 . In der Eingabe war davon die
Rede, die Lage der inhaftierten Nichtarier sei nicht nur als hart und drückend,
sondern sogar als menschenunwürdig zu bezeichnen und solle daher von der
Regierung einer Prüfung unterzogen werden. Insbesondere aber, so Bertram,
fühlten sich die deutschen Bischöfe verpflichtet, für die Katholiken unter
den Inhaftierten die Forderung zu erheben, „daß ihnen die Wohltat priesterlicher
Seelsorge nicht länger versagt werde". Auch die Lagerleitung werde
davon Nutzen habe, „wenn der tief sittigende Einfluß des sakramentalen
Lebens im Gesamtverhalten der Teilnehmer“ sich auswirke32
. |
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Erst
am 29. Januar 1944 tastete sich Kardinal Bertram näher an die Wirklichkeit
heran, indem er nunmehr von der Gefahr der „Ausmerzung“ sprach. Freilich
hatte er bei diesem Schreiben die ‘Mischlinge’ im Blick, die, wie der Oberhirte
erläuterte, „bekenntnismäßig durchweg Christen“ waren. Angesichts
der Bestrebungen, auch die ‘Halb- und Vierteljuden’ in das Vernichtungswerk
mit einzubeziehen, sah sich der Bischof vor Gott und seinem Gewissen verpflichtet,
seine Stimme zu erheben - denn, so Bertram, „ die deutschen Katholiken,
ja zahlreiche Christen in Deutschland würden aufs schwerste getroffen werden,
wenn diese ihre Mitchristen ein ähnliches Schicksal tragen müßten wie die
Juden“33 . |
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Ich
gestehe, dass ich auch heute noch, nach oftmaliger Lektüre dieser Zitate,
einigermaßen fassungslos vor diesen Äußerungen stehe. Natürlich ist man
geneigt, sich damit zu beruhigen, dass es auch andere Stimmen gegeben hat.
Doch kann das mutige Auftreten des Berliner Dompropstes Bernhard Lichtenberg,
kann die aufopferungsvolle Tätigkeit von Gertrud Luckner (Freiburger Hilfswerk)
und Margarete Sommer (Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin)34
, kann der Einsatz vielfach unbekannter Katholiken, die in den Kriegsjahren
unter Lebensgefahr Juden versteckten, diese wahrhaft empörenden und verstörenden
Äußerungen des höchsten Repräsentanten des deutschen Katholizismus und vieler
seiner Mitbrüder relativieren? Ich meine, das können sie nicht. Diese Menschen
waren Ausnahmen, die als solche benannt werden müssen und deren prophetisches
Potential nicht dadurch paralysiert werden darf, dass man sie als Alibifälle
missbraucht. Theologisch könnte man sagen, dass sie stellvertretend für
die Kirche handelten, repräsentativ aber waren sie nicht. Der jüdische Schriftsteller
Schalom Ben-Chorin sprach in diesem Zusammenhang einmal davon, dass es auch
Gerechte in Sodom gegeben habe. |
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2.
Ursachen |
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Soweit
also in aller Kürze zu den Fakten. Von einer entschiedenen Solidarität mit
den verfolgten Juden kann wahrlich nicht die Rede sein. Wenn überhaupt einmal
ein Einspruch erfolgte, dann war er doch sehr verhalten und hatte in der
Regel nur die 'katholischen Nichtarier' im Blick. Auch für den niederen
Klerus läßt sich Ähnliches feststellen: Von den zahlreichen staatlichen
Zwangsmaßnahmen gegen katholische Geistliche erfolgten ganze 0,9% wegen
Judenbegünstigung35 . |
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Für
dieses Versagen gegenüber den Juden möchte ich drei Ursachen namhaft machen:
1. das Fortwirken des traditionellen kirchlichen Antjudaismus; 2. die Furcht
vor Repressalien und 3. das vorkonziliare Selbstverständnis der Kirche. |
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2.1.
ANTIJUDAISMUS |
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Im
April 1933 kam es zu einem Gespräch zwischen Hitler und dem Osnabrücker
Bischof Berning, in dessen Verlauf sich der Reichskanzler für seine Judenfeindschaft
ausdrücklich auf den christlichen Antijudaismus berief. Er teilte dem Kirchenmann
mit, dass er dem Christentum den größten Dienst erweise, wenn er diese Schädlinge
zurückdränge. Interessanterweise verzeichnet das kirchliche Protokoll keinen
Widerspruch von Seiten des Bischofs36
. |
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Nun
war der nationalsozialistische Rassenantisemitismus sicherlich nicht identisch
mit dem alten religiösen Antijudaismus. Man kann diese beiden Spielarten
der Judenfeindschaft aber auch nicht so fein säuberlich trennen, wie dies
bisweilen in der Literatur versucht wird. Wenn etwa der katholische Historiker
Konrad Repgen den christlichen Antijudaismus für belanglos im Hinblick auf
die Haltung der Kirche zur Judenverfolgung im Dritten Reich erklärt, weil
dieser im Kern auf einem „theologischen Dissens“ beruhe, „der
für geistige Auseinandersetzung und religiöse Entscheidung prinzipiell offen“
sei37 , so handelt es sich
hier um eine offensichtliche Verharmlosung. Denn rein religiöser und rein
geistiger Natur war die christliche Judenfeindschaft zu keiner Zeit. |
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Will
man Aufschluss über die grundsätzliche Haltung der katholischen Kirche zu
Judentum und Antisemitismus in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
erhalten, so bietet es sich an, zunächst einmal einen Blick in damals gebräuchliche
Lexika zu werfen. Im seinerzeit wohl bekanntesten katholischen Konversationslexikon
„Der große Herder. Nachschlagewerk für Wissen und Leben“ (4., völlig neubearbeitete
Aufl. 1931) wurde der katholische Leser folgendermaßen instruiert: |
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„Der
Antisemitismus ist vom christlichen Standpunkt aus abzulehnen, wenn er die
Juden um ihrer Blutfremdheit willen bekämpft oder sich im Kampfe gegen sie
unchristlicher Mittel bedient. Die katholische Kirche hat darum von jeher
den Antisemitismus als solchen verworfen. [...] Erlaubt ist die Abwehr des
tatsächlich-schädlichen Einflusses liberal-jüdischer Kreise auf geistigem
(Literatur, Presse, Kunst, Theater usw.) und politisch-wirtschaftlichem
Gebiet mit rechtlichen und sittlichen Mitteln, am besten durch eigene, positive
Leistungen.“38 |
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Auch
in dem vom Regensburger Bischof Buchberger herausgegeben „Lexikon für Theologie
und Kirche“ finden wir antijudaistische Stereotype. In dem 1933 erschienenen
5. Band dieses Standardwerks heißt es in einem Artikel über die Geschichte
der Juden: „Seit ihrer Emanzipation sind die Juden zu einer politisch-sozialen
Macht geworden; sie traten bald an die Spitze des Großkapitals und nützten
ihre Vorherrschaft vielfach rücksichtslos aus. Dazu tritt der schlimme Einfluß
vieler ihrer Literaten, die auch vor der christlichen Religion nicht halt
machen, vor allem aber die beherrschende Stellung der Juden im Handel, in
der Presse, vielfach auch in der Politik, und der große Einfluß auf das
Theater, wodurch der libertinistische und revolutionäre Teil des Judentums
zersetzend auf Religiosität und Volkscharakter einwirkt". Im
gleichen Artikel werden die Juden als „die tüchtigsten Werkzeuge der
von Lenin aufgerichteten bolschewistischen Herrschaft" bezeichnet39 . |
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Im
1930 erschienenen 1. Band dieses Lexikons findet sich ein Faszikel „Antisemitismus“
aus der Feder Gustav Gundlachs (1892-1963), eines Jesuiten, der acht Jahre
später zusammen mit einem französischen und einem amerikanischen Mitbruder
den Entwurf für die nicht veröffentlichte Antirassismus-Enzyklika Pius XI.
erarbeitete. Gundlach unterschied „eine völkisch u[nd] rassenpolitisch
eingestellte von einer staatspolitisch eingestellten Richtung des A[ntisemitismus]“.
Die erste Richtung sei „unchristlich, weil es gegen die Nächstenliebe“
sei, „Menschen allein wegen der Andersartigkeit ihres Volkstums [...]
zu bekämpfen“, die zweite Richtung hingegen „erlaubt, sobald sie
tatsächlich-schädlichen Einfluß des jüd[ischen] Volksteils [...] mit sittl[ichen]
u[nd] rechtl[ichen] Mitteln“ bekämpfe40.
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Unerlaubt
war der Antisemitismus also nur, insoweit er auf dem biologistischen und
sozialdarwinistischen Rasseglauben beruhte. Der katholisch als vertretbar
angesehene Antisemitismus aber war weit mehr als ein rein religiöses Phänomen;
er hatte auch soziale, wirtschaftliche und politische Dimensionen41 . |
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Ganz
im Einklang mit diesem Denken erläuterte Erzbischof Faulhaber in einem Brief
an Kardinal Bertram am 23.10.1936 den Unterschied zwischen der nationalsozialistischen
und der katholischen Auffassung wie folgt: „Der Staat hat das Recht,
gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen, im besonderen
wenn die Juden als Bolschewisten und Kommunisten die staatliche Ordnung
gefährden. Für jene Juden aber, die zur katholischen Kirche übertreten,
wobei die reine Absicht der Konversion von kirchlicher Seite immer strenge
geprüft wird, kann der Staat die beruhigende Sicherheit haben, daß es sich
nicht um Kommunisten oder Bolschewisten handelt. Die nationalsozialistische
Weltanschauung verfolgt nach ihrem blut- und rassenmäßigen Grundsatz >Jude
bleibt Jude< den getauften Juden in der gleichen Weise wie den ungetauften.
Für die Weltanschauung der Bischöfe ist der frühere Jude nach dem Pauluswort
2 Cor 5,17 durch die Taufe ein >neues Geschöpf<, ein wirkliches Kind
der Kirche Gottes geworden. [...] Damit hat der getaufte Jude ein Recht
erworben, von den kirchlichen Stellen als Christ und nicht mehr als Jude
behandelt und wenigstens nicht an die antisemitischen Feinde ausgeliefert
zu werden“42 . Ich möchte
betonen, dass diese Ausführungen einem kircheninternen Schreiben entnommen
sind. Wir dürfen also davon ausgehen, dass sie die tatsächlichen Ansichten
des Münchener Kardinals wiedergeben. Und diesen Anschauungen gemäß war nicht
jegliche Judenverfolgung zu verwerfen, sondern nur diejenige, die undifferenziert
alle 'Rassejuden' betraf und somit auch Katholiken einschloss. |
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Auch
Faulhabers berühmte Adventspredigten vom Dezember 1933 waren alles andere
als eine „Brandmarkung der Judenverfolgung"43 . Die Ansprachen des Münchener Kardinals, der
übrigens vor seiner Bischofsernennung Professor für atl. Exegese gewesen
war, richteten sich eindeutig gegen die von den Deutschen Christen, einer
protestantischen Gruppierung, und von NS-Ideologen wie Alfred Rosenberg
vorgebrachten Angriffe gegen das Alte Testament, nicht aber gegen die aktuelle
Judenverfolgung. In seiner ersten Adventspredigt stellte der Kardinal einleitend
fest, die Rassenforschung sei „an sich eine religiös-neutrale Sache“,
wenn sie jedoch zum Kampf gegen die Religion sammle und die Grundlagen
des Christentums erschüttere, dann dürfe der Bischof nicht schweigen.
„Um jedes Mißverständnis auszuschließen“, erklärte Faulhaber, dass
er sich nur mit dem Israel der biblischen Vorzeit befassen werde, denn mit
der Kreuzigung des Heilands habe das Volk der Juden von Gott den Scheidebrief
erhalten, und seitdem wandere der „ewige Ahasver“ ruhelos über die
Erde. Das Christentum aber dürfe nicht wegen seiner ursprünglichen Beziehung
zum vorchristlichen Judentum verdammt, und die Abneigung gegen die Juden
von heute dürfe nicht auf die hl. Bücher des Alten Testaments übertragen
werden44 . - Wenn der Münchener
Erzbischof trotz dieser unzweideutigen Worte in den Ruf eines Verteidigers
der Juden geriet, so zeugt dies von der Erwartungshaltung vieler Menschen,
nicht aber von den Intentionen des Predigers. Die letzten Zweifel an seiner
Haltung zerstreute Faulhaber im Sommer 1934, als er sogar auf Flugblättern
verbreiten ließ, er habe in seinen Adventspredigten „das altbiblische
Schriftentum Israels verteidigt, nicht aber zur Judenfrage von heute Stellung
genommen“45 . |
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Der
am weitesten verbreitete antijudaistische Topos war wohl die Anklage der
Juden als Gottesmörder. Auch hierfür sei ein Beispiel angeführt. Ein halbes
Jahr vor dem Beginn der Deportationen, am Karfreitag des Jahres 1941, hielt
Erzbischof Gröber eine scheinbar bibelnahe Predigt, in der er Christi Leiden
nachspürte. Ich zitiere einige Ausschnitte: „Als treibende Kraft stand
hinter der jüdischen gesetzlichen Macht die abstoßende Heuchelei und böswillige
Heimtücke der Pharisäer. Sie entpuppten sich immer mehr als Christi Erz-
und Todfeinde, [...] ihre Augen waren durch ihre Voreingenommenheit verbunden
und verblendet von ihrer jüdischen Weltherrschaftsgier“. Zum „Volk“,
d.h. der „wankelmütigen Judenmenge“, sagt der Erzbischof:
„Der pharisäische Geheimdienst hatte durch Lügen und Verleumdung das Tier
in ihm geweckt, und sie lechzten nach schauerlichem Nervenkitzel und Blut“.
- Zu Judas: „Dieser unsägliche Wicht [...] sitzt heuchlerisch beim
Abendmahl [...], worauf der Satan in ihn fuhr [...] und ihn an die Spitze
der bereitstehenden Judasknechte stellte. [...] Echt jüdisch feilschte Judas
mit den Hohepriestern. [...] Er [Christus] wird verraten mit dem
Zeichen der überschäumenden Liebe, mit einem schmatzenden Kuß der schmutzigen
Judaslippen“. - Schließlich zur 'Ecce-Homo'-Szene: „Alles Mitgefühl
der Juden ist in barbarischer Rohheit erstickt. Die Bestie hat Menschenblut
gerochen und will ihren wildbrennenden Durst daran löschen. [...] Über Jerusalem
gellt indessen der wahnsinnige, aber wahrsagende Selbstfluch der Juden.
‘Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!’ Der Fluch hat sich furchtbar
erfüllt. Bis auf den heute laufenden Tag [...]“46
. |
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Soweit
die Stimmen zweier herausragender Vertreter des deutschen Episkopats. Wie
sah es nun bezüglich des Antisemitismus im Klerus und in der katholischen
Presse aus? Zur Beantwortung diese Frage möchte ich auf meine Untersuchungsergebnisse
über das Erzbistum Bamberg zurückgreifen: |
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Bayern hatte der Antisemitismus im Zuge der Revolution von 1918/19 gewaltigen
Auftrieb bekommen. Der Umstand, dass der bei den Bürgerlichen verhasste
sozialistische Ministerpräsident Eisner ein Jude war, bot eine willkommene
Angriffsfläche für antijüdische Invektiven. Auch katholische Priester beteiligten
sich an den antisemitischen Schimpfkanonaden, wie die Predigt des geistlichen
Religionslehrers Anton Braun zeigt, die dieser an Silvester 1918 in der
Nürnberger Frauenkirche hielt: |
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„1918:
Schauerliches Grab! Mitgenommen hast du unsere kühnsten Hoffnungen, die
wir seit vier Jahren gemauert und gefestigt haben, mit unseren Opfern und
Entbehrungen, mit unseren Besten aus dem Volk [...]. |
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Räuber
du 1918, was hast du uns dafür gegeben? Einen schäbigen Juden aus dem unkultivierten
Hinterland [...]. Einst wurde unser Herr und Heiland den Juden vorgestellt
mit den Worten: >Seht da euren König<, und das aufgehetzte Judentum
schrie: >Hinweg mit ihm, wir wollen nicht, daß er unser König sei!<
Und ist es heute nicht auch ein Teil des Judentums wieder, ein ungläubiges
Judenpack, das auf sozialistischen Ministersesseln sitzt. Ist es nicht ein
Teil der Presse, die wieder schreit: Hinweg mit ihm [...]“47
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Die
Brisanz des auch in der katholischen Geistlichkeit latent vorhandenen Antisemitismus
kann ein Vorfall verdeutlichen, der sich im Jahre 1928 in dem oberpfälzischen
Städtchen Auerbach (3153 E, 3112 K) ereignete, einem Ort, in dem selbst
gar keine Juden lebten. Der Umstand, dass zwei jüdische Viehhändler sexuelle
Beziehungen mit einheimischen Frauen eingegangen waren, mobilisierte im
Klerus antijüdische Vorurteile und Abwehrreaktionen. Am 31. Juli 1928 gab
der Michelfelder Pfarrer Georg Schmitt im Namen der Geistlichkeit des Dekanats
Auerbach eine Erklärung ab, die am 2. August groß aufgemacht in der Eschenbacher
Volkszeitung erschien und folgenden Wortlaut hatte: |
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„In
Auerbach legen seit einigen Wochen 2 Herren aus dem Bezirksamt Jerusalem
ein Benehmen an den Tag, das jeder Sittlichkeit Hohn spricht und den lautesten
Protest der anständigen christlichen Bevölkerung herausfordert. Wie weit
gewisse Frauen und Mädchen, die sich nicht schämen, ihre Frauenehre an grobe
Juden zu verkaufen, mit an diesen Orgien schuld sind, entzieht sich vorläufig
noch der Kenntnis des Artikelschreibers. Jedenfalls aber wirft es kein gutes
Licht auf die Frauenwelt in Auerbach, wenn einer dieser jüdischen Schürzenjäger
sagen konnte: >Es gibt in Auerbach keine 3 Frauen mehr, die sie nicht
bekommen könnten<. Soll das wahr sein? Nein, das ist eine erbärmliche
Verleumdung. Deshalb fordern wir Geistliche des Dekanats Auerbach die Frauenwelt
Auerbachs auf, gegenüber solch' unerhörten Verleumdungen eines jüdischen,
groben Viehhändlers ihre Frauenehre zu wehren und gegen derartiges Judengebahren
energischen Protest zu erheben und von ihrem Hausrecht in Auerbach Gebrauch
zu machen. Derartige Judenlümmel gehören mit stumpfem Lehm aus der Stadt
getrieben". |
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Gewiss,
das auslösende Moment für diese Erklärung war das katholischen Moralvorstellungen
zuwiderlaufende Verhalten der beiden Juden. Die Kundgebung trägt jedoch
allzu deutlich antijüdische Züge, als dass man annehmen könnte, eine ähnliche
Stellungnahme wäre auch erfolgt, wenn es sich bei den 'Übeltätern' um Christen
gehandelt hätte. Die Juden wurden eindeutig als Fremdlinge charakterisiert,
die nicht nur einer anderen Religion angehörten, sondern auch als Nichtdeutsche
(„Bezirksamt Jerusalem“) angesprochen wurden. Wenn später sexuelle
Beziehungen zwischen jüdischen und 'arischen' Deutschen von den Nationalsozialisten
als 'Rassenschande' geächtet wurden, so stieß dies bei einem Großteil der
Katholiken sicher nicht auf grundsätzliche Ablehnung. Zweifellos muss man
in dem Auerbacher Vorfall ein Beispiel traditioneller Judenfeindschaft erblicken,
doch lässt der Aufruf der Dekanatsgeistlichkeit vermuten, daß ein Teil der
nordbayerischen Katholiken einer 'gemäßigt' antisemitischen Politik, die
auf die Aussonderung der Juden abzielte, durchaus aufgeschlossen gegenüberstand.
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Ein
wichtiger Grund dafür, daß man demgegenüber den radikalen Antisemitismus
mehr oder weniger entschieden ablehnte, war der Umstand, daß die völkischen
Aktivisten nicht nur die Juden, sondern auch die katholische Kirche bekämpften.
Mehr noch: Die extreme Rechte beschimpfte die Kirche als 'verjudet'. Gegen
diesen Vorwurf setzte man sich katholischerseits schon früh zur Wehr. Ein
herausragendes Beispiel für solche Rechtfertigungsbemühungen ist ein Artikel,
der im Dezember 1923, also einen Monat nach dem fehlgeschlagenen Hitler-Putsch
im St. Heinrichsblatt erschien. Dieser Beitrag verdient deswegen
besondere Beachtung, weil er ein Argumentationsmuster aufweist, das später
in den Jahren der NS-Herrschaft wiederkehren wird. Judentum und Katholizismus,
hieß es da, seien „noch nie die innigen Freunde gewesen“, als die
sie völkische Fanatiker hinzustellen versuchten. Schließlich seien die Juden
die ersten Christenverfolger gewesen. Später, nachdem sich das Blatt gewendet
habe, hätten diese sich allerdings „manche Einschränkungen gefallen lassen“
müssen. Wohl habe die offizielle Kirche immer alles offensichtliche Unrecht
gegen die Juden zu verhüten gesucht, doch habe sie „im gegenseitigen
Interesse der Juden und der Christen“ schon auf dem Laterankonzil von
1215 die „Absonderung der Juden“ eingeleitet, indem sie diese zum
Tragen eines besonderen Abzeichens auf der Kleidung verpflichtet habe. „Erst
der neuen Zeit der Aufklärung, d.h. der Entchristlichung des öffentlichen
Lebens, war es vorbehalten, die Juden über Gebühr hoch kommen zu lassen
[...]. Mit der ihrer Rasse [!] eigenen Zielstrebigkeit und Gewandtheit errangen
sie sich ihre Vormachtstellung auf wirtschaftlichem, politischem und kulturellem
Gebiete. Großkapital, Handel und Industrie wurden ihre Domänen. Als Führer
des Proletariats machten sie im angeblichen Kampf gegen das Kapital einen
großen Teil der Arbeiterschaft zur Judenschutztruppe. Im Zeitungs- und Buchwesen,
in Theater, Kino usw. war ihr Geist tonangebend [...]“. Die katholische
Kirche aber arbeite heute genauso wie früher „gegen den alles überwuchernden
Judengeist“. Freilich warne sie vor gewaltsamen Ausschreitungen und
unchristlichen Ungerechtigkeiten gegen die Juden, ohne diese damit zu verteidigen.
Das sei auch der völkischen Bewegung bekannt, welcher es jedoch „hauptsächlich
darum zu tun [sei], mittels der Judenhetze eine kulturkämpferische Katholikenhetze
vorzubereiten und zu verbreiten“48 |
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Da
im Dezember 1923 keine Rücksichten auf das eventuelle Einschreiten einer
totalitären Staatsgewalt zu nehmen waren, muss man davon ausgehen, daß dieser
Artikel des katholischen Sonntagsblatts auch seiner tatsächlichen Einstellung
entsprach. Der Notwendigkeit, 'zwischen den Zeilen zu lesen', ist man hier
jedenfalls enthoben. Festzuhalten bleibt, daß das Bamberger Bistumsblatt
den Radauantisemitismus zwar eindeutig ablehnte, sich ansonsten aber eher
als Ankläger denn als Verteidiger des Judentums profilierte. Es gibt zu
denken, daß das Blatt in einer Situation, in der Hitler mit seinem Putschversuch
kläglich gescheitert war und von einer taktisch bedingten Anpassung an einen
übermächtigen nationalsozialistischen Gegner wirklich nicht die Rede sein
konnte, die soziale Diskriminierung der Juden im Mittelalter positiv und
deren Emanzipation im Zeitalter der Aufklärung negativ bewertete, ja daß
man sogar den angeblich schädlichen Einfluss der Juden auf ihre vermeintlichen
Rassemerkmale zurückführte. |
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Es
kann daher nicht überraschen, daß man später, in der Zeit des Dritten Reiches,
rassistische Argumentationsmuster zum Zwecke der Verteidigung gegen antikirchliche
Angriffe instrumentalisierte. Dafür steht ein am 26.7.1936 im St. Heinrichsblatt
erschienener mehrseitiger Artikel über den antiklerikalen „Pfaffenspiegel“
Otto von Corvins. Der Beitrag stammte aus der Feder des führenden katholischen
Apologeten in Deutschland, Dr. Konrad Algermissen, und befasste sich mit
der zweifelhaften Herkunft Corvins. Algermissen setzt sich in seinem Beitrag
nicht mit dem Inhalt des im Dritten Reich verstärkt vertriebenen „Pfaffenspiegel“
auseinander, sondern wartet mit der Behauptung auf, der minderwertige Charakter
dieses „Schmutzwerkes“ resultiere aus dem Umstand, daß sein Verfasser
ein „dekadenter Mischling“ gewesen sei. Die ursprüngliche Heimat
Corvins läge in Ungarn. Die Magyaren jedoch seien bekanntlich „der Rasse
nach Mongolen und nicht Arier“. Dazu sei später polnische (slawische)
und deutsche „Blutmischung“ gekommen. Die Mutter Corvins sei möglicherweise
Jüdin gewesen, jedenfalls sei der Nachweis ihrer arischen Abstammung bis
heute nicht erbracht. Der Vater habe als „unsittlicher und verkommener
Offizier" sein Leben gefristet. Es liege auf der Hand, "daß
von einem so degenerierten Stamm keine gesunde Frucht zu erwarten war".
Auch die geistige Umgebung, in der sich Corvin aufgehalten habe, sei bezeichnend.
Der 1844 von Corvin mit einer Anzahl aufklärerischer Schriftsteller gegründete
deutsche Schriftstellerverein sei eine „verjudete Organisation antikirchlicher
Literaten" gewesen. Außerdem habe sich der Demokrat Corvin an der
Revolution des Jahres 1848 beteiligt. Algermissens Fazit: „Es bedarf
wohl keiner Ausführungen, daß dieser dekadente Revolutionär weder als sittlicher
Charakter noch als nationaler Heros Vorbild in einer Zeit des Neubaues des
Reiches sein kann“. |
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Ähnliche
Argumentationsmuster finden sich auch in diversen Predigten aus den dreißiger
Jahren wieder. So setzte sich der Düsseldorfer Jesuitenpater Hans Bicheroux
bei einer Predigt in Bamberg mit der nationalsozialistischen Weltanschauung
auseinander, indem er über den Unglauben Friedrich Nietzsches sprach. Dabei
führte er aus, es sei unglaublich, daß man heute der Jugend einen Philosophen
als Vorbild hinstelle, der einmal einer Jüdin einen Heiratsantrag gemacht
habe49 . Als Julius Streicher im Januar 1937 den Freiburger Erzbischof
Gröber wegen eines angeblichen Liebesverhältnisses mit einer jüdischen Frau
heftig angriff, erklärten die katholischen Pfarrämter von Nürnberg-Fürth,
die Anschuldigungen beruhten auf dem „Verleumdungsbrief einer rachsüchtigen
Jüdin“50 . Und der Ansbacher
Kaplan Johann Senftinger äußerte in einer Predigt, die größte Schmach, die
man Papst Pius XI. angetan habe, sei die, daß man wahrheitswidrig behauptet
habe, er sei „Halbjude“51
. |
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Abschließend
sei abermals auf einen Artikel des Bamberger Bistumsblattes hingewiesen.
Sein im September 1937 publizierter Beitrag „Verdient die kath. Kirche
den Namen >Judenkirche<“ ist allein schon deshalb bemerkenswert,
weil er fast die gleiche Ausrichtung hatte wie der Artikel des Jahres 1923,
wobei diesmal allerdings die Warnung vor gewaltsamen Ausschreitungen gegen
die Juden fehlte. Wieder wurde mit Beispielen aus der Geschichte die traditionelle
Feindschaft zwischen Christen und Juden unterstrichen und nunmehr ergänzend
vermerkt: „Daß die katholische Kirche in Deutschland unsere einheimische
Rasse Jahrhunderte lang schützte, beweisen unsere katholischen Tauf- und
Ehebücher, die heute noch als alleinige Zeugen für die arische Abstammung
herangezogen werden“. Um zu dokumentieren, daß die Kirche „im schroffsten
und schärfsten Gegensatz zur Synagoge von Christus gestiftet wurde“,
griff der anonyme Verfasser schließlich in halsbrecherischer Manier auf
das Neue Testament zurück: „Ausgerechnet sein Volk, die Juden, waren
es, die ihn tödlich haßten und seine Kreuzigung verlangten. Der Arier Pontius
Pilatus hätte ihn gerne frei gelassen, aber sein eigenes Volk schrie: >Ans
Kreuz mit ihm! - Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!< (Matth.
27,25)“52. |
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Welche
Wirkung solche Selbstverteidigungsversuche auf dem Rücken der Juden hatten,
lässt sich angesichts fehlender Quellen nicht sicher sagen. Man sollte sie
aber nicht zu gering veranschlagen. Die als fraglos akzeptierte Auffassung,
daß die Erwählung Israels der Vergangenheit angehöre und dieses Volk seit
der Kreuzigung Jesu von Gott verworfen sei, das Bemühen, sich selbst von
den Juden positiv abzusetzen, sowie die unreflektierte Verwendung des Wortes
'Jude' in einem pejorativen Sinne mussten tendenziell eine Entsolidarisierung
zur Folge haben. Weil sie nicht aggressiv auf eine Verfolgung der Juden
abzielten, sondern anscheinend im Dienste einer guten Sache - der Rechtfertigung
der Kirche - standen, dürfte solchen Äußerungen sogar eine größere Resonanz
beschieden gewesen sein als radikal-antisemitischen Darbietungen. |
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2.2.
FURCHT VOR REPRESSALIEN |
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Der
fortwirkende Antijudaismus ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Grund
für das Schweigen der Katholiken zur Judenverfolgung. Man muss sicherlich
in Rechnung stellen, daß Bischöfe, Klerus und Kirchenvolk nicht unter den
Bedingungen eines demokratischen Rechtsstaats agierten, sondern mit einem
terroristischen Willkürsystem konfrontiert waren, das auch die Kirche in
die Knie zwingen wollte. Schon im Frühjahr 1933 begann der Druck auf das
kirchliche Vereinswesen und insbesondere auf den politischen Katholizismus.
Das im Juli 1933 abgeschlossene Reichskonkordat gewährte der Kirche nur
eine kurze Atempause. In den folgenden Jahren wurde sie schrittweise aus
der Öffentlichkeit zurückgedrängt. Die Vereine mussten sich zunächst auf
eine rein religiöse Betätigung beschränken und wurden schließlich ganz verboten.
Im Bereich der schulischen Erziehung verlor die Kirche ihren Einfluss fast
vollständig. Wegen unliebsamer Predigten wurden etliche Priester vor Gericht
gestellt, einige kamen sogar ins KZ. Auf dem Höhepunkt des Kirchenkampfes
im Jahre 1937 klagte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Mit brennender
Sorge“ die deutsche Regierung des Vertragsbruchs an und entlarvte zentrale
Punkte der nationalsozialistischen Weltanschauung als mit der kirchlichen
Lehre unvereinbar. Im Gegenzug entfaltete Goebbels eine beispiellose Diffamierungskampagne
gegen katholische Priester und Ordensleute. In München bliesen die Nationalsozialisten
im November 1938 nicht nur zum Angriff gegen das Judentum, sondern auch
gegen dessen „schwarze und rote Bundesgenossen“. Vor dem Palais von
Erzbischof Faulhaber veranstalteten sie einen regelrechten Tumult. Etwaige
Befürchtungen, ein öffentlicher Protest gegen die Judenverfolgung könne
den Kirchenkampf verschärfen, waren also nicht aus der Luft gegriffen und
haben die Überlegungen der Bischöfe sicher mitbestimmt. |
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Konrad
Repgen glaubt denn auch in der Angst der Katholiken den Schlüssel zum Verständnis
des kirchlichen Schweigens zur Judenverfolgung gefunden zu haben. Er weist
erläuternd auf den gegen die Kirche gerichteten nationalsozialistischen
Terror hin und bemerkt, daß derjenige, der „meint, kurz vor dem Ertrinken
zu sein, [...] wenig Ohr für die Schreie der anderen Ertrinkenden“ hat53
. Diese Beobachtung ist nicht falsch, doch fordert sie den ergänzenden Hinweis,
daß die Neigung der Katholiken, die Verfolgung der Juden als solche überhaupt
nicht richtig wahrzunehmen, durch die nationalsozialistische Bedrückung
der Kirche nur gefördert, nicht aber verursacht wurde. Wie wir sahen, funktionierte
dieser Mechanismus auch schon 1923, es bedurfte dazu keines realen Terrors.
Zudem gab die Realität des Jahres 1938 der Kirche trotz aller Bedrängnis
keinen Anlass zu der Befürchtung, die Gefahr des 'Ertrinkens' drohe ihr
in der gleichen Weise wie den Juden. Daher sollte man den Faktor
des realen Terrors gegen die Kirche zwar nicht außer Acht lassen, aber auch
nicht zu hoch veranschlagen. Denn zum einen zeigte man sich katholischerseits
in anderen Fragen durchaus kampfbereit. Berühmtheit erlangten z.B. die Predigten
Bischof Galens gegen die sog. Euthanasie. Aber auch die Hirtenbriefe und
Predigten gegen die neuheidnische Weltanschauung des NS-Ideologen Alfred
Rosenberg waren z.T. von ausgesuchter Schärfe. Ebenso war die katholische
Bevölkerung in manchen Fragen bereit zum Kampf. Mit wilder Entschlossenheit
verhinderte sie z.B. 1936 im Oldenburger Münsterland und 1941 in Bayern
die Entfernung der Kruzifixe aus den Schulen. Hier war man bereit, alles
einzusetzen. Angst spielte dabei erkennbar keine Rolle. Zum anderen funktionierte
der Mechanismus, die Judenverfolgung gar nicht richtig wahrzunehmen und
statt dessen sorgenvoll auf das Schicksal der Kirche zu schauen, nicht erst
beim Novemberpogrom 1938, sondern bereits beim Judenboykott im April 1933,
als von einem Kirchenkampf noch keine Rede sein konnte. Ja, das Bamberger
Bistumsblatt behauptete schon 1923 nach dem kläglich gescheiterten Hitler-Putsch,
daß es der völkischen Bewegung „hauptsächlich darum zu tun [sei], mittels
der Judenhetze eine kulturkämpferische Katholikenhetze vorzubereiten und
zu verbreiten“54 . Es
handelte sich also offensichtlich um eine Art kollektiven Verfolgungswahn,
der seine Ursprünge im Kulturkampf der Bismarckzeit hatte und durch die
realen Bedrängnisse im Dritten Reich nur verstärkt wurde. Auf die Erfahrungen
des Kulturkampfes verwies auch die Bemerkung Kardinal Bertrams, er wolle
nie wieder erleben, daß „Gläubige ohne Geistlichen sterben“ müssten55 . Diese Befürchtung des Episkopatsvorsitzenden
führt uns notwendig zu unserem dritten Punkt, der Frage nach dem kirchlichen
Selbstverständnis. |
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2.3.
DAS SELBSTVERSTÄNDNIS DER KIRCHE |
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Dass
die Förderung der Menschenrechte im Handeln der Kirche eine „zentrale
Stellung“ einnehmen müsse, wie die römische Bischofssynode 1974 forderte56 , erscheint uns heute als Selbstverständlichkeit.
Für die vorkonziliare Kirche jedoch war es alles andere als das. Wichtige
Menschenrechte wie die Religions- und Gewissensfreiheit wurden s ogar prinzipiell
abgelehnt und von der Kirche nur dann ins Felde geführt, wenn sie sich selbst
davon taktische Vorteile versprach. Man kommt deshalb nicht umhin, nach
den seinerzeit dominierenden Vorstellungen von Wesen, Zweck und Aufgabe
der Kirche zu fragen: Welche handlungsleitende ekklesiologische Konzeption
hatte die Mehrheit der katholischen Amtsträger? |
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Den
entscheidenden Hinweis geben uns die Bischofsverlautbarungen selbst. Es
fällt sofort auf, wie nachdrücklich man dort auf der Unterscheidung zwischen
grundsätzlicher Loyalität zum NS-Staat auf der einen und der Verteidigung
kirchlicher Rechte auf der anderen Seite beharrt. Dies geschah, so lautet
meine These, nicht primär aus taktischen Erwägungen, sondern aufgrund der
Überzeugung, daß politisches Handeln, das den engen Bereich der Kirchen-
und Kulturpolitik überschreitet, nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet der
Kirche gehöre. Als deren „einziges Ziel“ sah man an führender Stelle,
„Freiheit für das seelsorgliche Wirken im jetzigen Staat zu erlangen“
- so Kardinal Bertram vor der Fuldaer Bischofskonferenz 194057 . |
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Diese
Position erläuterte der Konferenzvorsitzende in einem Brief an Bischof Wienken
vom 19.9.1940 folgendermaßen: „Die Kirche hat sich nach ihrem Wesen und
der ihr von ihrem göttlichen Stifter gesetzten Aufgabe nicht vom weltlichen
Standpunkt unter politischem Gesichtspunkt, vielmehr vom übernatürlichen
Standpunkt unter dem Gesichtspunkt des christlichen Glaubens und der christlichen
Sitte zu betätigen. Auf diese Beschränkung dringt ja auch die Staatsführung
im Dritten Reich [...]. Die Kirche wird ihre Aufgabe tatsächlich auch zum
Wohle von Volk und Staat, gerade auch in der Kriegszeit, um so wirksamer
erfüllen können, je sorgfältiger sie sich auf ihr eigenes Gebiet beschränkt“58 . |
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Wenn
es trotzdem nicht zu einem harmonischen Miteinander von Kirche und Staat
kam, so lag dies nicht etwa an kirchlichen Übergriffen auf „fremdes Gebiet“,
sondern daran, daß die NS-Regierung unter der „Beschränkung auf das eigene
Gebiet“ eine Konzentration aller kirchlichen Aktivitäten auf den kultischen
Bereich verstand und deshalb konsequent alles kirchliche Leben außerhalb
des Gottesdienstraumes bekämpfte. Der sogenannte Kirchenkampf ging also
nicht von der Kirche aus, sondern wurde von den Nationalsozialisten durch
zahlreiche Übergriffe auf „kirchliches Gebiet“ heraufbeschworen. Erst als
Reaktion auf die Provokationen durch Partei und Staat nahm die Kirche die
von ihr als Weltanschauungskampf geführte Auseinandersetzung auf. Der Freiburger
Erzbischof Gröber benannte im Jahre 1944 diesen Sachverhalt präzise, wenn
er an Papst Pius XII. schrieb: „Der Kampf gegen das Christentum und die
Kirche war [...] der Anlaß unserer Kritik und ablehnenden Haltung“59 . |
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Was
war der theologische Hintergrund dieses bischöflich-ekklesiologischen Supranaturalismus,
bei dem die Heilsvermittlung durch die Institution Kirche der Vorrang vor
allem anderen zukam? Auch hier helfen uns die Bischofsverlautbarungen weiter.
Schon im programmatischen Hirtenwort vom 3. Juni 1933 wird explizit gesagt,
die Kirche sei eine „vollkommene Gesellschaft“, die für die
Verwirklichung ihrer Ziele nicht vom Staatswillen abhängig sein dürfe60 . „Vollkommene Gesellschaft
“ ist die Übersetzung des lateinischen Begriffs ‘societas perfecta’. Die
Sicht der Kirche als ‘societas perfecta’ aber spielte in der Kirchenrechtswissenschaft
eine zentrale Rolle. Das Kirchenrecht wiederum - und nicht die Dogmatik
- war im Zeitalter der neuscholastischen Theologie jene Disziplin, in der
bevorzugt über Wesen, Ziel und Aufgabe der Kirche reflektiert wurde. Wer
also Aufschluss über das Selbstverständnis der Kirche in der NS-Zeit erhalten
will, muss sich mit der Societas-perfecta-Lehre befassen. Dies kann und
soll hier nicht im Einzelnen getan werden. Das Wesentliche lässt sich wie
folgt zusammenfassen: |
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Mit
der Bezeichnung der Kirche als 'societas perfecta' ist gemeint, „daß
sie ihrem Wesen nach vollständig und unabhängig ist und über sämtliche Mittel
verfügt, die notwendig sind, um das ihr gesetzte Ziel zu erreichen“61 . Das hört sich zunächst einmal
furchtbar formal an und ist es auch, doch wird gleich deutlich werden, was
dies in bezug auf die Kirche bedeutet. Ihre maßgebende und bis in die 50er
Jahre dieses Jahrhunderts gültige Gestalt erhielt die kirchliche Societas-perfecta-Lehre
durch Papst Leo XIII. am Ende des 19.Jahrhunderts. Nach der Auffassung Leos
bestand in der Rechtsorganisation von Staat und Kirche eine weitgehende
Analogie, insofern sie beide Anspruch darauf hätten, unabhängig ihrer jeweiligen
Bestimmung nachgehen zu können und Einmischungen in ihr Gebiet nicht zu
dulden bräuchten. Eben diese Gebiete aber, sagt der Papst, seien grundsätzlich
verschieden. Während es die Aufgabe des Staates sei, für das irdische Wohl
zu sorgen, habe die Kirche die himmlischen und ewigen Güter zu beschaffen.
Bürgerliche und politische Dinge seien deshalb allein der Staatsautorität
unterstellt, all das hingegen, was auf das Seelenheil Bezug habe, falle
in die Zuständigkeit der Kirche. Jene Angelegenheiten schließlich, die zu
beiden Rechtsbereichen gehörten, die sog. res mixtae wie Ehe und Erziehung,
seien am besten durch Konkordate zu regeln. |
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Die
Societas-perfecta-Lehre62 beinhaltet also die Aufteilung
der Wirklichkeit in zwei verschiedene Sphären, eine natürliche und eine
übernatürliche, für die Staat und Kirche jeweils die alleinige Zuständigkeit
haben. Politische Dinge liegen somit außerhalb der kirchlichen Verantwortung,
weil sie angeblich für das Heil keine Relevanz haben. Die Vermittlung dieses
als strikt jenseitig verstandenen Heils erscheint als eigentliche und absolute
Priorität beanspruchende Aufgabe der Kirche. Die kirchlichen Amtsträger
hatten sich deshalb primär um die Verkündigung der als zeitlos und unwandelbar
aufgefassten katholischen Glaubenswahrheiten sowie um die Spendung der Sakramente
zu kümmern. Alles andere wurde als zweitrangig angesehen und hatte zurückzustehen,
wenn die zentralen Aufgaben gefährdet schienen63 . In diesem Sinne konnte der Kölner Erzbischof Frings im August
1945 erklären: „Eigentliche und ursprüngliche Aufgabe der Kirche, die
ihr Christus selbst übertragen hat, ist die mutvolle Verkündigung der christlichen
Glaubens- und Sittenlehre. Hätte die Kirche die Predigt derjenigen Wahrheiten,
die dem Nationalsozialismus unbequem waren, hintangestellt, so müßte man
sagen: sie hat versagt. In Wirklichkeit hat sie das Gegenteil getan“. Gleichzeitig
wehrte Frings weitergehende Erwartungen an die Kirche ab: „Die Kirche
ist nicht Kontrollinstanz für den Staat in dem Sinne, daß sie verpflichtet
wäre, gegen jedes Unrecht, das die Staatslenker begehen, durch ihre Priester
oder Bischöfe öffentliche Verwahrung einzulegen. Wer hätte ihr diesen Auftrag
gegeben und wohin sollte das führen?“64
. |
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Wohin
es geführt hätte, wenn die Kirche von Anfang an gegen das Unrecht des NS-Staates
aufgetreten wäre, ist in der Tat eine offene Frage. Nicht offen ist indes
die Frage, wohin das Selbstverständnis der Kirche als übernatürlicher Obrigkeitsstaat
führte. Angesichts der Herausforderung durch die nationalsozialistische
Judenverfolgung offenbarte die vorkonziliare Ekklesiologie ihre ganze Unzulänglichkeit.
Denn Solidarität mit den Juden und anderen Verfolgten des NS-Regimes war
auch deshalb so selten, weil dies theologisch nicht als Wesensmerkmal der
Kirche Christi begriffen wurde, sondern allenfalls als akzidentielle Aufgabe
galt, der man sich, wie Erzbischof Frings es formulierte, „aus Liebespflicht“
zu unterziehen hatte, wenn dadurch nicht die eigentliche Sendung der
Kirche gefährdet war. Das weitgehende Schweigen zu den nationalsozialistischen
Verbrechen war somit auch das Resultat des politischen Wirkens einer sich
unpolitisch definierenden Kirche. |
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3.
SCHLUSS |
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Der
Limburger Bischof Antonius Hilfrich erklärte in einem Hirtenbrief vom 6.
Februar 1939, „daß die christliche Religion nicht aus der Natur dieses
Volkes (der Juden) herausgewachsen ist, also nicht von Rasse-Eigenschaften
dieses Volkes beeinflußt ist, sondern sich gegen dieses Volk hat durchsetzen
müssen. Jesus Christus ist nicht eine Frucht dieses Volkes, sondern in seiner
Menschwerdung ein Geschenk des Himmels. [...] Die Geschichte der Offenbarung
mit dem nur werkzeuglichen Mitwirken des israelitischen Volkes, die Todfeindschaft
der führenden Kreise gegen den Heiland und die Verstocktheit des nachchristlichen
Judentums zeigen, daß die christliche Religion kein Geist des Judentums
ist“65 . |
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Ein
Christentum ohne jüdischen Geist, ein Christentum, das den Juden Jesus von
Nazareth feinsäuberlich aus seinem Volk herausseziert und ihn schnurstracks
vom Himmel kommen lässt, ein Christentum, das Gnade vor den Augen des rassistischen
Diktators zu finden versucht, indem es sich von seinem angeblich missratenen
Bruder Abel distanziert - ein solches Christentum hat sich selbst von seiner
Wurzel abgeschnitten und ist zu einer Mysterienreligion mutiert, die sich
zu Unrecht auf den Wanderprediger aus Galiläa beruft. Von Elie Wiesel stammt
der Satz: „Der nachdenkliche Christ weiß, daß in Auschwitz nicht das
jüdische Volk gestorben ist, sondern das Christentum“66 . Ob es für das Christentum ein Leben nach diesem
Tod gibt, hängt, wie der Theologe Johann Baptist Metz nicht müde wird zu
betonen, davon ab, ob es bereit ist, „die Katastrophe von Auschwitz wirklich
als solche zu erfassen“ und seine Identität im Angesicht der jüdischen
Leidensgeschichte neu zu entdecken. Was das Christentum braucht, ist jener
jüdische Geist, von dem es sich fatalerweise befreien wollte, von dem es
sich jedoch nicht lösen kann - außer um den Preis der Selbstaufgabe. Dieser
jüdische Geist ist ein Geist der Erinnerung. Er bewahrt die Schreie der
Leidenden und ihre unabgegoltenen Hoffnungen im Gedächtnis der Lebenden.
Er widersteht dem Vergessen und dem Verdrängen. |
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Die
katholische Kirche in Deutschland brauchte indes dreißig Jahre, bis sie
erstmals der Vergangenheit ungeschminkt ins Auge sah. Auf der Würzburger
Synode legte sie 1975 ein Schuldbekenntnis ab, in dem es hieß: |
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„Wir
sind das Land, dessen jüngste politische Geschichte von dem Versuch verfinstert
ist, das jüdische Volk systematisch auszurotten. Und wir waren in dieser
Zeit des Nationalsozialismus, aufs Ganze gesehen, doch eine kirchliche Gemeinschaft,
die zu sehr mit dem Rücken zum Schicksal dieses verfolgten jüdischen Volkes
weiterlebte, deren Blick sich zu stark von der Bedrohung ihrer eigenen Institutionen
fixieren ließ und die zu den an Juden und Judentum verübten Verbrechen geschwiegen
hat. [...] Die praktische Redlichkeit unseres Erneuerungswillens hängt auch
an dem Eingeständnis dieser Schuld und an der Bereitschaft, aus dieser Schuldgeschichte
unseres Landes und auch unserer Kirche schmerzlich zu lernen:“67
. |
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Es
brauchte weitere 20 Jahre und viele unglaubwürdige Versuche einer apologetischen
Beschwichtigung, bis dieses aufrichtige Bekenntnis erstmals in einem Papier
der Deutschen Bischofskonferenz zitiert wurde. Es handelt sich um die Erklärung
zum 50. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vom 27.
Januar 1995, die - wie Ernst Ludwig Ehrlich kommentiert hat - nichts verschweige,
sondern Klartext rede und deshalb dazu dienen könne, „daß wenigstens
manche Katholiken angesichts der Schoa nachdenklicher werden als bisher“68 . Dieses Bischofswort, das mir
die Hoffnung gibt, dass die Zeit der falschen Rechtfertigungsversuche und
Verschleierungen tatsächlich zu Ende geht, schließt mit folgenden Sätzen: |
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„Antisemitismus
ist ‘eine Sünde gegen Gott und die Menschheit’, wie Papst Johannes Paul
II. mehrfach gesagt hat. In der Kirche darf es keinen Platz und keine Zustimmung
für Judenfeindschaft geben. Christen dürfen keinen Widerwillen, keine Abneigung
und erst recht keinen Haß gegen Juden und Judentum hegen. Wo sich eine solche
Haltung kundtut, besteht die Pflicht zu öffentlichem und ausdrücklichem
Widerstand.. |
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Die
Kirche achtet die Eigenständigkeit des Judentums. Zugleich muß sie selbst
neu lernen, daß sie aus Israel stammt und mit seinem Erbe in Glaube, Ethos
und Liturgie verbunden bleibt. Wo es möglich ist, sollen christliche und
jüdische Gemeinden Kontakt miteinander pflegen. Wir müssen alles tun, damit
Juden und Christen in unserem Land als gute Nachbarn miteinander leben können.
So werden sie ihren unverwechselbaren Beitrag für ein Europa leisten, dessen
Vergangenheit durch die Schoa verdunkelt ist und das in der Zukunft ein
Kontinent der Solidarität werden soll.“ |
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Dr. Thomas Breuer ist Oberstudienrat für Kath. Theologie/Religionspädagogik
an der PH Ludwigsburg und einer der Herausgeber von THEOPHIL-online. |
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Abgekürzt
zitierte Literatur:
Faulhaber-Akten:
Ludwig Volk (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917-1945,
2 Bde, Mainz 1975 und 1978.
Bischofsakten:
Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, 6 Bde, bearb.
von Bernhard Stasiewski (Bd.I-III) und Ludwig Volk (Bd.IV-VI), Mainz 1968-1985.
RPB II: Witetschek,
Helmut (Bearb.), Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten
1933-1945, Bd. II: Regierungsbezirk Ober- und Mittelfranken, Mainz 1967.
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5 Vgl. einstweilen Volk, Ludwig, Katholische Kirche
und Nationalsozialismus. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von Dieter Albrecht,
Mainz 1987, S.98-113; Kulka, Otto Dov/Mendes-Flohr, Paul R. (Hg.), Judaism
and Christianity under the Impact of National Socialism, Jerusalem 1987;
Steininger, Rolf, Katholische Kirche und NS-Judenpolitik, in: ZKTh 114
(1992) 166-179; Kershaw, Ian, Antisemitismus und Volksmeinung. Reaktionen
auf die Judenverfolgung, in: Bayern in der NS-Zeit, , Bd.2, hrsg. von
Martin Broszat, Elke Fröhlich und Falk Wiesemann, München-Wien 1979,
S.280-348; Damberg, Wilhelm, Katholizismus und Antisemitismus in Westfalen.
Ein Desiderat, in: Herzig, Arno/Teppe, Karl/Determann, Andreas (Hg.),
Verdrängung und Vernichtung der Juden in Westfalen, Münster 1994, S.
44-61.
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erschienen in: Theophil-online
mit frdl. Genehmigung durch den Autoren für psm-data
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