| Inhalt, 
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
 Copyright 1997. 
Kurt Stüber
 Fünfzehntes Kapitel
 Gott und die Welt.
Monistische Studien über Theismus und Pantheismus. Der 
anthropistische Monotheismus der drei großen Mediterran-Religionen.
Extramundaner und intramundaner Gott. 
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Inhalt: Gottes_Vorstellung im Allgemeinen. Gegensatz von Gott 
und Welt, von Uebernatürlichem und Natur. Theismus und 
Pantheismus. Hauptformen des Theismus. Polytheismus. Tripletheismus 
(Dreigötterei). Amphitheismus (Zweigötterei). Monotheismus 
(Eingötterei). Statistik der Religionen. Naturalistischer 
Monotheismus. Solarismus (Sonnenkultus). Anthropistischer 
Monotheismus. Die drei großen Mittelmeer-Religionen. Mosaismus 
(Jehovah). Christenthum (Trinität). Madonnen-Kultus und Heilige. 
Papistischer Polytheismus. Islam. Mixotheismus (Mischgötterei). 
Wesen des Theismus. Extramundaner und anthropomorpher Gott. 
Gasförmiges Wirbelthier. Pantheismus. Intramundaner Gott 
(Natur). Hylozoismus der ionischen Monisten (Anaximander). Konflikt 
des Pantheismus und des Christenthums. Spinoza. Moderner Monismus. 
Atheismus. 
 
Als letzten und höchsten Urgrund aller Erscheinungen betrachtet 
die Menschheit seit Jahrtausenden eine bewirkende Ursache unter dem 
Begriffe Gott (Deus, Theos). Wie alle anderen 
allgemeinen Begriffe, so ist auch dieser höchste Grundbegriff im 
Laufe der Vernunft-Entwicklung den bedeutendsten Umbildungen und 
den mannigfaltigsten Abartungen unterworfen gewesen. Ja man kann 
sagen, daß kein anderer Begriff so sehr umgestaltet und 
abgeändert worden ist; denn kein anderer berührt in gleich 
hohem Maße sowohl die höchsten Aufgaben des 
erkennenden Verstandes und der vernünftigen Wissenschaft als 
auch zugleich die tiefsten Interessen des gläubigen 
Gemüthes und der dichtenden Phantasie. 
Eine vergleichende Kritik der zahlreichen verschiedenen Hauptformen 
der Gottes-Vorstellung ist zwar höchst interessant und lehrreich, 
würde uns hier aber viel zu weit führen; wir müssen 
uns damit begnügen, nur auf die wichtigsten Gestaltungen der 
Gottes-Idee und auf ihre Beziehung zu unserer heutigen, durch die reine 
Natur-Erkenntniß bedingsten Weltanschauung einen 
flüchtigen Blick zu werfen. Für alle weiteren 
Untersuchungen über dieses unteressante Gebiet verweisen wir 
auf das ausgezeichnete, mehrfach citirte Werk von Adalbert 
Svoboda: "Gestalten des Glaubens" (2 Bände. Leipzig 1897). 
Wenn wir von allen feineren Abtönungen und bunten 
Gewandungen des Gottes-Bildes absehen, können wir füglich 
- mit Beschränkung auf den tiefsten Inhalt desselben - alle 
verschiedenen Vorstellungen darüber in zwei entgegengesetzte 
Haupt-Gruppen ordnen, in die theistische und die 
pantheistische Gruppe. Die letztere ist eng  verknüpft mit 
der monistischen oder rationellen, die erstere mit der 
dualistischen oder mystischen Weltanschauung. 
I.  Theismus: Gott und Welt sind zwei verschiedene Wesen.Gott 
steht der Welt gegenüber als deren Schöpfer, Erhalter und 
Regierer. Dabei wird Gott stets mehr oder weniger 
menschenähnlich gedacht, als ein Organismus, welcher dem 
Menschen ähnlich (wenn auch in höchst vollkommener 
Form) denkt und handelt. Dieser anthropomorphe Gott, offenbar 
polyphyletisch von den verschiedenen Naturvölkern erdacht, 
unterliegt in deren Phantasie bereits den manngfaltigsten Abstufungen, 
vom Fetischismus aufwärts bis zu den geläuterten 
monotheistischen Religionen der Gegenwart. Als wichtigste Unterarten 
der theistischen Begriffsbildung unterscheiden wir Polytheismus, 
Triplotheismus, Amphitheismus und Monotheismus.
 Polytheismus(Vielgötterei). Die Welt ist von vielen 
Göttern bevölkert, welche mehr oder weniger 
selbstständig in deren Getriebe eingreifen. Der Fetischismus 
findet dergleichen untergeordnete Götter in den verschiedensten 
leblosen Naturkörpern, in den Steinen, im Wasser, in der Luft, in 
menschlichen Kunstprodukten aller Art (Götterbildern, Statuen u. 
s. w.). Der Dämonismus erblickt Götter in lebendigen 
Organismen aller Art, in Bäumen, Thieren, Menschen. Diese 
Vielgötterei nimmt schon in den niedersten Religions-Formen der 
rohen Naturvölker sehr mannigfaltige Formen an. Sie erscheint auf 
der höchsten Stufe geläutert im hellenischen 
Polytheismus, in jenen herrlichen Göttersagen des alten 
Griechenlands, welche noch heute unserer modernen Kunst die 
schönsten Vorbilde für Poesie und Bildnerei liefern. Auf viel 
tieferer Stufe steht der katholische Polytheismus, in dem 
zahlreiche "Heilige" (oft von sehr zweifelhaftem Rufe!) als 
untergeordnete Gottheiten angebetet und um gütige Vermittlung 
beim obersten Gott (oder bei dessen Freundin und Tochter, der 
"Jungfrau Maria") ersucht werden.
Triplotheismus (Dreigötterei, Trinitäts-Lehre). Die 
Lehre von der "Dreieinigkeit Gottes", welche heute noch im 
Glaubensbekenntniß der christlichen Kulturvölker die 
grundlegenden "drei Glaubens-Artikel" bilden, gipfelt bekanntlich in der 
Vorstellung, daß der Eine Gott des Christenthums eigentlich 
in Wahrheit aus drei Personen von verschiedenem Wesen sich 
zusammensetzt: I. Gott der Vater ist der "allmächtige 
Schöpfer Himmels und der Erde" (dieser unhaltbare Mythus ist 
durch die wissenschaftliche Kosmogenie, Astronomie und Geologie 
längst widerlegt). II. Jesus Christus ist der "eingeborene 
Sohn Gottes des Vaters" (und zugleich der dritten Person, des "Heiligen 
Geistes!!), erzeugt durch unbefleckte Empfängniß der 
Jungfrau Maria (über diesen Mythus vergl. Kapitel 17). III. Der 
Heilige Geist, ein mystisches Wesen, über dessen 
unbegreifliches Verhältniß zum "Sohne" und zum Vater sich 
Millionen von christlichen Theologen seit 1900 Jahren den Kopf ganz 
umsonst zerbrochen haben. Die Evangelien, die doch die einzigen 
lauteren Quellen dieses christlichen Triplotheismus sind, lassen 
uns über die eigentlichen Beziehungen dieser drei Personen zu 
einander völlig im Dunkeln und geben auf die Frage nach ihrer 
räthselhaften Einheit keine irgend befriedigende Antwort. 
Dagegen müssen wir besonders darauf hinweisen, welche 
Verwirrung diese unklare und mystische Trinitäts-Lehre in den 
Köpfen unserer Kinder schon beim ersten Schulunterricht 
nothwendig anrichten muß. Montag Morgens in der ersten 
Unterrichtsstunde (Religion) lernen sie: Dreimal Eins ist Eins! - und 
gleich darauf in der zweiten Stunde (Rechnen): Dreimal Eins ist Drei! Ich 
erinnere mich selbst sehr wohl noch der Bedenken, welche dieser 
auffällgie Widerspruch in mir selbst beim ersten Unterricht 
erregte. - Uebrigens ist die "Dreieinigkeit" im Christenthum 
keineswegs originell, sondern gleich den meisten anderen Lehren 
desselben aus älteren Religionen übernommen. Aus dem 
Sonnendienste der chaldäischen Magier entwickelt sich die 
Trinität der Ilu, der geheimnisvollen Urquelle der Welt; 
ihre drei Offenbarungen waren Anu, das ursprüngliche 
Chaos, Bel, der Ordner der Welt, und Ao, das himmliche 
Licht, die Alles erleuchtende Weisheit. - In der Brahmanen-Religion 
wird die Trimurti als "Gottes-Einheit" ebenfalls aus drei Personen 
zusammengesetzt, aus Brahma (dem Schöpfer), 
Wischnu (dem Erhalter) und Schiwa (dem Zerstörer). 
Es scheint, daß in diesen wie in anderen Trinitäts-Vorstellungen die
"heilige Dreizahl" als solche - als 
"symbolische Zahl" - eine Rolle gespielt hat. Auch die drei ersten 
Christenpflichten "Glaube, Liebe, Hoffnung" bilden eine solche 
Triade. 
 Amphitheismus(Zweigötterei). Die Welt wird von zwei 
verschiedenen Göttern regiert, einem guten und einem 
bösen Wesen, Gott und Teufel. Beide Weltregenten 
befinden sich in einem beständigen Kampfe, wie Kaiser und 
Gegenkaiser, Papst und Gegenpapst. Das Ergebniß dieses Kampfes 
ist jederzeit der gegenwärtige Zustand dieser Welt. Der liebe 
Gott, als das gute Wesen, ist der Urquell des Guten und 
Schönen, der Lust und Freude. Die Welt würde vollkommen 
sein, wenn sein Wirken nicht beständig durchkreuzt würde 
von dem bösen Wesen, dem Teufel; dieser schlimme 
Satanas ist die Ursache alles Bösen und Häßlichen, der 
Unlust und des Schmerzes.
Dieser Amphitheismus ist unter allen verschiedenen Formen des 
Götterglaubens insofern der vernünftigste, als sich seine 
Theorie am ersten mit einer wissenschaftlichen Welterklärung 
verträgt. Wir finden ihn daher schon mehrere Jahrtausende vor 
Christus bei verschiedenen Kulturvölkern des Altherthums 
ausgebildet. Im alten Indien kämpft Wischnu, der Erhalter, 
mit Schiwa, dem Zerstörer. Im alten Egypten steht dem 
guten Osiris der böse Typhon gegenüber. Bei 
den ältesten Hebräern besteht ein ähnlicher Dualismus 
zwischen Aschera, der fruchtbar zeugenden Erdmutter (= 
Keturah), und Eljou (= Moloch oder Sethos), 
dem strengen Himmelsvater. In der Zend-Religion der alten Perser, von 
Zoroaster 2000 Jahre vor Christus gegründet, herrscht 
beständiger Kampf zwischen Ormudz, dem guten Gott des 
Lichtes, und Ahriman, dem bösen Gott der 
Finsterniß. 
Keine geringere Rolle spielt der Teufel als Gegner des guten Gottes in der 
Mythologie des Christenthums als der Versucher und Verführer, 
der Fürst der Hölle und Herr der Finsterniß. Als 
persönlicher Satanas war er auch noch im Anfange des 19. 
Jahrhunderts ein wesentliches Element im Glauben der meisten Christen; 
erst gegen die Mitte desselben wurde er mit zunehmender 
Aufklärung allmählich abgesetzt, oder er mußte sich 
mit jener untergeordneten Rolle begnügen, welche ihm 
Goethe in der größten aller dramatischen Dichtungen, 
im "Faust", als Mephistopheles zutheilt. Gegenwärtig gilt in 
den besseren gebildeten Kreisen der "Glaube an den persönlichen 
Teufel" als ein überwundener Aberglaube des Mittelalters, 
während gleichzeitig der "Glaube an Gott" (d. h. den 
persönlichen, guten und lieben Gott) als ein unentbehrlicher 
Bestandtheil der Religion festgehalten wird. Und doch ist der erstere 
Glaube ebenso voll berechtigt (und ebenso haltlos!) wie der letztere! 
Jedenfalls erklärt sich die vielbeklagte "Unvollkommenheit des 
Erdenlebens", der "Kampf um's Dasein", und was dazu gehört, viel 
einfacher und natürlicher durch diesen Kampf des guten und 
bösen Gottes als durch irgend welche Form des Gottesglaubens. 
 Monotheismus(Eingötterei). Die Lehre von der Einheit 
Gottes kann in vieler Beziehung als die einfachste und natürlichste 
Form der Gottes-Verehrung gelten; nach der herrschenden Meinung ist 
sie die weitest verbreitete Grundlage der Religion und beherrscht 
namentlich den Kirchenglauben der Kulturvölker. 
Thatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall; denn der angebliche 
Monotheismus erweist sich bei näherer Betrachtung 
meistens als eine der vorher angeführten Formen des Theismus, 
indem neben dem obersten "Hauptgotte" noch einer oder mehrere 
Nebengötter angebetet werden. Auch sind die meisten Religionen, 
welche einen rein monotheistischen Ausgangspunkt haben, im Laufe der 
Zeit mehr oder minder polytheistisch geworden. Allerdings behauptet 
die moderne Statistik, daß unter den 1500 Millionen Menschen, 
welche unsere Erde bevölkern, die große Mehrzahl 
Monotheisten seien, angeblich sollen davon 
ungefähr 600 Millionen Brahma-Buddhisten sein, 500 
Millionen (sogenannte!) Christen, 200 Millionen Heiden (verschiedenster 
Sorte), 180 Millionen Mohammdedaner, 10 Millionen Israeliten und 10 
Millionen ganz religionslos. Allein die große Mehrzahl der 
angeblichen Monotheisten hat ganz unklare Gottesvorstellungen oder 
glaubt neben dem einen Hauptgott auch noch an viele 
Nebengötter, als da sind: Engel, Teufel, Dämonen u. s. w. Die 
verschiedenen Formen, in denen sich der Monotheismus 
polyphyletisch entwickelt hat, können wir in zwei 
Hauptgruppen bringen: naturalistische und anthropistische 
Eingötterei.
 Naturalistischer Monotheismus.Diese alte Form der Religion 
erblickt die Verkörperung Gottes in einer erhabenen, Alles 
beherrschenden Natur-Erscheinung. Als solche imponirte schon vor 
vielen Jahrtausenden den Menschen vor Allem die Sonne, die 
leuchtende und erwärmende Gottheit, von deren Einfluß 
sichtlich alles organische Leben unmittelbar abhängig ist. Der 
Sonnen-Kultur (Solarismus oder Heliotheismus) erscheint 
für den modernen Naturforscher wohl unter allen theistischen 
Glaubens-Formen als die würdigste und als diejenige, welche am 
leichtesten mit der monistischen Naturphilosophie der Gegenwart sich 
verschmelzen läßt. Denn unsere moderne Astrophysik und 
Geogenie hat uns überzeugt, daß die Erde ein 
abgelöster Theil der Sonne ist und später wieder in deren 
Schoß zurückkehren wird. Die moderne Physiologie lehrt uns, 
daß der erste Urquell des organischen Lebens auf der Erde die 
Plasma-Bildung oder Plasmodomie ist und daß diese 
Synthese von einfachen anorganischen Verbindungen, von Wasser, 
Kohlensäure und Ammoniak (oder Salpetersäure), nur unter 
dem Einflusse des Sonnenlichtes erfolgt. Auf die primäre 
Entwickelung der plasmodomen Pflanzen ist erst 
nachträglich, sekundär, diejenige der plasmophagen 
Thiere gefolgt, die sich direkt oder indirekt von ihnen nähren; 
und die Entstehung des Menschengeschlechtes selbst ist wiederum nur 
ein späterer Vorgang in der Stammesgeschichte des Thierreichs. 
Auch unser gesammtes körperliches und geistiges Menschen-Leben ist ebenso
wie alles andere organische Leben im letzten Grunde 
auf die strahlende, Licht und Wärme spendende Sonne 
zurückzuführen. Im Lichte der reinen Vernunft betrachtet, 
erscheint daher der Sonnen-Kultus als naturalistischer 
Monotheismus weit besser begründet als der anthropistische 
Gottesdienst der Christen und anderer Kulturvölker, welche Gott in 
Menschengestalt sich vorstellen. Thatsächlich haben auch schon 
vor Jahrtausenden die Sonnen-Anbeter sich auf eine höhere 
intellektuelle und moralische Bildungsstufe erhoben, als die meisten 
anderen Theisten. Als ich im November 1881 in Bombay war, 
betrachtete ich mit der größten Theilnahme die erhebenden 
Andachts-Uebungen der frommen Parsi, welche beim Aufgang und 
Untergang der Sonne, am Meerestrande stehend oder auf 
ausgebreitetem Teppich kniend, dem kommenden und scheidenden 
Tagesgestirn ihre Verehrung bezeugten (Indische Reisebriefe, IV. Aufl., 
S.56). - Weniger bedeutend als dieser Solarismus ist der 
Lunarismus oder Selenotheismus, der Mond-Kultus; 
wenn auch einige Naturvölker den Mond allein als Gottheit 
verehren, so werden doch meistens daneben noch die Sterne und die 
Sonne angebetet.
 Anthropistischer Monotheismus.Die Vermenschlichung Gottes, 
die Vorstellung, daß das "höchste Wesen" dem Menschen 
gleich empfindet, denkt und handelt (wenn auch in erhabendster Form), 
spielt als anthropomorpher Monotheismus die größte 
Rolle in der Kulturgeschichte. Vor allen anderen treten hier in den 
Vordergrund die drei großen Religionen der mediterranen 
Menschenart, die ältere mosaische, mittlere christliche und die 
jüngere mohammedanische. Diese drei großen
Mittelmeer-Religionen, alle drei an der gesegneten Ostküste des 
interessantesten aller Meere entstanden, alle drei in ähnlicher 
Weise von einem phantasiereichen Schwärmer semitischer Rasse 
gestiftet, hängen nicht nur äußerlich durch diesen 
gemeinsamen Ursprung innig zusammen, sondern auch durch zahlreiche 
gemeinsame Züge ihrer inneren Glaubens-Vorstellungen. Wie das 
Christenthum einen großen Theil seiner Mythologie aus dem 
älteren Judenthum direkt übernommen hat, so hat der 
jüngere Islam wiederum von diesen beiden Religionen viele 
Erbschaften beibehalten. Alle drei Mediterran-Religionen waren 
ursprünglich rein monotheistisch; alle drei sind 
späterhin den mannigfaltigsten polytheistischen 
Umbildungen unterlegen, je weiter sie sich zunächst an den 
vieltheiligen Küsten des mannigfach bevölkerten 
Mittelmeers und sodann in den übrigen Erdtheilen 
ausbreiteten.
 Mosaismus.Der jüsiche Monotheismus, wie ihn 
Moses (1600 vor Chr.) begründete, gilt gewöhnlich als 
diejenige Glaubensform des Alterthums, welche die höchste 
Bedeutung für die weitere ethische und religiöse 
Entwickelung der Menschheit besitzt. Unzweifelhaft ist ihr dieser 
historische Werth schon deshalb zuzugestehen, weil die beiden anderen 
weltbeherrschenden Mediterran-Religionen aus ihr hervorgegangen 
sind; Christus steht ebenso auf den Schultern von Moses, wie 
später Mohammed auf den Schultern von Christus. Ebenso ruht 
das Neue Testament, welches in der kurzen Zeitspanne von 1900 Jahren 
das Glaubens-Fundament der höchstentwickelten Kultur-Völker gebildet
hat, auf der ehrwürdigen Basis des Alten 
Testaments. Beide zusammengenommen haben als Bibel einen 
Einfluß und eine Verbreitung gewonnen wie kein anderen Buch in 
der Welt. Thatsächlich ist ja noch heute in gewisser Beziehung die 
Bibel - trotz ihrer seltsamen Mischung aus den besten und den 
schlechtesten Bestandtheilen! - das "Buch der Bücher". Wenn wir 
aber diese merkwürdige Geschichtsquelle unbefangen und 
vorurtheilslos prüfen, so stellen sich viele wichtige Beziehungen 
ganz anders dar, als überall gelehrt wird. Auch hier hat die tiefer 
eindringende moderne Kritik und Kultur-Geschichte wichtige 
Aufschlüsse geliefert, welche die geltende Tradition in ihren 
Fundamenten erschüttern.
Der Monotheismus, wie ihn Moses im Jehovah-Dienste zu 
begründen suchte, und wie ihn später mit großem 
Erfolge die Propheten - die Philosophen der Hebräer - 
ausbildeten, hatte ursprünglich harte und lange Kämpfe mit 
dem herrschenden älteren Polytheismus zu bestehen. 
Ursprünglich war Jehovah oder Japheh aus jenem 
Himmelgotte abgeleitet, der als Moloch oder Baal eine der 
meistverehrten orientalischen Gottheiten war (Sethos oder Typhon der 
Egypther, Saturnus oder Kronos der Griechen). Die vielbesprochenen 
Forschungen der modernen Assyriologen über "Bibel und 
Babel" (Delitsch u. A.) haben gelehrt, daß der monotheistische 
Japhed-Glaube schon lange vor Moses in Babylon heimisch war. Daneben 
aber blieben andere Götter vielfach mit hohem Ansehen, und der 
Kampf mit der "Abgötterei" bestand im jüdischen Volke 
immer fort. Trotzdem blieb im Principe Jehovah der alleinige Gott, der 
im ersten der zehn Gebote Mosis ausdrücklich sagt: "Ich bin der 
Herr dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir." 
 Das Christenthum.Der christliche Monotheismus theilte das 
Schicksal seiner Mutter, des Mosaismus, und blieb wahre 
Eingötterei meistens nur theoretisch im Princip, während er 
praktisch in die mannigfaltigsten Formen des Polytheismus sich 
verwandelte. Eigentlich war ja schon in der Trinitätslehre selbst, 
die doch als ein unentbehrliches Fundament der christlichen Religion 
gilt, der Monotheismus logischer Weise aufgegeben. Die drei 
Personen, die als Vater, Sohn und Heiliger Geist unterschieden 
werden, sind und bleiben ebenso drei verschiedene Individuen 
(und zwar anthropomorphe Personen!) wie die drei indischen Gottheiten 
der Trimurti (Brahma, Wischnu, Schiwa) oder wie die Trinität der 
alten Hebräer (Anu, Bel, Ao). Dazu kommt noch, daß in den 
weitestverbreiteten Abarten des Christianismus als vierte Gottheit die 
Jungfrau Maria, als unbefleckte Mutter Christi, eine große Rolle 
spielt; in weiten katholischen Kreisen gilt sie sogar als viel wichtiger und 
einflußreicher wie die drei männlichen Personen der 
Himmels-Regierung. Der Madonnen-Kultus hat hier 
thatsächlich eine solche Bedeutung gewonnen, daß man ihn 
als einen weiblichen Monotheismus der gewöhnlichen 
männlichen Form der Eingötterei gegenüber stellen 
kann. Die "hehre Himmelskönigin" erscheint hier so sehr im 
Vordergrund aller Vorstellungen (wie es auch unzählige 
Madonnen-Bilder und Sagen bezeugen), daß die drei 
männlichen Personen dagegen ganz zurücktreten.
Nun hat sich aber außerdem schon frühzeitig in der 
Phantasie der gläubigen Christen eine zahlreiche Gesellschaft von 
"Heiligen" aller Art zu dieser obersten Himmels-Regierung gesellt, 
und musikalische Engel sorgen dafür, daß es im "ewigen 
Leben" an Konzert-Genüssen nicht fehlt. Die römischen 
Päpste - die größten Charlatans, die jemals eine 
Religion hervorgebracht hat! - sind beständig beflissen, durch 
neue Heiligsprechungen die Zahl dieser anthropomorphen Himmels-Trabanten zu
vermehren. Den reichsten und interessantesten Zuwachs 
hat aber diese seltsame Paradies-Gesellschaft am 13. Juli 1870 dadurch 
bekommen, daß das vatikanische Konzil die Päpste als 
Stellvertreter Christi für unfehlbar erklärt und sie 
damit selbst zum Range von Göttern erhoben hat. Nimmt 
man dazu noch den von ihnen anerkannten "persönlichen Teufel" 
und die "bösen Engel", welche seinen Hofstaat bilden, so 
gewährt uns der Papismus, die heute noch meistverbreitete 
Form des modernen Christenthums, ein so buntes Bild des reichsten 
Polytheismus, daß der hellenische Olymp dagege klein und 
dürftig erscheint. 
 Der Islam(oder der mohammedanische Monotheismus) 
ist die jüngste und zugleich reinste Form der Eingötterei. Als 
der junge Mohammed (geb. 570) frühzeitig den polytheistischen 
Götzendienst seiner arabischen Stammesgenossen verachten und 
das Christenthum der Nestorianer kennen lernte, eignete er sich zwar 
deren Grundlehren im Allgemeinen an, er konnte sich aber nicht 
entschließen, in Christus etwas Anderes zu erblicken als einen 
Propheten, gleich Moses. Im Dogma der Dreieinigkeit fand er nur das, 
was bei unbefangenem Nachdenken jder vorurtheilsfreie Mensch darin 
finden muß, einen widersinnigen Glaubenssatz, der weder mit dem 
Grundsätzen unserer Vernunft vereinbar noch für unsere 
religiöse Erhebung von irgend welchem Werthe ist. Die Anbetung 
der "Mutter Gottes" betrachtete er mit Recht ebenso als eitle 
Götzendienerei wie die Verehrung von Bildern und 
Bildsäulen. Je länger er darüber nachdachte, und je 
mehr er nach einer reineren Gottes-Vorstellung hinstrebte, desto klarer 
wurde ihm die Gewißheit seines Hauptsatzes: "Gott ist der alleinige 
Gott"; es giebt keine Götter neben ihm.
Allerdings konnte auch Mohammed sich von dem Anthropomorphismus 
der Gottes-Vorstellung nicht frei machen. Auch sein alleiniger Gott blieb 
ein idealisirter, allmächtiger Mensch, ebenso wie der strenge, 
strafende Gott des Moses, ebenso wie der milde, liebende Gott des 
Christus. Aber trotzdem müssen wir der mohammedanischen 
Religion den Vorzug lassen, daß sie auch im Verlaufe ihrer 
historischen Entwicklung und der unvermeidlichen Abartung den 
Charakter des reinen Monotheismus viel strenger bewahrte als 
die mosaische und die christliche Religion. Das zeigt sich auch heute noch 
äußerlich in den Gebets-Formen und Predikt-Weisen ihres 
Kultus, wie in der Architektur und Ausschmückung ihrer 
Gotteshäuser. Als ich 1873 zum ersten Male den Orient besuchte 
und die herrlichen Moscheen in Kairo und Smyrna, in Brussa und 
Konstantinopel bewunderte, erfüllten mich mit wahrer Andacht 
die einfache und geschmackvolle Dekoration des Innern, der erhabene 
und zugleich prächtige architektonische Schmuck des 
Aeußern. Wie edel und erhaben erscheinen diese Moscheen im 
Vergleiche zu der Mehrzahl der katholischen Kirchen, welche innen mit 
bunten Bildern und goldenem Flitterkram überlagen, außen 
durch übermäßige Fülle von Menschen- und 
Thier-Figuren verunstaltet sind! Nicht minder erhaben erscheinen die 
stillen Gebete und die einfachen Andachts-Uebungen des Koran im 
Vergleiche mit dem lauten, unverstandenen Wortgeplapper der 
katholischen Messen und der lärmenden Musik ihrer 
theatralischen Processionen. 
 MixotheismusMischgötterei. Unter diesem Begriffe kann 
man füglich alle diejenigen Formen des Götterglaubens 
zusammenfassen, welche Mischungen von religiösen 
Vorstellungen verschiedener und zum Theil direkt widersprechender 
Art enthalten. Theoretisch ist diese weitestverbreitete Religionsform 
bisher nirgends anerkannt. Praktisch aber ist sie die wichtigste und 
merkwürdigste von allen. Denn die große Mehrzahl aller 
Menschen, die sich überhaupt religiöse Vorstellungen 
bildeten, waren von jeher und sind noch heute Mixotheisten; ihre 
Gottes-Vorstellung ist bunt gemischt aus den frühzeitig in der 
Kindheit eingeprägten Glaubenssätzen ihrer speciellen 
Konfession und aus vielen verschiedenen Eindrücken, welche 
später bei der Berührung mit anderen Glaubensformen 
empfangen werden, und welche die ersteren modificiren. Bei vielen 
Gebildeten kommen dazu noch der umgestaltete Einfluß 
philosophischer Studien im reiferen Alter und vor Allem die 
ungefangene Beschäftigung mit den Erscheinungen der Natur, 
welche die Nichtigkeit der theistischen Glaubensbilder darthum. Der 
Kampf dieser widersprechenden Vorstellungen, welcher für feiner 
empfindende Gemüther äußerst schmerzlich ist und oft 
das ganze Leben hindurch unentschieden bleibt, offenbart klar die 
ungeheure Macht der Vererbung alter Glaubenssätze 
einerseits und der frühzeitigen Anpassung an 
irrthümliche Lehren andererseits. Die besondere Konfession, in 
welche das Kind eingezwängt wurde, bleibt meistens in der 
Hauptsache maßgebend, falls nicht später durch den 
stärkeren Einfluß eines anderen Glaubensbekenntnisses eine 
Konversion eintritt. Aber auch bei diesem Uebertritt von einer 
Glaubensform zu anderen ist oft der neue Name, ebenso wie der alte 
aufgegebene, nur eine äußere Etikette, unter welcher bei 
näherer Untersuchung die allerverschiedensten Ueberzeugungen 
und Irrthümer bunt gemischt sich verstecken. die große 
Mehrzahl der sogenannten Christen sind nicht Monotheisten (wie sie 
glauben), sondern Amphitheisten, Triplotheisten oder Polytheisten. 
Dasselbe gilt aber auch von den Bekennern des Islam und des 
Mosaismus, wie von anderen monotheistisichen Religionen. Ueberall 
gesellen sich zu der ursprünglichen Vorstellung des "alleinigen 
oder dreieinigen Gottes" später erworbene Glaubensbilder von 
untergeordneten Gottheiten: Engeln, Teufeln, Heiligen und anderen 
Dämonen, eine bunte Mischung der verschiedensten theistischen 
Gestalten.
 Wesen des Theismus.Alle hier angeführten Formen des 
Theismus im eigentlichen Sinne - gleichviel, ob dieser Gottesglaube eine 
naturalistische oder anthropistische Form annimmt - haben gemeinsam 
die Vorstellung Gottes als des Außerweltlichen 
(Extramundanum) oder Uebernatürlichen 
(Supranaturale). Immer steht Gott als selbstständiges Wesen 
der Welt oder der Natur gegenüber, meistens als Schöpfer, 
Erhalter und Regierer der Welt. In den allermeisten Religionen kommt 
dazu noch der Charakter des Persönlichen und bestimmter 
noch die Vorstellung, daß Gott als Person dem Menschen 
ähnlich ist. "In seinen Göttern malet sich der Mensch." Dieser 
Antropomorphismus Gottes oder die anthropistische Vorstellung 
eines Wesens, welches gleich dem Menschen denkt, empfindet und 
handelt, ist bei der großen Mehrzahl der Gottesgläubigen 
maßgebend, bald in mehr roher und naiver, bald in mehr feiner 
und abstrakter Form. Allerdings wird die fortgeschrittenste Form der 
Theosophie behaupten, daß Gott als höchstes Wesen von 
absoluter Vollkommenheit und daher gänzlich von dem 
unvollkommenen Wesen des Menschen verschieden sei. Allein bei 
genauerer Untersuchung bleibt immer das Gemeinsame Beider ihre 
Seelen- oder Geistesthätigkeit. Gott empfindet, denkt und handelt 
wie der Mensch, wenn auch in unendlich vollkommenerer Form.
 Der persönliche Anthropismus Gottesist bei der 
großen Mehrzahl der Gläubigen zu einer so natürlichen 
Vorstellung geworden, daß sie keinen Anstoß an der 
menschlichen Personifikation Gottes in Bildern und Statuen nehmen, 
und an den mannigfaltigen Dichtungen der Phantasie, in welchen Gott 
menschliche Gestalt annimmt, d. h. sich in ein Wirbelthier 
verwandelt. In vielen Mythen erscheint die Person Gottes auch in 
Gestalt anderer Säugethiere (Affen, Löwen, Stiere u. s. w.), 
seltener in Gestalt von Vögeln (Adler, Tauben, Störche) oder 
in Form von anderen Wirbelthieren (Schlangen, Krokodile, Drachen).
In den höheren und abstrakteren Reiligions-Formen wird diese 
körperliche Erscheinung aufgegeben und Gott nur als "reiner 
Geist" ohne Körper verehrt. "Gott ist ein Geist, und wer ihn 
anbetet, soll ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten." Trotzdem bleibt 
aber die Seelenthätigkeit dieses reinen Geistes ganz dasselbe wie 
diejenige der anthropomorphen Gottes-Person. In Wirklichkeit wird 
auch dieser immaterielle Geist nicht unkörperlich, sondern 
unsichtbar gedacht, gasförmig. Wir gelangen so zu der paradoxen 
Vorstellung Gottes als eines sogenannten "gasförmigen 
Wirbelthieres" (1866). 
II.  Pantheismus(All-Eins-Lehre): Gott und Welt sind ein 
einziges Wesen. Der Begriff Gottes fällt mit demjenigen der 
Natur oder der Substanz zusammen. Diese pantheistische 
Weltanschauung steht im Princip sämmtlichen angeführten 
und allen sonst noch möglichen Formen des Theismus 
schroff gegenüber, wenngleich man durch Entgegenkommen von 
beiden Seiten die tiefe Kluft zwischen beiden zu 
überbrücken sich vielfach bemüht hat. Immer bleibt 
zwischen beiden der fundamentale Gegensatz bestehen, daß im 
Theismus Gott als extramundanes Wesen der Natur 
schaffend und erhaltend gegenübersteht und von 
außen auf sie einwirkt, während im Pantheismus 
Gott als intramundanes Wesen allenthalten die Natur selbst ist 
und im Innern der Substanz als "Kraft oder Energie" thätig 
ist. Diese letztere Ansicht allein ist vereinbar mit jenem höchsten 
Naturgesetze, dessen Erkenntniß einen der größten 
Triumpfe des 19. Jahrhunderts bildet, mit dem Substanz-Gesetze. 
Daher ist nothwendiger Weise der Pantheismus die Weltanschauung 
unserer modernen Naturwissenschaft. Freilich giebt es auch heute 
noch nicht wenige Naturforscher, welche diesen Satz bestreiten und 
welche meinen, die alte theistische Beurtheilung des Menschen mit den 
pantheistischen Grundgedanken des Substanz-Gesetzes vereinigen zu 
können. Indessen beruhen alle diese vergeblichen Bestrebungen 
auf Unklarheit oder Inkonsequenz des Denkens, falls sie 
überhaupt aufrichtig und ehrlich gemeint sind.
Da der Pantheismus erst aus der geläuterten 
Naturbetrachtung des denkenden Kulturmenschen hervorgehen konnte, 
ist er begreiflicher Weise viel jünger als der Theismus, 
dessen roheste Formen sicher schon vor mehr als zehntausend Jahren 
bei den primitiven Naturvölkern in mannigfaltigen Variationen 
ausgebildet wurden. Wenn auch in den ersten Anfängen der 
Philosophie bei den ältesten Kultur-Völkern (in Indien und 
Egypten, in China und Japan) schon mehrere Jahrtausende vor Christus 
Keime des Pantheismus in verschiedenen Religions-Formen eingestreut 
sich finden, so tritt doch eine bestimmte philosophische Fassung 
desselben erst in dem Hylozoismus der ionischen 
Naturphilosophen auf, in der ersten Hälfte des sechsten 
Jahrhunderts vor Chr. Alle großen Denker dieser Blüthe-Periode des
hellenischen Geistes überragt der gewaltige 
Anaximander von Milet, der die principielle Einheit des 
unendlichen Weltganzen (Apeiron) tiefer und klarer 
erfaßte als sein Lehrer Thales und sein Schüler 
Anaximenes. Nicht nur den großen Gedanken der 
ursprünglichen Einheit des Kosmos, der 
Entwickelung aller Erscheinungen aus der Alles durchdringenden 
Urmaterie, hatte Anaximander bereits ausgesprochen, 
sondern auch die kühne Vorstellung von zahllosen, in 
periodischem Wechsel entstehenden und vergehenden 
Weltbildungen. 
Auch viele von den folgenden großen Philosophen des klassischen 
Alterthums, vor Allen Demokritos, Heraklitos und 
Empedokles, hatten in gleichem oder ähnlichem Sinne tief 
eindringend bereits jene Einheit von Natur und Gott, von Körper 
und Geist erfaßt, welche im Substanz-Gesetze unseres heutigen 
Monismus den bestimmtesten Ausdruck gewonnen hat. Der 
große römische Dichter und Naturphilosoph Lucretius 
Carus hat ihn in seinem berühmten Lehrgedichte "De rerum 
natura" in hochpoetischer Form dargestellt. Allein dieser naturwahre 
pantheistische Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt 
durch den mystischen Dualismus von Plato und besonders durch 
den gewaltigen Einfluß, den seine idealistische Philosophie durch 
die Verschmelzung mit den christlichen Glaubenslehren gewann. Als 
sodann deren mächtigster Anwalt, der römische Papst, die 
geistige Weltherrschaft gewann, wurde der Pantheismus gewaltsam 
unterdrückt; Giordano Bruno, sein geistvollster Vertreter, 
wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo Fiori in Rom von dem 
"Stellvertreter Gottes" lebendig verbrannt. 
Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde durch den 
großen Baruch Spinoza das System des Pantheismus in 
reinster Form ausgebildet; er stellte für die Gesammtheit der 
Dinge den reinen Substanz-Begriff auf, in welchem "Gott und 
Welt" untrennbar vereinigt sind. Wir müssen die Klarheit, 
Sicherheit und Folgerichtigkeit des monistischen Systems von 
Spinoza heute um so mehr bewundern, als diesem gewaltigen 
Denker vor 250 Jahren noch alle die sicheren empirischen Fundamente 
fehlten, die wir erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
gewonnen haben. Das Verhältniß von Spinoza zum 
späteren Materialismus im 18. und zu unserem heutigen 
Monismus im 19. Jahrhundert haben wir bereits im ersten 
Kapitel besprochen. Zur weiteren Verbreitung desselben, besonders im 
deutschen Geistesleben, haben vor Allem die unsterblichen Werke 
unseres größten Dichters und Denkers beigetragen, 
Wolfgang Goethe. Seine herrlichen Dichtungen "Gott und Welt", 
"Prometheus", "Faust" u. s. w. hüllen die Grundgedanken des 
Pantheismus in die vollkommenste und schönste dichterische 
Form. 
Die Beziehungen unseres heutigen Monismus zu den früheren 
philosophischen Systemen, sowie die wichtigsten Grundzüge von 
deren historischer Entwickelung, sind in dem vortrefflichen 
"Grundriß der Geschichte der Philosophie" von Friedrich 
Überweg eingehend dargestellt (Neunte Auflage, bearbeitet 
von Max Heinze, Berlin 1902). Eine vortreffliche klare Uebersicht 
derselben - gewißermaßen eine "Stammesgeschichte der 
Welträthsel und der Versuche zu ihrer Lösung" - hat Fritz 
Schultze (Dresden) in seinem "Stammbaum der Philosophie" 
gegeben; ein "Tabellarisch-Schematischer Grundriß der Geschichte 
der Philosophie von den Griechen bis zur Gegenwart" (Leipzig, II. Aufl. 
1899). 
 Atheismus("die entgötterte Weltanschauung"). Es 
giebt keinen Gott und keine Götter, falls man unter diesem 
Begriff persönliche, außerhalb der Natur stehende Wesen 
versteht. Diese "gottlose Weltanschauung" fällt im 
Wesentlichen mit dem Monismus oder Pantheismus 
unserer modernen Naturwissenschaft zusammen; sie giebt nur einen 
anderen Ausdruck dafür, indem sie eine negative Seite derselben 
hervorhebt, die Nicht-Existenz der extramundanen oder 
übernatürlichen Gottheit. In diesem Sinne sagt 
Schopenhauer ganz richtig: "Pantheismus ist nur ein 
höflicher Atheismus. Die Wahrheit des Pantheismus besteht in der 
Aufhebung des dualistischen Gegensatzes zwischen Gott und Welt, in der 
Erkenntniß, daß die Welt aus ihrer inneren Kraft und durch 
sich selbst da ist. Der Satz des Pantheismus: 'Gott und die Welt ist Eins' 
ist bloß eine höfliche Wendung, dem Herrgott den Abschied 
zu geben."
Während des ganzen Mittelalters, unter der blutigen Tyrannei des 
Papismus, wurde der Atheismus als die entsetzlichste Form der 
Weltanschauung mit Feuer und Schwert verfolgt. Da der "Gottlose" im 
Evangelium mit dem "Bösen" schlechtweg identificirt und ihm im 
ewigen Leben - bloß wegen "Glaubensmangels"! - die 
Höllenstrafe der ewigen Verdammniß angedroht wird, ist es 
begreiflich, daß jeder gute Christ selbst den entferntesten Verdacht 
des Atheismus ängstlich mied. Leider besteht auch heute noch 
diese Auffassung in weiten Kreisen fort. Dem atheistischen 
Naturforscher, der seine Kraft und sein Leben der Erforschung der 
Wahrheit widmet, traut man von vornherein alles Böse zu; 
der theistische Kirchgänger dagegen, der die leeren 
Ceremonien des papistischen Kultus gedankenlos mitmacht, gilt 
deswegen als guter Staatsbürger, auch wenn er sich bei seinem 
Glauben gar nichts denkt und nebenher der verwerflichsten 
Moral huldigt. Dieser Irrthum wird sich erklären, wenn im 20. 
Jahrhundert der herrschende Aberglaube mehr der vernünftigen 
Naturerkenntniß weicht und der monistischen Ueberzeugung der 
Einheit von Gott und Welt. 
 Inhalt, 
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
 Copyright 1997. 
Kurt Stüber
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