Inhalt, 
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
 
Copyright 1997. 
Kurt Stüber
Dreizehntes Kapitel
 Entwickelungsgeschichte der Welt.
Monistische Studien über die ewige Entwickelung des Universums. 
Schöpfung, Anfang und Ende der Welt. Kreatistische und 
genetische Kosmogenie. 
------ 
Inhalt: Begriff der Schöpfung (Kreation). Wunder. 
Schöpfung des Weltalls und der Einzeldinge. Schöpfung der 
Substanz (kosmologischer Kreatismus). Diesmus: Ein 
Schöpfungstag. Schöpfung der Einzeldnge. Fünf Formen 
des ontologischen Kreatismus. Begriff der Entwickelung (Genesis, 
Evolutio). I. Monistische Kosmogenie. Anfang und Ende der Welt. 
Unendlichkeit und Ewigkeit des Universums. Raum und Zeit. 
Universum perpetuum mobile. Entropie des Weltalls. II. 
Monistische Geogenie. Anorganische und organische Erdgeschichte. III. 
Monistische Biogenie. Transformismus und Descendenz-Theorie. 
Lamarck und Darwin. IV. Monistische Anthropogenie. Abstammung des 
Menschen. 
 
Unter allen Welträthseln das größte, umfassendste und 
schwerste ist dasjenige von der Entstehung und Entwickelung der Welt, 
kurz gewöhnlich die "Schöpfungsfrage" genannt. Auch 
zur Lösung dieses schwierigsten Welträthsels hat unser 
neunzehntes Jahrhundert mehr beigetragen als alle früheren, ja 
sie ist ihm sogar bis zu einem gewissen Grade gelungen. Wenigstens sind 
wir zu der klaren Einsicht gelangt, daß alle verschiedenen 
einzelnen Schöpfungsfragen untrennbar verknüpft sind, 
daß sie alle nur ein einziges, allumfassendes "kosmisches 
Universal-Problem" bilden, und den Schlüssel zur 
Lösung dieser "Weltfrage" giebt uns das eine Zauberwort: 
"Entwickelung!" Die großen Fragen von der Schöpfung 
des Menschen, von der Schöpfung der Thiere und Pflanzen, von 
der Schöpfung der Erde und der Sonne u. s. w., sie alle sind nur 
Theile jener Universal-Frage: Wie ist die ganze Welt entstanden? Ist sie 
auf übernatürlichem Wege "erschaffen", oder hat sie 
sich auf natürlichem Wege "entwickelt"? Welcher Art sind 
die Ursachen und die Wege dieser Entwickelung? Gelingt es uns, eine 
sichere Antwort auf diese Fragen für eines jener Theil-Probleme zu
finden, so haben wir nach unserer einheitlichen 
Naturauffassung damit zugleich ein erhellendes Licht auf deren 
Beantwortung für das ganze Weltproblem geworfen. 
 Schöpfung (Creatio). Die herrschende Ansicht 
über die Entstehung der Welt war in früheren 
Jahrhunderten fast überall, wo denkende Menschen wohnten, der 
Glaube an die Schöpfung derselben. In Tausenden von 
interessanten, mehr oder weniger fabelhaften Sagen und Dichtungen, 
Kosmogonien und Kreations-Mythen hat dieser 
Schöpfungs-Glaube seinen mannigfaltigen Ausdruck gefunden. 
Frei davon blieben nur wenige große Philosophen und besonders 
jene bewunderungswürdigen freien Denker des klassischen 
Alterthums, die zuerst den Gedanken der natürlichen 
Entwickelung erfaßten. Im Gegensatz zu diesem letzteren 
trugen trugen alle jene Schöpfungs-Mythen den Charakter des 
Uebernatürlichen, Wunderbaren oder Transcendenten. 
Unfähig, das Wesen der Welt selbst zu erkennen und ihre 
Entstehung durch natürliche Ursachen zu erklären, 
mußte die unentwickelte Vernunft selbstverständlich zum 
Wunder greifen. In den meisten Schöpfungs-Mythen 
verknüpfte sich mit dem Wunder der Anthropismus. Wie 
der Mensch mit Absicht und durch Kunst seine Werke schaffte, so sollte 
der bildende "Gott" planmäßig die Welt erschaffen haben; die 
Vorstellung dieses Schöpfers war meistens ganz anthropomorph, 
ein offenkundiger "anthropistischer Kreatismus". Der 
"allmächtige Schöpfer Himmels und der Erden", wie er im 
ersten Buch Moses' und in unserem heute noch gültigen 
Katechismus schafft, ist ebenso ganz menschlich gedacht wie der 
moderne Schöpfer von Agassiz und Reinke oder der 
intelligente "Maschinen-Ingenieur" von anderen Biologen der 
Gegenwart.
 Schöpfung des Weltalls und der Einzeldinge (Kreation 
der Substanz und der Accidenzen). Bei tieferem Eingehen in den 
Wunderbegriff der Kreation können wir als zwei wesentlich 
verschiedene Akte die totale Schöpfung des Weltalls und die 
partielle Schöpfung der einzelnen Dinge unterscheiden, 
entsprechend dem Begriffe Spinoza's von der Substanz 
(dem Universum) und den Accidenzen (oder Modi, 
den einzelnen "Erscheinungsformen der Substanz"). Diese 
Unterscheidung ist principiell wichtig; denn es hat viele angesehene 
Philosophen gegeben (und es giebt noch heute solche), welche die 
erstere annehmen, die letztere dagegen verwerfen.
 Schöpfung der Substanz (kosmologischer 
Kreatismus). Nach dieser Schöpfungslehre hat "Gott die Welt 
aus dem Nichts geschaffen". Man stellt sich vor, daß der "ewige 
Gott" (als vernünftiges, aber immaterielles Wesen!) für sich 
allein von Ewigkeit her (im Raum) ohne Welt existirte, bis dann einmal 
auf den Gedanken kam, "die Welt zu schaffen". Die einen Anhänger 
dieses Glaubens beschränken die Schöpfungsthätigkeit 
Gottes auf's Aeußerste, auf einen einzigen Akt; sie nehmen an, 
daß der extramundane Gott (dessen übrige Thätigkeit 
räthselhaft bleibt!) in einem Augenblick die Substanz erschaffen, 
ihr die Fähigkeit zur weitestgehenden Entwickelung beigelegt und 
sich dann nie weiter um sie bekümmert habe. Diese weit 
verbreitete Ansicht ist namentlich im englischen Deismus 
vielfach ausgebildet worden; sie nähert sich unserer monistischen 
Entwickelungslehre bis zur Berührung und giebt sie nur in dem 
einen Momente (der Ewigkeit!) preis, in welchem Gott auf den 
Schöpfungsgedanken kam. Andere Anhänger des 
kosmologischen Kreatismus nehmen dagegen an, daß "Gott der 
Herr" die Substanz nicht bloß einmal erschaffen habe, sondern als 
bewußter "Erhalter und Regierer der Welt" in deren Geschichte 
fortwirke. Viele Variationen dieses Glaubens nähern sich bald dem 
Pantheismus, bald dem konsequenten Theismus. Alle diese 
und ähnliche Formen des Schöpfungsglaubens sind 
unvereinbar mit dem Gesetz der Erhaltung der Kraft und des Stoffs; 
dieses kennt keinen "Anfang der Welt".
Besonders interessant ist, daß E. Du Bois-Reymond in seiner 
letzten Rede (über Neovitalismus, 1894) sich zu diesem 
kosmologischen Kreatismus (als Lösung des größten 
Welträthsels!) bekannt hat; er sagt; "Der göttlichen 
Allmacht würdig allein ist, sich zu denken, daß sie vor 
undenklicher Zeit durch einen Schöpfungsakt die ganze 
Materie so geschaffen habe, daß nach der Materie mitgegebenen 
unverbrüchlichen Gesetzen da, wo die Bedingungen für 
Entstehen und Fortbestehen von Lebewesen vorhanden waren, 
beispielweise hier auf Erden, einfachste Lebewesen entstanden, aus 
denen ohne weitere Nachhülfe die heutige Natur von einer 
Urbacille bis zum Palmenwalde, von einem Urmikrokokkus bis zu 
Suleima's holden Gebärden, bis zu Newton's Gehirn ward. So 
kämen wir mit einem Schöpfungstage (!) aus und 
ließen ohne alten und neuen Vitalismus die organische Natur rein 
mechanisch entstehen." Hier wie bei der Bewußtseins-Frage in der 
Ignorabimus-Rede (S. 73) offenbart Du Bois-reymond in 
auffallender Weise die geringe Tiefe und Folgerichtigkeit seines 
monistischen Denkens. 
 Schöpfung der Einzeldinge (ontologischer 
Kreatismus). Nach dieser individuellen, noch jetzt herrschenden 
Schöpfungslehre hat Gott der herr nicht nur die Welt im Ganzen 
("aus Nichts!") geschaffen, sondern auch alle einzelnen Dinge in 
derselben. In der christlichen Kulturwelt besitzt noch heute die uralte 
semitische, aus dem ersten Buch Moses herübergekommene 
Schöpfungssage die weiteste Geltung; selbst unter den modernen 
Naturforschern findet sie noch hie und da gläubige 
Anhänger. Ich habe meine kritische Auffassung derselben im 
ersten Kapitel meiner "Natürlichen Schöpfungsgeschichte" 
eingehend dargelegt. Als interessante Modifikationen dieses 
ontologischen Kreatismus dürften folgende Theorien zu 
unterscheiden sein: I. Dualistische Kreation: Gott hat sich auf 
zwei Schöpfungsakte beschränkt; zuerst schuf er die 
anorganische Welt, die todte Substanz, für die allein das Gesetz der 
Energie gilt, blind und ziellos wirkend im Mechanismus der 
Weltkörper und der Gebirgsbildung; später erwarb Gott 
Intelligenz und theilte diese den Dominanten mit, den zielstrebigen, 
intelligenten Kräften, welche die Entwickelung der Organismen 
bewirken und leiten (Reinke). II. Trialistische Kreation: 
Gott die Welt in drei Hauptakten geschaffen: A. Schöpfung 
des Himmels (d. h. der außerirdischen Welt); B. Schöpfung 
der Erde (als Mittelpunkt der Welt) und ihrer Organismen; C. 
Schöpfung des Menschen (als Ebenbild Gottes): dieses Dogma ist 
noch heute weit verbreitet unter christlichen Theologen und anderen 
"Gebildeten"; es wird in vielen Schulen als Wahrheit gelehrt. III. 
Heptamerale Kreation: die Schöpfung in sieben Tagen (nach 
Moses). Obgleich nur wenige Gebildete heute noch wirklich an 
diesen mosaischen Mythus glauben, wird er dennoch unseren Kindern 
schon in der frühesten Jugend mit dem Bibel-Unterricht fest 
eingeprägt. Die vielfachen, namentlich in England gemachten 
Versuche, denselben mit der modernen Entwickelungslehre in Einklang 
zu bringen, sind völlig fehlgeschlagen. Für die 
Naturwissenschaft gewann derselbe dadurch große Bedeutung, 
daß Linné bei Begründung seines Natur-Systems 
(1735) ihn annahm und zur Begriffs-Bestimmung der organischen (von 
ihm für beständig gehaltenen Species benutzte: "Es 
giebt so viele verschiedene Arten von Thieren und Pflanzen, als im 
Anfang von dem unendlichen Wesen reschaffen worden sind." Dieses 
Dogma wurde ziemlich allgemein bis auf Darwin (1859) 
festgehalten, obgleich Lamarck schon 1809 seine Unhaltbarkeit 
dargelegt hatte. IV. Periodische Kreation: im Anfang jeder 
Periode der Erdgeschichte wurde die ganze Thier- und Pflanzen-Bevölkerung
neu geschaffen und am Ende derselben durch eine 
allgemeine Katastrophe vernichtet; es giebt so viele
General-Schöpfungs-Akte, als getrennte geologische Perioden auf einander 
folgten (die Katastrophen-Theorie von Cuvier, 1818, und von 
Louis Agassiz, 1858). Die Paläontologie, welche in ihren 
unvollkommenen Anfängen (in der ersten Hälfte des 19. 
Jahrhunderts) diese Lehre von den wiederholten Neuschöpfungen 
der organischen Welt zu stützen schien, hat dieselbe später 
vollständig widerlegt. V. Individuelle Kreation: jeder 
einzelne Mensch - ebenso wie jedes einzelne Thier und jedes Pflanzen-Individuum
- ist nicht durch einen natürlichen Fortpflanzungs-Akt entstanden, sondern
durch die Gnade Gottes geschaffen ("der alle 
Dinge kennt und die Haare auf unserem Haupte gezählt hat"). man 
liest diese christliche Schöpfungs-Ansicht noch heute oft in den 
Zeitungen, besonders bei Geburts-Anzeigen ("Gestern schenkte uns der 
gnädige Gott einen gesunden Knaben" u. s. w.). Auch die 
individuellen Talente und Vorzüge unserer Kinder werden oft als 
"besondere Gaben Gottes" dankbar anerkannt (die erblichen Fehler 
gewöhnlich nicht!).
 Entwickelung (Genesis, Evolutio). Die 
Unhaltbarkeit der Schöpfungs-Sagen und des damit 
verknüpften Wunderglaubens mußte sich schon 
frühzeitig denkenden Menschen aufdrängen; wir finden 
daher schon vor mehr als zweitausend Jahren zahlreiche Versuche, 
dieselben durch eine vernünftige Theorie zu ersetzen und die 
Entstehung der Welt mittelst natürlicher Ursachen zu 
erklären. Allen voran stehen hierin wieder die großen 
Denker der ionischen Naturphilosophie, ferner Demokritos, Heraklitos, 
Empedokles, Aristoteles, Lukretius und andere Philosophen des 
Alterthums. Die ersten unvollkommenen Versuche, welche sie 
unternahmen, überraschen uns zum Theil durch strahlende 
Lichtblicke des Geistes, die als Vorläufer moderner Ideen 
erscheinen. Indessen fehlte dem klassischen Alterthum jener sichere 
Boden der naturphilosophischen Spekulation, der erst durch 
unzählige Beobachtungen und Versuche der Neuzeit gewonnen 
wurde. Während des Mittelalters - und besonders während 
der Gewaltherrschaft des Papismus - ruhte die wissenschaftliche 
Forschung auf diesem Gebiete ganz. Die Tortur und die Scheiterhaufen 
der Inquisition sorgten dafür, daß der unbedingte Glaube an 
die hebräische Mythologie des Moses als definitive Antwort auf 
alle Schöpfungsfragen galt. Selbst diejenigen Erscheinungen, die 
unmittelbar zur Beobachtung der Entwickelungs-Thatsachen 
aufforderten, die Keimesgeschichte der Thiere und Pflanze, die 
Embryologie des Menschen, blieben unbeachtet oder erregten nur hier 
und da das Interesse einzelner wißbegieriger Beobachter; aber ihre 
Entdeckungen wurden ignorirt und vergessen. Außerdem wurde 
der wahren Erkenntniß der natürlichen Entwickelung ihr 
Weg von vornherein durch die herrschende Präformations-Lehre
versperrt, durch das Dogma, daß die charakterische 
Form und Struktur jeder Thier- und Pflanzen-Art schon im Keime 
vorgebildet sei (vergl. S. 26).
 Entwickelungslehre (Genetik, Evolutismus, 
Evolutionismus). Die Wissenschaft, die wir heute 
Entwickelungslehre (im weitesten Sinne) nennen, ist sowohl im Ganzen 
als in ihren einzelnen Theilen ein Kind des 19. Jahrhunderts; sie 
gehört zu dessen wichtigsten und glänzendsten 
Erzeugnissen. Thatsächlich ist dieser Begriff, der noch im 18. 
Jahrhundert fast unbekannt war, heute bereits ein fester Grundstein 
unserer ganzen Weltanschauung geworden. Ich habe die 
Grundzüge derselben in früheren Schriften ausführlich 
behandelt, am eingehendsten in der "Generellen Morphologie" (1866), 
sodann mehr popular in der "Natürlichen 
Schöpfungsgeschichte" (1868), zehnte Auflage 1902) und mit 
besonderer Beziehung auf den Menschen in der "Anthropogenie" (1874, 
fünfte Auflage 1903). Ich beschränke mich daher hier auf 
eine kurze Uebersicht der wichtigsten Fortschritte, welche die 
Entwickelungslehre im Laufe des 19. Jahrhunderts gemacht hat; sie 
betrifft die natürliche Entstehung 1. des Kosmos, 2. der Erde, 3. 
der irdisichen Organismen und 4. des Menschen.
 I. Monistische Kosmogenie. Den ersten "Versuch", die 
Verfassung und den mechanischen Ursprung des ganzen 
Weltgebäudes nach "Newton'schen Grundsätzen" - d. 
h. durch mathematische und physikalische Gesetze - in einfachster 
Weise zu erklären, unternahm Immanuel Kant in seinem 
berühmten Jugendwerke, der "Allgemeinen Naturgeschichte und 
Theorie des Himmels" (1755). Leider blieb dieses großartige und 
kühne Werk 90 Jahre hindurch fast unbekannt; es wurde erst 
1845 durch Alexander Humboldt wieder ausgegraben, im ersten 
Bande seines "Kosmos". Inzwischen war aber der große 
französische Mathematiker Pierre Laplace 
selbstständig auf ähnliche Theorien wie Kant 
gekommen und führte dieselben mit mathematischer 
Begründung weiter aus in seiner "Exposition du systme du 
monde" (1796). Sein Hauptwerk "Mécanique céleste"
erschien 
im Jahre 1799. Die übereinstimmenden Grundzüge der 
Kosmogenie von Kant und Laplace beruhen bekanntlich 
auf einer mechanischen Erklärung der Planeten-Bewegungen und 
der daraus abgeleiteten Annahme, daß alle Weltkörper 
ursprünglich aus rotirenden Nebenbällen durch Verdichtung 
entstanden sind. Diese "Nebular-Hypothese" oder 
"kosmologische Gas-Theorie" ist zwar später vielfach 
verbessert und ergänzt worden, sie besteht aber noch heute 
unerschüttert als der beste von allen Versuchen, die Entstehung 
des Weltgebäudes einheitlich und mechanisch zu erklären 
(vergl. Wilhelm Bölsche, Entwickelungsgeschichte der 
Natur. I. Bd. 1894). In neuester Zeit hat dieselbe eine bedeutungsvolle 
Ergänzung und zugleich Verstärkung durch die Annahme 
gewonnen, daß dieser kosmologische Proceß nicht nur 
einmal stattgefunden, sondern sich periodisch wiederholt hat. 
Während in gewissen Theilen des unendlichen Weltraums aus 
rotirenden Nebenbällen neue Weltkörper entstehen und sich 
entwickeln, werden in anderen Theilen desselben umgekehrt alte, 
erkaltete und abgestorbene Weltkörper durch Zusammenstoß 
wieder zerstäubt und in diffuse Nebenmassen aufgelöst. 
(Vergl. Zehnder, Die Mechanik des Weltalls. 1897.)
 Anfang und Ende der Welt. Fast alle älteren und neueren 
Kosmogonien und so auch die meisten, die sich an Kant und 
Laplace anschlossen, gingen von der herrschenden Ansicht aus, 
daß die Welt einen Anfang gehabt habe. So hätte sich 
"im Anfang" nach einer vielverbreiteten Form der "Nebular-Hypothese" 
ursprünglich ein ungeheurer Nebelball aus äußerst 
dünner und leichter Materie gebildet, und in einem bestimmten 
Zeitpunkte ("vor undenklich langer Zeit") habe in diesem eine Rotations-Bewegung
angefangen. Ist der "erste Anfang" dieser kosmogenen 
Bewegung erst einmal gegeben, so lassen sich dann nach jenen 
mechanischen Principien die weiteren Vorgänge in der Bildung 
der Weltkörper, der Sonderung der Planeten-Systeme u. s. w. 
sicher ableiten und mathematisch begründen. Dieser erste 
"Ursprung der Bewegung" ist das zweite 
"Welträthsel" von Du Bois-Reymond; er erklärt 
dasselbe für transcendent. Auch viele andere Naturforscher 
und Philosophen kommen um diese Schwierigkeit nicht herum und 
resigniren mit dem Geständniß, daß man hier einen 
ersten "übernatürlichen Anstoß", also ein "Wunder", 
annehmen müsse.
Nach unserer Ansicht wird dieses "zweite Welträthsel" durch die 
Annahme gelöst, daß die Bewegung ebenso eine 
immanente und ursprüngliche Eigenschaft der Substanz ist 
wie die Empfindung (S. 91). Die Berechtigung zu dieser 
monistischen Annahme finden wir erstens im Substanz-Gesetz und 
zweitens in den großen Fortschritten, welche die Astronomie und 
Physik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemacht haben. 
Durch die Spektral-Analyse von Bunsen und 
Kirchhoff (1860) haben wir nicht nur erfahren, daß die 
Millionen Weltkörper, welche den unendlichen Weltraum 
erfüllen, aus denselben Materien bestehen wie unsere Sonne und 
Erde, sondern auch, daß sie sich in verschiedenen Zuständen 
der Entwickelung befinden; wir haben sogar mit ihrer Hülfe 
Kenntnisse über die Bewegungen und Entfernungen der Fixsterne 
gewonnen, welche durch das Fernrohr allein nicht erkannt werden 
konnten. Ferner ist das Teleskop selbst sehr bedeutend 
verbessert worden und hat uns mit Hülfe der Photographie 
eine Fülle von astronomischen Entdeckungen geschenkt, welche im 
Beginne des 19. Jahrhunderts noch nicht geahnt werden konnten. 
Insbesondere hat die bessere Kenntniß der Kometen und 
Sternschnuppen, der Sternhaufen und Nebenflecke, uns die große 
Bedeutung der kleinen Weltkörper kennen gelehrt, welche zu 
Milliarden zwischen den größeren Sternen im Weltraum 
vertheilt sind. 
Wir wissen jetzt auch, das die Bahnen der Millionen von 
Weltkörpern veränderlich und zum Theil 
unregelmäßig sind, während man früher die 
Planeten-Systeme als beständig betrachtete und die rotirenden 
Bälle in ewiger Gleichmäßigkeit ihre Kreise beschreiben 
ließ. Wichtige Aufschlüsse verdankt die Astrophysik aber 
auch den gewaltigen Fortschritten in anderen Gebieten der Physik, vor 
Allem in der Optik und Elektrik, sowie in der dadurch geförderten 
Aether-Theorie. Endlich und vor Allem erweist sich auch hier wieder als 
größter Fortschritt unserer Natur-Erkenntniß das 
universale Substanz-Gesetz. Wir wissen jetzt, daß dasselbe 
ebenso überall in den fernsten Welträumen unbedingte 
Geltung hat wie in unserem Planeten System, ebenso in dem kleinsten 
Theilchen unserer Erde wie in der kleinsten Zelle unseres Körpers. 
Wir sind aber auch zu der wichtigen Annahme berechtigt und logisch 
gezwungen, daß die Erhaltung der Materie und der Energie zu allen 
Zeilen ebenso allgemein bestanden hat, wie sie heute ohne Ausnhame 
besteht. In alle Ewigkeit war, ist und bleibt das unendliche 
Universum dem Substanz-Gesetz unterworfen. 
Aus allen diesen gewaltigen Fortschritten der Astronomie und Physik, 
die sich gegenseitig erläutern und ergänzen, ergiebt sich 
eine Reihe von überaus wichtigen Schlüssen über die 
Zusammensetzung und Entwickelung des Kosmos, über die 
Beharrung und Umbildung der Substanz. Wir fassen dieselben kurz in 
folgenden Thesen zusammen: I. Der Weltraum ist unendlich 
groß und unbegrenzt; er ist nirgends leer, sondern allenthalben mit 
Substanz erfüllt. II. Die Weltzeit ist ebenfalls unendlich und 
unbegrenzt; sie hat keinen Anfang und kein Ende, sie ist Ewigkeit. III. 
Die Substanz befindet sich überall und jeder Zeit in 
ununterbrochener Bewegung und Veränderung; nirgends herrscht 
vollkommene Ruhe und Starre; dabei bleibt aber die unendliche 
Quantität der Materie ebenso unverändert wie diejenige der 
ewig wechselnden Energie. IV. Die Universal-Bewegung der Substanz im 
Weltraum ist ein ewiger Kreislauf mit periodisch sich 
wiederholenden Entwickelungs-Zuständen. V. Diese Phasen 
bestehen in einem periodischen Wechsel der Aggregat-Zustände, wobei
zunächst die primäre Sonderung 
von Massse und Aether eintritt (die Ergonomie von ponderabler und 
imponderabler Materie). VI. Diese Sonderung beruht auf einer 
fortschreitenden Verdichtung der Materie, der Bildung von 
unzähligen kleisten Verdichtungs-Centren, wobei die immanenten 
Ureigenschaften der Substanz die bewirkenden Ursachen sind: 
Fühlung und Strebung. VII. Während in einem Theile des 
Weltraums durch diesen pyknotischen Proceß zunächst 
kleine weiterhin größere Weltkörper entstehen und 
der Aether zwischen ihnen in höhere Spannung tritt, erfolgt 
gleichzeitig in dem anderen Theile der entgegengesetzte Proceß, die 
Zerstörung von Weltkörpern, welche auf einander 
stoßen. VIII. Die ungeheuren Wärme-Quantitäten, 
welche durch diese mechanischen Processe bei den 
Zusammenstößen der rotirenden Weltkörper erzeugt 
werden, stellen die neuen lebendigen Kräfte dar, welche die 
Bewegung der dabei gebildeten kosmischen Staubmassen und die 
Neubildung rotirender Bälle bewirken: das ewige Spiel 
beginnt wieder von Neuem. Auch unsere Mutter Erde, die vor Millionen 
von Jahrtausenden aus einem Theile des rotirenden Sonnen-Systems 
entstanden ist, wird nach Verfluß weiterer Millionen erstarren 
und, nachdem ihre Bahn immer kleiner geworden, in die Sonne 
stürzen. 
Besonders wichtig für die klare Einsicht in den universalen 
kosmischen Entwickelungs-Proceß scheinen mir diese modernen 
Vorstellungen über periodisch wechselnden Untergang und 
Neubildung der Weltkörper, die wir den gewaltigen neueren 
Fortschritten der Physik und Astronomie verdanken, in Verbindung mit 
dem Substanz-Gesetz. Unsere Mutter "Erde" schrumpft dabei auf 
den Werth eines winzigen "Sonnenstäubchens" zusammen, wie 
deren ungezählte Millionen im unendlichen Weltenraum 
umherjagen. Unser eigenes "Menschenwesen", welches in seinem 
anthropistischen Größenwahn sich als "Ebenbild Gottes" 
verherrlicht, sinkt zur Bedeutung eines placentalen Säugethiers 
hinab, welches nicht mehr Werth für das ganze Universum besitzt 
als die Ameise und die Eintagfliege, als das mikroskopische Infusorium 
und der winzigste Bazillus. Auch wir Menschen sind nur 
vorübergehende Entwickelungs-Zustände der ewigen 
Substanz, individuelle Erscheinungsformen der Materie und Energie, 
deren Nichtigkeit wir begreifen, wenn wir sie dem unendlichen Raum 
und der unendlichen Zeit gegenüberstellen. 
 Raum und Zeit. Seitdem Kant die Begriffe von Raum und 
Zeit als bloße "Formen der Anschauung" erklärt hat - den 
Raum als Form der äußeren, die Zeit als Form der inneren 
Anschauung -, hat sich über diese wichtigen Probleme der 
Erkenntniß ein gewaltiger Streit erhoben, der auch heute noch 
fortdauert. Bei einem großen Teile der modernen Metaphysiker hat 
sich die Ansicht befestigt, daß dieser "kritischen That" als 
Ausgangpunkt einer "rein idealistischen Erkenntniß-Theorie" die 
größte Bedeutung beizulegen sei, und daß damit die 
natürliche Ansicht des gesunden Menschen-Verstandes von der 
Realität des Raumes und der Zeit wiederlegt sei. Diese 
einseitige und ultraidealistische Auffassung jener beiden Grundbegriffe 
ist die Quelle der größten Irrthümer geworden; sie 
übersieht, daß Kant mit jenem Satze nur die eine Seite 
des Problems, die subjektive, streifte, daneben aber die andere, 
die objektive, als gleichberechtigt anerkannte; er sagte: "Raum 
und Zeit haben empirische Realität, aber transcendentale 
Idealität." Mit diesem Satze Kant's kann sich unser 
moderner Monismus wohl einverstanden erklären, nicht aber mit 
jener einseitigen Geltendmachung der subjektiven Seite des Problems; 
denn diese führt in ihrer Konsequenz zu jenem absurden 
Idealismus, der in Berkeley's Satze gipfelt: "Körper sind nur 
Vorstellungen, ihr Dasein besteht im Wahrgenommenwerden". Dieser 
Satz sollte heißen: "Körper sind für mein 
persönliches Bewußtsein nur Vorstellungen; ihr Dasein ist 
ebenso real wie daßjenige meiner Denkorgane, nämlich der 
Ganglienzellen des Großhirns, welche die Eindrücke der 
Körper auf meine Sinnesorgane aufnehmen und durch Associon 
derselben jene Vorstellung bilden." Ebenso gut, wie ich die 
"Realität von Raum und Zeit" bezweifle, oder gar leugne, kann ich 
auch diejenige meines eigenen Bewußtseins leugnen; im Fieber-Delirium, in
Hallucinationen, im Traum, im Doppelbewußtsein halte 
ich Vorstellungen für wahr, welche nicht real, sondern 
"Einbildungen" sind; ich halte sogar meine eigene Person für eine 
andere (S. 76); das berühmte "Cogito ergo sum" gilt hier 
nicht mehr. Dagegen ist die Realität von Raum und Zeit jetzt 
endgültig bewiesen durch die Erweiterung unserer 
Weltanschauung, welche wir dem Substanz-Gesetz und der monistischen 
Kosmogenie verdanken. Nachdem wir die unhaltbare Vorstellung vom 
"leeren Raum" glücklich abgestreift haben, bleibt uns als das 
unendliche, "raumerfüllende Medium" die Materie, 
und zwar in ihren beiden Formen: Aether und Masse. Und 
ebenso betrachten wir auf der anderen Seite als das 
"zeiterfüllende Geschehen" die ewige Bewegung oder 
genetische Energie, welche sich in der ununterbrochenen 
Entwickelung der Substanz äußert, in dem 
"Perpetuum mobile" des Universum.
 Universum perpetuum mobile. Da jeder bewegte Körper 
seine Bewegung so lange fortsetzt, als ihn nicht äußere 
Umstände daran hindern, kam der Mensch schon vor 
Jahrtausenden auf den Gedanken, Apparate zu bauen, die sich einmal in 
Bewegung gesetzt, immerfort in derselben Weise weiter bewegen. Man 
übersah dabei, daß jede Bewegung auf äußere 
Hindernisse stößt und allmählich aufhört, wenn 
nicht ein neuer Anstoß von außen erfolgt, wenn nicht eine 
neue Kraft zugeführt wird, die jede Hindernisse überwindet. 
So würde z. B. ein schwingendes Pendel in Ewigkeit mit derselben 
Geschwindigkeit sich hin und her bewegen, wenn nicht Widerstand der 
Luft und die Reibung im Aufhängepunkte die mechanische 
lebendige Kraft seiner Bewegung aufhöben und in Wärme 
verwandelten. Wir müssen ihn durch einen neuen Anstoß 
(oder bei der Pendeluhr durch Aufziehen des Gewichtes) neue 
mechanische Kraft zuführen. Daher ist die Konstruktion einer 
Maschine, welche ohne äußere Hülfe einen einen 
Arbeitsüberschuß erzeugt, durch den sie sich selbst 
immerfort in Gang erhält, unmöglich. Alle Versuche, ein 
solches Perpetuum mobile zu bauen, mußten fehlschlagen; 
die Erkenntniß des Substanz-Gesetzes bewies sodann auch 
theoretisch die Unmöglichkeit desselben.
Anders verhält es sich aber, wenn wir den Kosmos als 
Ganzes in's Auge Fassen, das unendliche Weltall, welches in ewiger 
Bewegung begriffen ist. Die unendliche Materie, welche objektiv 
denselben erfüllt, nennen wir in unserer subjektiven Vorstellung 
"Raum"; die ewige Bewegung derselben, die objektiv eine 
periodische, in sich selbst zurückkehrende Entwickelung darstellt, 
nennen wir subjektiv "Zeit". Diese beiden "Formen der 
Anschauung" überzeugen uns von der Unendlichkeit und Ewigkeit 
des Weltalls. Damit ist aber zugleich gesagt, daß das ganze 
Universum selbst ein allumfassendes Perpetuum mobile 
ist. Diese unendliche und ewige "Maschine des Weltalls" erhält sich 
selbst in ewiger und ununterbrochener Bewegung, weil jedes 
Hinderniß durch ein "Aequivalent der Energie" ausgeglichen wird, 
weil die unendlich große Summe der aktuellen und 
potentiellen Energie ewig dieselbe bleibt. Das Gesetz von der Erhaltung 
der Kraft beweist also, daß die Vorstellung des Perpetuum 
mobile für den ganzen Kosmos ebenso wahr und 
fundamental bedeutend ist, wie sie für die isolierte Aktion eines 
Theiles desselben unmöglich ist. Dadurch wird auch die 
Lehre von der Entropie widerlegt. 
 Entropie des Weltalls. Der scharfsinnige Begründer der 
mechanischen Wärmetheorie (1850), Clausius, 
faßte den wichtigsten Inhalt dieser bedeutungsvollen Lehre in zwei 
Hauptsätzen zusammen. Der erste Hauptsatz lautet: "Die Energie 
des Weltalls ist konstant"; er bildet die eine Hälfte unseres 
Substanz-Gesetzes, das "Energie-Princip" (S. 93). Der zweite Hauptsatz 
behauptet: Die Entropie des Weltalls strebt einem Maximum zu"; 
dieser zweite Hauptsatz ist nach unserer Ansicht ebenso irrig, wie der 
erste richtig ist. Nach der Ansicht von Clausius zerfällt die 
Gesammt-Energie des Weltalls in zwei Theile, von denen der eine (als 
Wärme von höherer Temperatur, als mechanische, 
elektrische, chemische Energie u. s. w.) noch theilweise in Arbeit 
umsetzbar ist, der andere dagegen nicht; diese letztere, die bereits in 
Wärme verwandelte und in kälteren Körpern 
angesammelte Energie, ist für weitere Arbeitsleistung 
unwiederbringlich verloren. Diesen unverbrauchten Energie-Theil, der 
nicht mehr in mechanische Arbeit umgesetzt werden kann, nennt 
Clausius Entropie (d. h. die nach innen gewendete Kraft); er 
wächst beständig auf Kosten des ersten Theils. Da nun 
tagtäglich immer mehr mechanische Energie des Weltalls in 
Wärme übergeht und diese nicht in die erstere 
zurückverwandelt werden kann, muß die gesammte 
(unendliche!) Quantität der Wärme und Energie immer mehr 
zerstreut und herabgesetzt werden. Alle Temperatur-Unterschiede 
müßten zuletzt verschwinden und die völlig gebundene 
Wärme gleichmäßig in einem einzigen trägen 
Klumpen von starrer Materie verbreitet sein; alles organische Leben und 
alle organische Bewegung würde aufgehört haben, wenn 
dieses Maximum der Entropie erreicht wäre; das wahre 
"Ende der Welt" wäre da. Vergl. Felix Auerbach, Die 
Weltherrin und ihr Schatten, 1902.
Wenn diese Lehre von der Entropie richtig wäre, so 
müßte dem angenommenen "Ende der Welt" auch ein 
ursprünglicher "Anfang" derselben entsprechen, ein 
Minimum der Entropie, in welchem die Temperatur-Differenzen 
der gesonderten Welttheile die größten waren. Beide 
Vorstellungen sind nach unserer monistischen und streng konsequenten 
Auffassung des ewigen kosmogenetischen Processes gleich unhaltbar; 
beide widersprechen dem Substanz-Gesetz. Es giebt einen Anfang der 
Welt ebenso wenig als ein Ende derselben. Wie das Universum 
unendlich ist, so bleibt es auch ewig in Bewegung; ununterbrochen 
findet eine Verwandlung der lebendigen Kraft in Spannkraft statt und 
umgekehrt; und die Summe dieser aktuellen und potentiellen Energie 
bleibt immer dieselbe. Der zweite Hauptsatz der mechanischen 
Wärme-Theorie widerspricht dem ersten und muß 
aufgegeben werden. 
Die Vertheidiger der Entropie behaupten dieselbe dagegen mit Recht, 
sobald sie nur einzelne Processe in's Auge fassen, bei welchen 
unter gewissen Bedingungen die gebundene Wärme nicht 
in Arbeit zurückberwandelt werden kann. So kann z. B. bei der 
Dampfmaschine die Wärme nur dann in mechanische Arbeit 
umgewandelt werden, wenn sie aus einem wärmeren Körper 
(Dampf) in einen kälteren (Kühlwasser) übergeht, aber 
nicht umgekehrt. Im großen Ganzen des Weltalls herrschen 
aber ganz andere Verhältnisse; hier sind Bedingungen gegeben, in 
denen auch die umgekehrte Verwandlung der latenten Wärme in 
mechanische Arbeit stattfinden kann. So werden z. B. beim 
Zusammenstoße von zwei Weltkörpern, die mit ungeheurer 
Geschwindigkeit auf einander treffen, kolossale Wärme-Mengen 
frei, während die zerstäubten Massen in den Weltraum 
hinausgeschleudert und zerstreut werden. Das ewige Spiel der 
rotirenden Massen mit Verdichtung der Theile, Ballung neuer kleiner 
Meteoriten, Vereinigung derselben zu größeren u. s. w. 
beginnt dann von Neuem. Vergl. Zehnder, Die Mechanik des 
Weltalls, 1897. 
II.  Monistische Geogenie. Die Entwickelungsgeschichte der 
Erde, auf die wir jetzt noch einen flüchtigen Blick werfen, bildet 
nur einen winzig kleinen Theil von derjenigen des Kosmos. Sie ist zwar 
auch gleich dieser seit mehreren Jahrtausenden Gegenstand der 
philosophischen Spekulation und noch mehr der mythologischen 
Dichtung gewesen; aber ihre wirklich wissenschaftliche Erkenntniß 
ist viel jünger und stammt zum weitaus größten Theile 
aus unserem 19. Jahrhundert. Im Princip war die Natur der Erde, als 
eines Planeten der um die Sonne kreist, schon durch das Weltsystem des 
Kopernikus (1543) bestimmt; durch Galilei, Keppler 
und andere große Astronomen war ihr Abstand von der Sonne, ihr 
Bewegungs-Gesetz u. s. w. mathematisch festgestellt. Auch war bereits 
durch die Kosmogenie von Kant und Laplace der Weg 
gezeigt, auf welchem sich die Erde aus der Mutter Sonne entwickelt 
hatte. Aber die spätere Geschichte unsers Planeten, die Umbildung 
seiner Oberfläche, die Entstehung der Kontinente und Meere, der 
Gebirge und Wüsten war noch zu Ende des 18. und den ersten 
beiden Decennien des 19. Jahrhunderts nur wenig Gegenstand ernster 
wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen; meistens begnügte 
man sich mit der Annahme der traditionellen Schöpfungssagen; 
insbesondere war es auch hier wieder der überlieferte Glaube an 
die mosaische Schöpfungsgeschichte, welcher der 
selbstständigen Forschung von vornherein den Weg zur wahren 
Erkenntniß verlegte.
Erst im Jahre 1822 erschien ein bedeutendes Werk, welches zur 
wissenschaftlichen Erforschung der Erdgeschichte diejenige Methode 
einschlug, die sich bald als die weitaus fruchtbarste erwies, die 
ontologische Methode oder das Princip des Aktualismus. 
sie besteht darin, daß wir die Erscheinungen der Gegenwart 
genau studiren und benutzen, um dadurch die ähnlichen 
geschichtlichen Vorgänge der Vergangenheit zu 
erklären. die Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 
hatte daraufhin 1818 eine Preisaufgabe gestellt für: "Die 
gründlichste und umfassendste Untersuchung über die 
Veränderungen der Erdoberfläche, welche in der Geschichte 
sich nachweisen lassen und die Anwendung, welche man von ihrer 
Kunde bei Erforschung der Erdrevolutionen, die außer dem Gebiete 
der Geschichte liegen, machen kann". Die Lösung dieser wichtigen 
Preisaufgabe gelang Karl Hoff aus Gotha in seinem 
ausgezeichneten Werke: "Geschichte der durch Ueberlieferungen 
nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der 
Erdoberfläche" (in vier Bänden, 1822-1834). In 
umfassendster Weise und mit größtem Erfolge wurde dann 
die von ihm begründete ontologische oder aktualistische 
Methode auf das gesammte Gebiet der Geologie von dem 
großen englischen Geologen Charles Lyell angewendet; seine 
Principien der Geologie (1830) legten den festen Grund, auf dem 
die folgende Geschichte der Erde mit so glänzenden Erfolge 
weiterbaute. Die bedeutungsvollen geogenetischen Forschungen von 
Alexander Humboldt und Leopold Buch, von Gustav 
Bischof und Eduard Süß, wie von vielen anderen 
modernen Geologen stützen sich sämmtlich auf die festen 
empirischen Grundlagen und spekulativen Principien, welche wir den 
bahnbrechenden Untersuchungen von Karl Hoff und Charles 
Lyell verdanken; sie machten der reinen, vernünftigen 
Wissenschaft die Bahn frei auf dem Gebiete der Erdgeschichte; sie 
entfernten die gewaltigen Hindernisse, welche auch hier die 
mythologische Dichtung und die religiöse Tradition 
aufgehäuft hatten, vor Allem die Bibel und die darauf 
gegründete christliche Mythologie. Ich habe die großen 
Verdienste von Charles Lyell und dessen Beziehungen zu seinem 
Freunde Charles Darwin bereits im sechsten und 
fünfzehnten Vortrage meiner "Natürlichen 
Schöpfungsgeschichte" besprochen für die weitere 
Kenntniß der Erdgeschichte und der gewaltigen Fortschritte, welche 
die dynamische und historische Geologie im neunzehnten Jahrhundert 
gemacht haben, verweise ist auf die bekannten Werke von 
Süß, Neumayr, Credner und Johannes 
Walther. 
Als zwei Hauptabschnitte der Ergeschichte müssen wir vor Allem 
die anorganische und organische Geogenie unterscheiden; 
die letztere beginnt mit dem ersten Auftreten lebender Wesen auf 
unserem Erdball. die anorganische Geschichte der Erde, der 
ältere Abschnitt, verlief in derselben Weise wie diejenige der 
übrigen Planeten unseres Sonnensystems; sie alle lösten sich 
vom Aequator des rotirenden Sonnen-Körpers als Nebelringe ab, 
welche sich allmählich zu selbstständigen Weltkörpern 
verdichteten. Aus dem gasförmigen Nebelball wurde durch 
Abkühlung der gluthflüssige Erdball, und weiterhin entstand 
an dessen Oberfläche durch fortschreitende Wärme-Ausstrahlung die
dünne feste Rinde, welche wir bewohnen. 
Erst nachdem die Temperatur an der Oberfläche bis zu einem 
gewissen Grade gesunken war, konnte sich aus der umgebenden 
Dampfhülle das erste tropfbar-flüssige Wasser 
niederschlagen, und damit war die wichtigste Vorbedingung für 
die Entstehung des organischen Lebens gegeben. Viele Millionen Jahre - 
jedenfalls mehr als hundert! - sind verflossen, seitdem dieser 
bedeutungsvolle Vorgang, der der Wasserbildung, eintrat und damit die 
Einleitung zum dritten Hauptabschnitt der Kosmogenie, zur 
Biogenie. 
III.  Monistische Biogenie. Der dritte Hauptabschnitt der 
Weltentwickelung beginnt mit der ersten Entstehung der Organismen 
auf unserem Erdball und dauert seitdem ununterbrochen bis zur 
Gegenwart fort. Die großen Welträthsel, welche dieser 
interessanteste Theil der Erdgeschichte uns vorlegt, galten noch im 
Anfange des 19. Jahrhunderts allgemein für unlösbar oder 
doch für so schwierig, daß ihre Lösung in weitester 
Ferne zu liegen schien; am Ende desselben dürfen wir mit 
berechtigtem Stolze sagen, daß sie durch die moderne 
Biologie und ihren Transformismus im Princip gelöst 
sind; ja selbst viele einzelne Erscheinungen dieses wunderbaren 
"Lebensreiches" sind heute so vollkommen physikalisch erklärt 
wie irgend ein wohlbekanntes physikalisches Phänomen in der 
anorganischen Natur. Das Verdienst, den ersten aussichtsreichen Schritt 
auf dieser schwierigen Lösung aller biologischen Probleme gezeigt 
zu haben, gebührt dem geistvollen französischen 
Naturforscher Jean Lamarck; er veröffentlichte 1809, im 
Geburtsjahre von Charles Darwin, seine gedankenreiche 
"Philosophie zoologique". In diesem originellen Werke ist nicht 
allein der großartige Versuch gemacht worden, alle Erscheinungen 
des organischen Lebens von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus zu 
erklären, sondern auch der Weg eröffnet, auf dem allein das 
schwierigste Räthsel dieses Gebietes gelöst werden kann, das 
Problem von der natürlichen Entstehung der organischen Species-Formen.
Lamarck, der gleich ausgedehnte empirische Kenntnisse 
in Zoologie und Botanik besaß, entwarf hier zum ersten Male die 
Grundzüge der Abstammungslehre oder Descendenz-Theorie; er zeigte,
wie alle die unzähligen Formen des Thier- 
und Pflanzenreiches durch allmähliche Umbildung aus 
gemeinsamen einfachsten Stammformen hervorgegangen sind, und wie 
die allmähliche Veränderung der Gestalten durch 
Anpassung, in Wechselwirkung mit Vererbung, diese 
langsame Transmutation bewirkt hat.
Im fünften Vortrage meiner "Natürlichen 
Schöpfungsgeschichte" habe ich die Verdienste von 
Lamarck nach Gebühr gewürdigt, im sechsten und 
siebenten Vortrage diejenigen seines größten Nachfolgers, 
Charles Darwin (1859). Durch ihn wurden fünfzig Jahre 
später nicht nur alle wichtigen Hauptsätze der Descendenz-Theorie
unwiderleglich begründet, sondern auch durch 
Einführung der Selektions-Theorie oder 
Züchtungslehre die Lücke ausgefüllt, welche der 
Erstere gelassen hatte. Der Erfolg, welchen Lamarck trotz aller 
Verdienste nicht hatte erlangen können, wurde Darwin in 
reichstem Maße zu Theil; sein epochemachendes Werk "Ueber den 
Ursprung der Arten durch natürliche Züchtung" hat im Laufe 
der letzten vierzig Jahre die ganze moderne Biologie von Grund aus 
umgestaltet und sie auf eine Stufe der Entwickelung gehoben, welche 
derjenigen aller übrigen Naturwissenschaften nichts nachgiebt. 
Darwin ist der Kopernikus der organischen Welt geworden, wie 
ich schon 1868 aussprach und wie E. Du Bois-Reymond 
fünfzehn Jahre später wiederholte. (Vergl. "Monismus", S. 
39) 
IV.  Monistische Anthropogenie. Als vierter und letzter 
Hauptabschnitt der Weltentwickelung kann für uns Menschen 
derjenige jüngste Zeitraum gelten, innerhalb dessen sich unser 
eigenes Geschlecht entwickelt hat. Schon Lamarck (1809) hatte 
klar erkannt, daß diese Entwickelung vernünftiger Weise nur 
auf einem natürlichen Wege denkbar sei, durch 
"Abstammung vom Affen", als von dem nächstverwandten 
Säugethiere. Huxley zeigte sodann (1863) in seiner 
berühmten Abhandlung über "die Stellung des Menschen in 
der Natur", daß diese bedeutungsvolle Annahme ein nothwendiger 
Folgeschluß der Descendenz-Theorie und durch anatomische, 
embryologische und paläontologische Thatsachen 
wohlbegründet sei; er erklärte diese "Frage aller Fragen" im 
Princip für gelöst. Darwin behandelte sodann dieselbe 
in geistreicher Weise von verschiedenen Seiten in seinem Werke 
über "die Abstammung des Menschen und die natürliche 
Zuchtwahl" (1871). Ich selbst hatte schon in meiner Generellen 
Morphologie (1866) diesem wichtigsten Special-Problem der 
Abstammungslehre ein besonderes Kapitel gewidmet. 1874 
veröffentlichte ich meine Anthropogenie, in der zum ersten 
Male der Versuch durchgeführt ist, die Abstammung des 
Menschen durch seine ganze Ahnenreihe bis zur ältesten 
archigonen Moneren-Form hinauf zu verfolgen; ich stützte mich 
dabei gleichmäßig auf die drei großen Urkunden der 
Stammesgeschichte, auf die vergleichende Anatomie, Ontogenie und 
Paläontologie (Fünfte umgearbeitete Auflage 1903). Wie 
weit wir in den letzten Jahren durch zahlreiche wichtige Fortschritte der 
anthropogenetischen Forschung gekommen sind, habe ich in dem 
Vortrage gezeigt, den ich 1898 auf dem internationalen Zoologen-Kongresse in
Cambridge "über unsere gegenwärtige 
Kenntniß vom Ursprung des Menschen" gehalten habe (Bonn, 
siebente Auflage 1899).
  
Inhalt, 
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
 
Copyright 1997. 
Kurt Stüber
 |