Georg Büchner  LEONCE & LENA

Leonce und Lena - Ein Lustspiel (1836)

Die Handlung

Erster Akt

Erste Szene . Ein Garten
Prince Leonce aus dem Reiche Popo liegt im Gras und langweilt sich wortreich, er ist abgrundtief melancholisch und kann keinen Sinn in irgendwelchen sinnlosen Tätigkeiten erkennen. Der Hofmeister stimmt ihm darin zu, bevor er sich mit einer tiefen Verbeugung entfernt.
Es erscheint Valerio, dessen Rolle wohl als die des (Shakespeare'schen) Narren verstanden werden kann: Er scheint die Grillen seines Herrn zu verstehen, zu teilen, ja sogar noch zu überhöhen und ins Lächerlich-Groteske zu steigern:
Parodiertes Naturgefühl, Lob der Narrheit („Narrenhaus"), Müßiggang statt Arbeit - lauter provokative Verkehrungen (-> „Inversion" als Grundelement von Komik, die anderen sind: Repetition und Konfusion).

2. Ein Zimmer
König Peter vom Königreich Popo wird von seinen Kammerdienern angezogen, während dessen philosophiert er über (Hegels) an sich” zum für sich” und die philosophische Kategorienlehre. - Ein Knoten im Schnupftuch erinnert an etwas, aber an was? Es war die bevorstehende Versammlung des Staatsrates. - Peter deutet seinem Staatsrat in unklaren Worten an, dass Sohn Leonce sich vielleicht verheiratet oder auch nicht. Der Staatsrat stimmt dem zu.

3. Ein reichgeschmückter Saal, Kerzen brennen
Leonce und Rosetta, seine Geliebte?, im Gespräch: Selbst in der Liebe zu ihr sieht er keinen Sinn. Die Liebe zu ihr langweilt ihn genau so wie die Liebe selbst: „Ich bin froh, dass ich sie begraben habe." Er weigert sich Rosetta anzuschauen, diese verschwindet damit auch aus dem Drama. - Leonce, nun allein, monologisiert über die Liebe, die unfassbare, unausschöpfbare, die dennoch die gähnende Sinn-Leere nicht auszufüllen vermag („Mein Leben gähnt mich an, wie ein großer weißer Bogen Papier"). - Valerio kommt unter dem Tisch hervor, der sich jetzt entspinnende Dialog ist (scheint?) ein einziges, leerlaufendes Spiel mit Worten.

Der Staatsrat tritt auf, Leonce, auf dem Boden sitzend, erhebt sich nicht, während der Präsident in geschraubten Worten verkündet, dass Prinzessin Lena vom Reiche Pipi am folgenden Tage zu erwarten sei. Mit dem Tage der Vermählung solle Leonce auch König werden. - Darüber ist der Prinz nicht beglückt und zusammen mit Valerio sinnt er auf „was Anderes”, aber was?

4. Ein Garten
Prinzessin Lena im Brautschmuck mit ihrer Gouvernante: Aus ihrem Gespräch wird deutlich, dass diese Verehelichung von ihr nicht gewünscht wird, sie fühlt sich wie ein „Opferlamm” (Gouvernante), aber: Mein Gott, mein Gott, ist es denn wahr, daß „wir uns selbst erlösen müssen in unserem Schmerz?” - Die Gouvernante überlegt sich einen Ausweg: „Ich hab so etwas im Kopf.”

Zweiter Akt

1. Freies Feld. Ein Wirtshaus im Hintergrund
Valerio und Leonce befinden sich auf der Flucht und haben an einem halben Tag bereits Dutzende von Fürten- und Herzögtümern durchlaufen. Leonce schwebt das Ideal eines Frauenzimmers” vor, dies treibt ihn wohl weiter. - Auch die Gouvernante und Lena sind auf der Flucht und auf der Suche nach einem „irrenden Königssohn”. - Ein Wirthaus ist in der Nähe.

2. Das Wirtshaus auf einer Anhöhe an einem Fluss, weite Aussicht. Der Garten vor demselben.
Leonce hat noch eine gewisse „Dosis Enthusiasmus zu verbrauchen”, eine plötzliche Anwandlung von sinnhafter Geschäftigkeit. Leince und Valerio interpretieren zusammen und mit gegensätzlichem Resultat den Himmel, die Wolken und die Sonne über ihnen. - Die beiden Damen erscheinen, während die Gouvernante und Valerio sich bespötteln und beschimpfen, stimmen sich Leonce und Lena in wenigen Worten auf einander ein: Sie teilen eine melancholische Grundstimmung und erkennen sich darin.

3. Ein Zimmer
Lena gesteht ihrer Gouvernante, wie dieser traurige Mensch sie anzieht. Sie muss ins Freie, in den Garten, „die Natur”.

4. Der Garten. Nacht und Mondschein.
Leonce und Lena begegnen sich in todesseliger Stimmung, er küsst sie, sie entflieht, er will sich in den Fluss stürzen, Valerio hält ihn davon ab, den schönsten &„Selbstmord” zu begehen.

Dritter Akt

Erste Szene. Valerio ist überrascht über Leonces Entschluss, die namenlose Unbekannte heiraten zu wollen. Dann will er aber auch dessen Staatsminister werden.

2. Freier Platz vor dem Schlosse des Königs Peter
Das Bauernvolk und die Honoratioren des Landes (Schulmeister, Landrat) nehmen Aufstellung.

3. Großer Saal. Geputzte Herren und Damen sorgfältig gruppiert
Der Hofstaat nimmt ebenfalls Aufstellung. Der Zeremonienmeister beklagt den Zustand des Reiches Popo: Verfall von Sitte, Haltung und Ordnung.
König Peter lässt die Grenzen beobachten, ob der verschwundene Prinz doch noch erscheinen könnte. Er ist entschlossen, seine Beschlüsse umzusetzen: Heute wird geheiratet und sich zu freuen ist Pflicht! Wenn aber kein Hochzeitspaar da ist? Dann ist Melancholie vorgeschrieben. Doch da werden an der Grenze mehrere Personen gesichtet.

Die Vier erscheinen, allerdings maskiert; Valerio tritt auf als alternativer Zeremonienmeister , stellt der Hofgesellschaft die beiden maskierten Königskinder als „Automaten" vor und führt diese wortreich in die menschliche Gesellschaft ein: Ein Schöpfungsakt? Die Parodie desselben!

Eine Hochzeit „in effigie" scheint König Peter die Lösung des Problems, diese geschieht - vorangetreiben durch Valerio - in aller Kürze, Leonce und Lena nehmen die Masken ab und erkennen, dass sie sich gefunden haben, indem sie versuchten, sich zu entkommen.
„Zufall" oder „Vorsehung", schicksalshafte Notwendigkeit oder komischer Zufall - wieder eine komische Verkehrung.
Die Frage bleibt: Heirat vollzogen (happy end), Lebens-Sinn und Identität gefunden?

Es steht nun die Regierungsübernahme an und gleich noch die Verkündung des Regierungsprogrammes dazu. Drei Alternativen werden vorgestellt:

LEONCE:

Fortsetzung des Staatstheaters?
Politik als sinnentleertes, leerlaufendes Spiel von Macht und Intrige.

Leonce stellt zwar die Frage, gibt dann aber Lenas Blumenkinder-Vision das Vorrecht.

LENA:

Künstliches Italien!
Romantische Utopie eines aus der Zeit fallenden Natur-Paradieses.

VALERIO:

Narrenhaus!
Abschaffung von Arbeit und Mühe per Gesetz,
Verkehrung der herrschenden Vernunft: Ver-rückt ist, wer planvoll handelt.
Während also Leonce und Lena sich ins Blumenland zurückziehen, übernimmt Valerio, als Minister, fortan das Handeln.


© Klaus Dautel, 2001

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